Zum Hauptinhalt springen

Der Deutsche Historikertag

Was Geschichtswissenschaftler zum großen Treffen ihrer Zunft nach Göttingen zieht. Ein Interview.

22.09.2014
Bertold Fabricius - Dorothee Wierling
Bertold Fabricius - Dorothee Wierling © Bertold Fabricius - Dorothee Wierling

Dorothee Wierling ist stellvertretende Direktorin der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH). Als Gerda-Henkel-Gastprofessorin forscht sie 2013/2014 am Deutschen Historischen Institut (DHI) in London und lehrt an der London School of Economics (LSE). Für den 50. Deutschen Historikertag reist sie nach Deutschland.

Zum Deutschen Historikertag kommen im Schnitt 3.000 Teilnehmer. Warum besteht in Zeiten der digitalen Vernetzung noch so viel Interesse am direkten Austausch?

Das Internet kann die persönliche Kommunikation nicht ersetzen. Bei diesen Treffen der historisch Forschenden und Lernenden entsteht eine ganz eigene Dynamik. Es geht nicht nur um den Austausch von Forschungsergebnissen, sondern auch um das, was sich darüber hinaus in unserem Fach abspielt. Gesprächsthemen sind etwa die Geschichtswissenschaft an den Universitäten, Trends bei Veröffentlichungen und die Vermittlung in die Gesellschaft hinein.  

 

Partnerland ist diesmal Großbritannien. Was unterscheidet die Geschichtswissenschaft dort und in Deutschland?

Zum einen ist die britische Geschichtswissenschaft stärker transnational ausgerichtet, was natürlich mit der Historie des Empire zusammenhängt. Dadurch haben die Briten einen bedeutenden Vorsprung auf dem Gebiet der international vergleichenden Geschichte und der Globalisierungsgeschichte. Außerdem haben Historiker in Großbritannien weniger Scheu, ihre Erkenntnisse zu popularisieren. Ihre Bücher sind oft unterhaltsam und finden ein größeres Publikum. Auch sind sie präsenter in den Medien, etwa bei den zahlreichen Geschichtssendungen im Fernsehen.

    

Sie forschen und lehren derzeit in Großbritannien. Wie erleben Sie dort das Gedenkjahr 2014?

Auf der akademischen Ebene hat das Buch von Christopher Clark, „Die Schlafwandler“, hier eine interessante Debatte über die Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs ausgelöst. In der Öffentlichkeit herrscht zugleich ein Gedenken vor, das vor allem das Heldentum und die Opferbereitschaft der Soldaten und der Bevölkerung hervorhebt. Institutionen wie das Imperial War Museum fördern die persönliche Identifikation mit der Kriegsgeneration. Das alles steht in starkem Gegensatz zu der Distanz, die in Deutschland gegenüber der Katastrophe von 1914 herrscht. Obwohl es verständlich ist, dass für die Deutschen in der Erinnerung der Zweite Weltkrieg den Ersten überdeckt, sollte uns diese Distanz Anlass zur kritischen Selbstreflexion geben.

 

50. Deutscher Historikertag vom 23. bis 26. September 2014 in Göttingen

 

www.historikertag.de

 

©www.deutschland.de