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Gemeinsame Forschung über tausende Kilometer hinweg

Algen, die Antibiotika bilden, oder Hilfe für Menschen mit Autismus: Forschende in Deutschland und Neuseeland verfolgen gemeinsam neue Ansätze.

Barbara Barkhausen Barbara Barkhausen, 19.07.2024
Eine bilaterale Kooperation erforscht Superkräfte von Algen.
Eine bilaterale Kooperation erforscht Superkräfte von Algen. © Andreas Kunzmann/ZMT

In Algen schlummert ein großes und bislang immer noch nicht vollständig erschlossenes Potenzial – ob als Energielieferanten, Biokatalysatoren oder Sauerstoffproduzenten. Ein Kooperationsprojekt des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen und des Leigh Marine Laboratory (LML) an der University of Auckland in Neuseeland verfolgt nun einen weiteren Ansatz: Es untersucht seit Mai 2024 die sogenannte Sekundärmetabolite, die Algen ebenfalls produzieren. Diese Pigmente oder Antibiotika könnten sowohl für pharmakologische wie auch ernährungswissenschaftliche Anwendungen interessant sein, erklärt Projektleiter Dr. Andreas Kunzmann vom ZMT. 

Viele Vorteile durch transkontinentale Kooperationen

Die deutsch-neuseeländische Studie „Biotechnologische Anwendung von Algensekundärprodukten“ gehört zu den jüngsten Forschungsprojekten, die der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) im Rahmen seines Programms des Projektbezogenen Personenaustauschs fördert. 

Für Andreas Kunzmann ist die Kooperation zwischen Neuseeland und Deutschland sinnvoll, da beide Länder auf vergleichbaren Breitengraden und in ähnlich temperierten Zonen liegen. Dies mache latitudinale Vergleiche, also Vergleiche in Bezug auf Breitengrade, erst möglich. „Das heißt, wir erwarten bei den Algen zwar verschiedene Arten, aber vergleichbare Eigenschaften.“

Kunzmann forscht und arbeitet bereits seit mehr als 15 Jahren mit neuseeländischen Kolleginnen und Kollegen zusammen. Er kennt auch die ganz praktischen Herausforderungen solcher Projekte: „Zeitverschiebung und Entfernung sind schwierig.“ Auch eine kurze Reise im Jahr – die im aktuellen Projekt durch die DAAD-Förderung möglich ist – reiche nicht immer für alle Aufgaben. Dennoch sind die Kooperationen in seinen Augen so wertvoll, dass Kunzmann sie gerne weiter voranbringen möchte. „Nur so sind globale Rückschlüsse möglich“, sagt er. 

Projektleiter Andreas Kunzmann (r.) mit dem neuseeländischen Botschafter Craig John Hawke
Projektleiter Andreas Kunzmann (r.) mit dem neuseeländischen Botschafter Craig John Hawke © Andreas Kunzmann/ZMT

Rund vier Autostunden südlich von Bremen forschen Philipp Demling und seine Kolleginnen und Kollegen am Institut für Angewandte Mikrobiologie an der RWTH Aachen ebenfalls in Kooperation mit neuseeländischen Forschenden. Während das Team der RWTH Hefepilze als Polyphosphat-Produzenten untersucht, schauen sich die neuseeländischen Forschenden Mikroalgen an. 

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In dem gemeinsamen Projekt „Quantifizierung und Charakterisierung von Polyphosphaten aus Mikroalgen“ werden analytische Methoden auf den jeweils anderen Organismus übertragen, um ein ganzheitlicheres Bild zeichnen zu können. Hierzu finanzierte der DAAD drei mehrwöchige Aufenthalte der RWTH-Forschenden an der Massey University. 

Philipp Demling von der RWTH Aachen beim Forschungsaufenthalt an der Massey University in Neuseeland
Philipp Demling von der RWTH Aachen beim Forschungsaufenthalt an der Massey University in Neuseeland © privat

Es sei sehr bereichernd gewesen, in einem anderen Land und vor allem in einem fremden Labor zu arbeiten, erzählt Demling. Er habe viele neue Impulse, Ideen und Inspirationen erhalten. Selbst der Austausch über Online-Meetings habe – trotz zehn bis zwölf Stunden Zeitverschiebung – gut funktioniert. „Wir standen entweder ein wenig früher auf oder blieben am Abend länger wach.”

Forschende wollen Videospiele in die therapeutische Arbeit integrieren.
Forschende wollen Videospiele in die therapeutische Arbeit integrieren. © Davizro/iStock

Die menschliche Psyche steht im Fokus eines Forschungsprojekts der Hochschule Furtwangen mit der University of Canterbury im neuseeländischen Christchurch: Es befasst sich dafür mit einem KI-gesteuerten Emotionserkennungstraining. Hintergrund sei, dass die Häufigkeit einer hochfunktionalen Autismus-Spektrum-Störung insbesondere bei Männern zunehme, berichtet Projektleiter Prof. Geoffrey Chase von der University of Canterbury. Die Betroffenen könnten Emotionen schlecht erkennen und hätten Schwierigkeiten in Kommunikation und Interaktion. Mögliche Folgen der sogenannten „sozialen Blindheit“ seien Ausgrenzung, psychische Probleme, verringerte Beschäftigung, Suchtanfälligkeit und Suizidgedanken. Zwar könnten Emotionserkennung und Szenariotraining mit ausgebildeten Therapeutinnen und Therapeuten „sehr erfolgreich“ sein, wie Chase erläutert. „Doch Therapieplätze sind rar und teuer.“ Das deutsch-neuseeländische Team testet daher verschiedene Ansätze, um möglichst vielen Betroffenen Hilfsangebote zugänglich zu machen. 

Ziel ist es, Menschen mit Autismus mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Virtueller Realität realistische Szenarien darzustellen. Dies soll ein stressfreies Training von Interaktionsformen ermöglichen. Statt echten Menschen können Avatare als Kommunikationspartner dienen. „Mithilfe der Studie wird nun erstmals eine Softwareplattform geschaffen, auf die weit mehr Menschen für sich selbst oder ihre Kinder zugreifen können“, erklärt Chase.

Ein mittel- bis langfristiger Traum sei, die erarbeiteten Szenarien und Methoden als „therapeutisches Add-on“ in Videospiele zu integrieren. Dabei sollen Betroffene spielerisch Aufgaben am Computer absolvieren und damit Fähigkeiten trainieren. Dies geschieht in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden – bei der Kommunikation im Supermarkt oder auch bei der Schmetterlingsjagd im Sumpf. 

PPP

– die drei Buchstaben stehen für Programm des Projektbezogenen Personenaustauschs. Mit PPP will der DAAD die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Hochschulen in Deutschland und Institutionen in Partnerländern fördern. Bei den Forschungsprojekten soll besonders der wissenschaftliche Nachwuchs, etwa Promovierende und junge Post-Docs, die Chance erhalten, sich in einem internationalen wissenschaftlichen Umfeld zu qualifizieren. Dazu gehört beispielsweise, den Nachwuchsforschenden einen Aufenthalt an einer Partnereinrichtung im Ausland zu ermöglichen. Erst 2022 wurde das PPP mit Neuseeland initiiert.