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Faszinierend – Forschung mit großem Gerät

Wenn Spitzenforscher auf Top-Equipment treffen, können Erfolgsgeschichten entstehen.

19.03.2015
© picture-alliance/dpa/NASA - Alexander Gerst in space

Über den Wolken. Wenn in jüngster Zeit vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Rede war, fallen einem spektakuläre Bilder ein. Zum Beispiel, als am 12. November 2014, 510 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, der Lander Philae auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko aufsetzte und nicht nur die Weltraum-Community ins Staunen brachte. Gerade hatte man das knuffige Landegestell ins Herz geschlossen, da versagte, nach 56 Stunden spannender Kommunikation, die Batterie von Philae. Seither warten die ­Experten im Lander Control Center der DLR auf ein Lebenszeichen vom kleinen Gerät auf dem fernen Kometen. Doch Hoffnung bleibt: Die erste Chance auf einen Kontakt könnte sich Ende März 2015 ergeben. Der Lander benötigt zusätzliche Energie, die erst durch die Annäherung des Kometen an die Sonne entsteht. Die Mission Rosetta der europäischen Weltraumorganisation ESA, zu der Philae gehört, soll die Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems erforschen, indem sie einen der ältesten Himmelskörper, einen Kometen, untersucht. In Dauerkontakt mit der Erde hingegen raste 2014 der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst durchs All. Mehr noch als sein Aufenthalt außerhalb der Raumstation ISS begeisterte sein extraterrestrischer Socialmedia-Einsatz. Während der knapp sechs Monate an Bord der ISS twitterte „Astro-Alex“ mit Schulklassen, gratulierte der deutschen Elf zum WM-Sieg, postete Fotos in Facebook zu „Blue Dot“ – so nannte er seine Mission. Weniger breitenwirksam, aber anspruchsvoll erforschte derweil das neue deutsche Forschungsflugzeug HALO in Brasiliens Regenwald die Ent­stehung, Entwicklung und Eigenschaften von tropischen Wolken.

Im Reich des Supercomputing. Ob Weltklima, Hirnforschung oder Energiezukunft: ­Simulationen mit Höchstleistungsrechnern sind für komplexe Erkenntnisprozesse das A und O. Je realistischer die Simulationen werden, umso rechenintensiver sind sie. Einer der Computer, der den Vorstoß in Grenzbereiche möglich macht, ist JUQUEEN. Mit 458 752 Rechenkernen und einer Spitzen­leistung von 5,9 Peta-flops, das sind schier ­unvorstellbare 5,9 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde, ist er im November 2014 im Top-500-Ranking der Supercomputer auf Platz 8 weltweit platziert worden. Das Forschungszentrum Jülich betreibt JUQUEEN, der auch außergewöhnlich energieeffizient arbeitet, im Forschungsprogramm Supercomputing der Helmholtz-Gemeinschaft; 2013 wurden allein im Rahmen des Supercomputerverbundes „Partnership for Advanced Computing in Europe“ 15 europäische Projekte auf JUQUEEN gerechnet. Die geballte Rechenleistung brauchen die Forscher auch für die ambitionierten Arbeiten am Human Brain Project. Das milliardenschwere Flaggschiff-Projekt der Europäischen Union hat das Ziel, das gesamte Wissen über das menschliche Gehirn zusammenzufassen und mithilfe computerbasierter Modelle und Simulationen nachzubilden. Über 80 europäische Forschungseinrichtungen aus 23 Ländern sowie weitere internationale Partner sind mit an Bord.

Den kleinsten Teilchen auf der Spur. Das Deutsche Elektronen-Synchrotron, vielen besser bekannt als DESY, gehört weltweit zu den feinsten Adressen in Sachen Teilchenbeschleunigung. Mit DESY-Großgeräten erkunden Forscher den Mikrokosmos in seiner ganzen Vielfalt – vom Wechselspiel der kleinsten Elementarteilchen über das Verhalten neuer Nanowerkstoffe bis hin zu komplexen Prozessen, die zwischen Biomolekülen ablaufen. Die Beschleuniger wie auch die Nachweisinstrumente dürfen den Superlativ selbstbewusst tragen: Großbeschleuniger PETRA III gilt bei Kennern als der weltbeste Speicherring für die Erzeugung von Röntgenstrahlung; FLASH wiederum liefert ultrakurze Blitze aus „weichem“ Röntgenlicht und ermöglicht einzigartige Experimente. Schon jetzt blicken die Forscherteams auf dem DESY-Campus spannungsvoll auf das Jahr 2017, wenn endlich der europäische Röntgenlaser XFEL, angesiedelt in der Metropolregion Hamburg, loslegt und die intensivsten Röntgenblitze aller Zeiten erzeugen wird. Mehr als 3000 Gastforscher aus 40 Nationen, die jährlich an den Standorten Hamburg und Zeuthen bei Berlin des zur Helmholtz-Gemeinschaft gehörenden DESY arbeiten, schätzen die nahezu grenzenlosen Möglichkeiten dieser Großgeräte.

