Zum Hauptinhalt springen

Gemeinsamer Aufbruch

50 exzellente Nachwuchswissenschaftler wollen in der Arab-German Young Academy of Sciences and Humanities Zukunftsfragen lösen.

11.08.2014
© Judith Affolter - Cooperation

Vanessa Lux und Nuha Alshaar sind erst wenige Stunden Mitglieder der Arab-German Young Academy of Sciences and Humanities (AGYA), da haben sie auch schon über eine bikulturelle Arbeitsgruppe zu Fragen der Ethik nachgedacht. „Wir sehen heute unterschiedliche Bewertungen in islamisch und christlich geprägten Ländern, was etwa Organtransplantation, Abtreibung oder den Status von Menschen mit Behinderung betrifft“, erklärt die Psychologin Vanessa Lux, die in Berlin am Zentrum für Literatur- und Kulturwissenschaften arbeitet. „Die AGYA bietet eine ideale Plattform, aus unterschiedlicher kultureller und fachlicher Perspektive auf die Entwicklung dieser Unterschiede zu schauen.“

Nuha Alshaar, die an der American University of Sharjah (AUS) in den Vereinigten Arabischen Emiraten lehrt, hat ihre Doktorarbeit am Zentrum für Islamische Studien der Universität Cambridge vorgelegt und unter anderem über Ethik in muslimischen Traditionen geforscht. „Wie viel Einfluss haben kulturelle Tradition und Religion auf aktuelle ethische Debatten?“ fragt die Islamwissenschaftlerin und trifft damit auf das Interesse ihrer deutschen Kollegin. „Wir wollen vergleichend nach den verschiedenen Wegen des Wissenstransfers seit der gemeinsamen Antike fragen und auf diese Weise für unsere Gegenwart nach Chancen der Annäherung in ethischen Fragen suchen.“

Vier bikulturelle und interdisziplinäre Arbeitsgruppen haben die Mitglieder der AGYA ins Leben gerufen – gleich im November 2013 auf ihrer Eröffnungskonferenz, die auf Einladung der Qatar Foundation in Doha stattgefunden hat. Den insgesamt 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland und den arabischen Ländern, die alle am Anfang vielversprechender Karrieren stehen, geht es dabei um dringliche aktuelle Themen, die für die Gesellschaften aller arabischen Staaten und Deutschland relevant sind: Bildung, ein gemeinsames kulturelles Erbe, Prozesse gesellschaftlicher Transformation oder Energie und Umweltfragen.

„Im Bereich Umwelt und Energiefragen etwa ist uns nicht nur der Austausch über Technologie wichtig“, erläutert der Geograf Carsten Montzka vom Forschungszentrum Jülich. „Die Vielfalt unserer Expertisen ermöglicht es, etwa im Bereich von Wassermanagement auch rechtliche und soziale Aspekte zu berücksichtigen und umfassende Empfehlungen zu erarbeiten.“ Der Deutsche will dabei von den arabischen Akademiemitgliedern lernen: Wie wird in der arabischen Welt Wasser wahrgenommen – als Allgemeingut? Als Wirtschaftsfaktor? Ändert sich die Wahrnehmung im Zuge der gesellschaftlichen Transformation?

„Bereits die ersten sechs Monate haben uns überwältigend gezeigt, wie viel Wille und Bereitschaft zur gemeinsamen Arbeit vorhanden ist“, berichtet der Ägyptologe Tarek Tawfik, der in Bonn promovierte, an der Kairo Universität lehrt und dort in Kooperation mit der Universität Köln den Aufbau des neuen Masterstudiengangs „Umweltbezogene Archäologie“ betreut, der vom Auswärtigen Amt im Rahmen der deutsch-arabischen Transformationspartnerschaft unterstützt wird. „Unsere Zusammenarbeit profitiert schon jetzt von der Struktur einer Akademie in deutschem Sinne, die von wissenschaftlicher Freiheit und starker Interdisziplinarität geprägt ist“, sagt der Ägypter.

Freiheit und Unabhängigkeit in der Wahl ihrer Themen ist das wichtigste Merkmal der AGYA, die aus rund 20 Staaten junge talentierte Wissenschaftler versammelt, deren hervorragende Forschungsarbeit sie für Führungspositionen qualifiziert. „Für eine bessere Zukunft können wir nichts Besseres tun, als über Staatsgrenzen hinweg gemeinsam in Menschen und Wissen zu investieren“, betont Nabeel Al-Salem, der geschäftsführende Direktor des Büros für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, Forschung und Entwicklung bei der Qatar Foundation, die die neue Akademie zusammen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hauptsächlich fördert. Organisiert wird die Junge Akademie von Büros an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in der deutschen Hauptstadt und an der Arabian Gulf University in Bahrain.

„Wenn nicht jetzt, wann dann?“ lautet das Motto der deutschen Ägyptologin Verena Lepper, die mit viel Engagement die weltweit erste bilaterale Akademie mit Nachwuchswissenschaftlern aus Deutschland und der Arabischen Welt auf den Weg gebracht hat. Als Präsidentin der AGYA schaut sie heute mit Spannung nach vorne: „Was aus der Akademie wird, gestalten die Mitglieder jetzt ganz autonom – aber man wird von uns hören.“ Denn die Akademiemitglieder wollen nicht in der Stille forschen, sondern mit ihrer Arbeit auch Gesellschaft gestalten. „Die Phase der Revolutionen in der arabischen Welt hat unser aller Leben eindrucksvoll geprägt und Fragen aufgeworfen, die heute jeden etwas angehen.“

Wohin die Reise genau gehen wird, entscheiden jetzt die Mitglieder. „Was immer aber dabei herauskommt, diese erste Gruppe hat eine verantwortungsvolle Aufgabe“, sagt Tarek Tawfik, „Sie schaffen die Grundlage für eine produktive Kommunikation der Disziplinen, der Kulturen und nicht zu vergessen der Mitglieder aus vielen arabischen Staaten – die Bedingung in der AGYA sind dafür ideal.“ ▪

Bettina Mittelstraß

WER HINTER AGYA STEHT

Die Mitgliedschaft in der AGYA ist auf fünf Jahre begrenzt. Für Bewerber gilt, dass ihre Promotion höchstens zehn Jahre zurückliegt. Über die Aufnahme entscheidet ein Gremium aus international renommierten arabischen und deutschen Wissenschaftsinstitutionen:

Qatar Foundation; Alexander von Humboldt-Stiftung, Marokko; Arabian Gulf University, Bahrain; Ägyptische Akademie der Wissenschaften; Libanesische Akademie der Wissenschaften; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW); Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD); Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina; Goethe Institut; Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

http://www.bbaw.de/en/agya/