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Reisen in die Vergangenheit

Katerina Harvati verbindet die Forschungswelten Europas und Amerikas.

Johannes Göbel, 13.08.2012
© Universität Tübingen/Friedhelm Albrecht

Woher kommen wir? Wer waren unsere Vorfahren? Die griechische Professorin Katerina Harvati geht diesen Fragen auf höchstem wissenschaftlichen Niveau nach. Sie leitet unter anderem die Paläoanthropologie-Abteilung des Senckenberg Center for Human Evolution and Paleoecology an der Universität Tübingen und gehört auf ihrem Arbeitsfeld zu den international anerkanntesten Forscherinnen. Was ihre ganz persönliche Prägung anbelangt, will sich Katerina Harvati nicht festlegen: „Ich fühle mich griechisch, amerikanisch und auch deutsch“, sagt sie.

Ihre bisherige akademische Karriere hat sie in den USA und in Deutschland verbracht. 1998 machte sie ihren Masterabschluss in Anthropologie an der City University of New York, drei Jahre später promovierte sie an der Hochschule, der sie noch heute als Lehrbeauftragte verbunden ist. Nach drei weiteren Jahren als Assistenzprofessorin an der New York University ging sie 2004 an das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und 2009, mittlerweile habilitiert, schließlich an die Universität Tübingen.

Die Liste ihrer Entdeckungen und Auszeichnungen ist lang. Erst im November 2011 zählte sie zu den Autoren, die in der Fachzeitschrift „Nature“ Belege für die Koexistenz von Homo sapiens und Neandertaler vor über 40000 Jahren in Europa anführen konnten. Harvati hatte zu diesem Zweck in ihrem Tübinger Computertomografie-Labor die Zähne beider Arten gescannt und verglichen. Katerina Harvati war ebenso Mitglied des Forscherteams, das 2007 die Herkunft aller heutigen Menschen aus Afrika nachweisen konnte. Eine Entdeckung, die etwa vom „Time“-Magazin zu den herausragenden Forschungsereignissen des Jahres gezählt wurde. Besonderes Augenmerk widmet Harvati immer wieder auch der Besiedelung Amerikas durch die Urmenschen. Dass ihre Leistungen außerhalb der Wissenschaftswelt wahrgenommen werden, macht zudem eine besondere Auszeichnung aus dem Jahr 2009 deutlich: Das World Council of Hellenes Abroad würdigte sie als Woman of the Year.

Katerina Harvati schätzt die jeweiligen Vorteile der Forschungslandschaften in Nordamerika und Europa: „Amerika bietet meiner Einschätzung nach jungen Wissenschaftlern besonders gute Möglichkeiten. Europa ist vielleicht etwas stärker bürokratisch geprägt, aber gerade in Deutschland nehme ich eine große Flexibilität in der Wissenschaftslandschaft wahr.“

Ende 2011 wurde Harvati mit einem der begehrten Starting Grants des Europäischen Forschungsrats ausgezeichnet. Ihr Projekt „Paleo-anthropology at the Gates of Europe: Human Evolution in the Southern Balkans” wird nun über fünf Jahre mit etwa 1,3 Millionen Euro gefördert. „Es gibt noch zahlreiche Lücken in der Erforschung der menschlichen Evolution im Europa des Pleistozän“, sagt sie.

Das Projekt führt Katerina Harvati und ihre multidisziplinären Mitstreiter in die griechische Heimat der Wissenschaftlerin. „Hier gibt es noch sehr viel zu entdecken, auch weil die entsprechende Forschung in Griechenland oft gegenüber der Arbeit an den zahlreichen antiken Stätten vergleichsweise vernachlässigt worden ist“, sagt Katerina Harvati. „Ich würde gerne mit meiner Arbeit dazu beitragen, dass sich die Evolutions- und Paläoanthropologie-Forschung in Griechenland weiterentwickelt.“