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Internationaler Austausch über die Bedeutung der Medien

Der Masterstudiengang „International Media Studies“ konnte sich erfolgreich in Istanbul etablieren.

Canan Topçu, 12.01.2016

Die Pressefreiheit zählt aktuell zu den umstrittensten Themen in den deutsch-türkischen Beziehungen. So werden etwa Verhaftungswellen gegen Journalisten, wie sie zuletzt wiederholt in der Türkei beobachtet wurden, von einem Großteil der deutschen Medien aufmerksam wahrgenommen und kritisch kommentiert. Auch auf politischer Ebene sorgt das Thema immer wieder für Diskussionen, etwa als Bundespräsident Gauck 2014 bei seiner Rede an der Middle East Technical University (METU) in Ankara Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei ansprach – und dafür wiederum vom damaligen Ministerpräsidenten Erdoğan scharf kritisiert wurde. Wenige Monate später, im Oktober 2014, startete an der Universität Istanbul das Master-Programm „International Media Studies“ (IMS), in Kooperation mit der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, der Universität Bonn und der Deutsche Welle (DW) Akademie, die den internationalen Studiengang bereits seit 2009 in Deutschland anbieten. Das Programm konnte sich erfolgreich etablieren, spiegelt aber auch Unterschiede der Situation in der Türkei und in Deutschland.

„Wir vermitteln in den Lehrveranstaltungen professionelles Journalismus-Verständnis und bringen die internationale Perspektive ein“, erklärt Michael Krzeminski von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg; er ist einer von vier Professoren aus Deutschland, die an der Lehre in Istanbul beteiligt sind und regelmäßig zu Blockseminaren an den Bosporus fliegen. Einschränkungen im Bezug auf die Lehrinhalte durch die Studiengangsleitung gebe es keine, und so finde anhand von Modellen in unterschiedlichen Ländern auch ein Austausch über Meinungs- und Medienfreiheit statt. Diese Diskussionen seien sehr „anregend“, zumal die Situation in der Türkei „eine ganz besondere“ sei, sagt die Studentin Beyza Dut. Die meisten ihrer Kommilitonen wollten nicht als Journalisten arbeiten.

Den Studiengang verantworten gemeinsam ein türkischer und ein deutscher Studiengangsleiter, Professor Ceyhan Kandemir von der Universität Istanbul und Professor Christoph Schmidt von der DW Akademie. Die Inhalte des englischsprachigen Studiums sind identisch mit denen des „Mutterstudiengangs“ in Deutschland: Journalismus, Kommunikationswissenschaften, Medienentwicklung, Medienmanagement und empirische Methoden. Das Programm wendet sich – wie auch in Deutschland – an Nachwuchsjournalisten sowie an Medienmanager aus Hörfunk, TV, Online und Print sowie an Personal aus Kommunikationsbereichen und richtet den Blick insbesondere auf die Rolle der Medien im globalen Kontext.

 

Die Zielgruppe des Weiterbildungsstudiengangs sind Frauen und Männer, die bereits einen akademischen Abschluss haben, mindestens ein Jahr im Beruf sind und den Wunsch haben, eine Führungsposition zu übernehmen. Daher ist das Studium so konzipiert, dass neben wissenschaftlichen und theoretischen Inhalten vor allem das Praktische einen großen Raum einnimmt. „Für den nächsten Karriereschritt braucht es über das Handwerkliche hinaus auch Kenntnisse in Personalführung, Medienwirtschaft, Medienmanagement – Qualifikationen also, die nötig sind, um eine verantwortungsvolle Führungsaufgabe zu übernehmen“, erklärt Krzeminski.

In Istanbul startete das zweijährige Studium mit acht Teilnehmern, im zweiten Studienjahr kamen zehn Studierende hinzu. Langfristig sollen pro Jahr 30 Interessierte aufgenommen werden. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterstützt in der Gründungsphase das Kooperationsprojekt, das sich langfristig über Studiengebühren tragen soll. Der Semesterbeitrag beträgt 875 Euro. „Das klingt zunächst nach viel, ist es aber nicht“, sagt Beyza Dut. Ein vergleichbares Studium koste an einer privaten Universität das Zehnfache und wäre für sie nicht finanzierbar gewesen. Über diese Möglichkeit der Weiterbildung sei sie daher sehr froh, sagt die junge Frau.

 

Dass die Seminare auf Englisch stattfinden, gefällt ihr besonders. „Wir beschäftigen uns mit den Debatten über Journalismus und Medien in der Sprache, in der sie vor allem geführt werden“, sagt die Studentin. Das Besondere am IMS ist aber nicht allein die Unterrichtsprache, sondern auch, dass es sich um den ersten Studiengang an der ältesten türkischen Universität handelt, in dem zwei Abschlüsse erworben werden können. Nach erfolgreichem Studium erlangen die IMS-Teilnehmer den Master of Arts der Istanbul Universität und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Als Staatsministerin Monika Grütters und Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg im Oktober 2015 gemeinsam durch die Türkei reisten, besuchten sie auch die Universität Istanbul und trafen sich dort mit Vertretern des IMS-Studiengangs und Studierenden. Neben Gemeinsamkeiten ging es in den Gesprächen auch um Unterschiede in der Ausbildung von Journalisten, um Perspektiven im Berufsleben sowie das Mediensystem in der Türkei. „Projekte wie dieses sind ein wichtiger Punkt der bilateralen Zusammenarbeit; nicht nur, um die zivilgesellschaftlichen und intellektuellen Milieus besser kennenzulernen, sondern auch, um die türkisch-deutsche Freundschaft zu vertiefen“, erklärte bei dem Treffen die Staatsministerin für Kultur und Medien.

Das IMS-Master-Programm richtet sich an der Universität Istanbul zunächst an türkische Studierende, langfristig soll der Studiengang laut Professor Krzeminski auch international belegt werden. Gerade für Studierende aus Zentralasien sei der Standort Istanbul sehr attraktiv – aufgrund der kulturellen Nähe und auch der niedrigeren Kosten.

Auf die türkische Zielgruppe, die berufstätig ist, sind die Zeiten der Lehrveranstaltungen ausgerichtet. Sie finden werktags in den Abendstunden und als Blockseminare an Wochenenden statt. Das kommt Beyza Dut gelegen. Die junge Istanbulerin studierte Internationale Beziehungen und hat eine Vollzeitstelle bei einem Institut für strategische Forschung. „Was ich bislang über Projektmanagement gelernt habe, hilft mir sehr bei meiner Arbeit“, erklärt sie. Auch nach Abschluss ihres Studiums möchte Beyza Dut bei ihrer Firma bleiben, sich dann aber mehr um die Öffentlichkeitsarbeit kümmern. ▪