Elementare Grundlagenforschung. Wer in der Schwerionenforschung die Erkenntnishorizonte dehnen will, kommt am GSI Helmholtzzentrum für Schwer­ionenforschung in Darmstadt kaum vorbei. Als weltweit einmalig gilt die Beschleunigeranlage für Ionen, die jährlich rund 1250 internationale Wissenschaftler nutzen. Forscherteams der GSI, Gesellschaft für Schwerionenforschung mbH, versuchen bisher unbekannte Elemente im Labor zu erzeugen. In Experimenten gelang ihnen das bisher sechsmal – die Elemente mit den Ordnungszahlen 107 bis 112 gehen auf ihr Konto. 2014 landeten sie einen weiteren Coup: Der Nachweis von Element 117 durch Experimente bei der GSI gehört nach Einschätzung der einflussreichen Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft zu den zehn aufregendsten Forschungserfolgen des Jahres 2014 in der Physik. Mit Spannung schaut man in Darmstadt in Richtung Zukunft. Das Beschleunigerzentrum FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research), weltweit als eines der größten Projekte für die physikalische Grundlagenforschung gehandelt, soll nach seiner Fertigstellung im Jahr 2018 rund 3000 Forschern aus über 50 Ländern die Möglichkeit bieten, Grundbausteine der Materie und die Entwicklung des Universums zu erkunden. FAIR wird von Deutschland und neun weiteren Partnerländern finanziert.

Schwimmende Hightechlabore. Nicht nur die kleinsten Teilchen der Materie geben weiterhin Rätsel auf, auch das Meer birgt noch Geheimnisse von schier unendlicher Fülle. Von Elisabeth Mann Borgese, der großen alten Dame der Meeresbiologie, stammt die Vermutung, die Oberfläche des Mondes sei gründlicher erkundet  als der größte Lebensraum unseres Planeten. Speziell für die Meeresforschung konstruiert sind die deutschen Forschungsschiffe „Polarstern“, „Meteor“, „Sonne“, „Maria S. Merian“, „Poseidon“, „Alkor“ und „Heincke“ – schwimmende Laboratorien für Biologen, Geologen, Geophysiker, Glaziologen, Geochemiker, Ozeanografen und Meteorologen. Jüngster Stolz der Flotte ist das Forschungsschiff Sonne. Das im  Juli 2014 von Bundeskanzlerin Merkel getaufte 116 Meter lange Schiff soll Licht ins Dunkel von Pazifik und Indik bringen und sich vorrangig mit dem Schutz der maritimen Ökosysteme und der Nutzung von Meeresressourcen beschäftigen. Ziel der ersten großen Reise des modernsten Forschungsschiffs der Welt war unter anderem die Dominikanische Republik. Neben der Erforschung des Puerto-Rico-Grabens und der in ihm lebenden Tiefseeorganismen beschäftigte die rund 40 Forscher an Bord die Kartografierung großer Teile des atlantischen Meeresbodens.

Erkundungen im Ewigen Eis. Erreichbarkeit ist nicht ihre Stärke. Wer einfach nur mal spontan mit ihnen sprechen möchte, wird sich vermutlich schwertun. Treffen geht nicht, telefonieren geht nicht. Ach ja, per Funk kann man die neun „Überwinterer“ auf der Position 70°40´S, 008°16´W erreichen, aber wer hat schon eine Funkanlage zu Hause. Wenn man mal von der frostigen Kälte und der stürmischen Dunkelheit des neunmonatigen arktischen Winters absieht, lebt es sich offenbar aber recht kommod im Zentrum der deutschen Antarktisforschung, der Neumayer-Station III am Ekström-Schelfeis. Alles da, was man so braucht. Hauseigene Schneeschmelze, tolle Pistenbullys, sogar der „eigene“ Eisbrecher, die „Polarstern“, ist manchmal in der Nähe. Nur 16 Kilometer sind es bis zur Schelfeiskante; von dort kommt hin und wieder „der Nachschub“. Ist der anstrengende Arbeitstag vorbei, kann man – allerdings nur bei schönem Wetter, und das ist selten – zum „Whalewatching“ rausfahren oder lesen: in der Bibliothek mit drei Exemplaren des Bestsellers von Sten Nadolny im Regal: „Die Entdeckung der Langsamkeit“. Seit den frühen 1980er-Jahren, als sie hier die erste Station bauten, leisten die Polarforscher des Alfred-Wegener-Instituts interdisziplinär und in internationalen Teams einen wichtigen Beitrag für die Klimaforschung. Sie betreiben mehrere gut ausgestattete Observatorien zur Strahlungs- und Klimamessung – und zeigen jenseits der wissenschaftlichen Erfolge mit jeder Mission in Arktis und Antarktis, dass Forschung allem voran eine Sache der Leidenschaft ist und des inhaltlichen Engagements. Sonst wollte man nicht hierher. Wirklich nicht. ▪