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Spitzenforschung und mehr

Seit zehn Jahren bringen die „Research Internships in Science and Engineering“ Studierende aus Nordamerika nach Deutschland.

13.08.2014
© DAAD/Pierel - Natural Sciences

„Ich interessierte mich für eine Karriere in der wissenschaftlichen Forschung und wollte meine Fähigkeiten testen“, erzählt Emily Chua, RISE-Alumna aus Kanada. „Welchen besseren Ort kann es dafür geben, als ein Land, das weltweit für seine Forschungseinrichtungen bekannt ist?“

Emily Chua kam mit einem RISE-Stipendium im Sommer 2013 für ein Forschungspraktikum an die Fakultät für Physik der Universität Konstanz. Damals hatte die Kanadierin an der Dalhousie-Universität in Halifax gerade ihr zweites Studienjahr in Physik und Ozeanografie abgeschlossen. Ihr Interesse galt aber nicht nur der deutschen Forschungslandschaft, sondern auch der europäischen Kultur. „Ich hatte bisher noch keinen Fuß auf europäischen Boden gesetzt und war sehr neugierig auf neue kulturelle Eindrücke.“ Für die junge Kanadierin war in Deutschland alles neu – und überwältigend: „Ich habe in diesem einen Sommer mehr Lebenserfahrung gesammelt als in den 20 Jahren meines Lebens davor.“

Viele Alumni erzählen ähnlich von ihrem Aufenthalt in Deutschland im Rahmen des „Research Internships in Science and Engineering“-Programms, kurz RISE. Vor zehn Jahren startete das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderte Programm; rund 2800 Bachelorstudierenden der Natur- und Ingenieurwissenschaften aus den USA, Kanada und Großbritannien wurden seitdem Praktika an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen ermöglicht. „Dahinter steht – heute wie damals – die Idee, jungen Menschen in einem sehr frühen Stadium ihrer Ausbildung für ihre Orientierung einen Einblick in die Spitzenforschung zu ermöglichen“, erläutert Christian Schäfer, der RISE seinerzeit auf den Weg gebracht hat und heute im DAAD das Referat „Internationalisierung von Forschung und wissenschaftlichem Nachwuchs“ leitet. „In den zehn Jahren hat sich immer wieder gezeigt, dass die RISE-Stipendiaten eine großartige Phase der Selbsterfahrung durchleben. Sie gewinnen Vertrauen in die eigenen Kompetenzen und entwickeln sich persönlich weiter.“

Das Geheimnis dieses Erfolges liegt in der guten Betreuung der jungen Praktikanten durch einen Doktoranden am jeweiligen Forschungsinstitut. „Die Doktoranden sind selbst jung und sehr motiviert, ihre Forschung zu präsentieren“, erläutert Michaela Gottschling, die im DAAD für das RISE-Programm arbeitet. „Die Doktoranden sind außerdem für die Auswahl ihrer Praktikanten mitverantwortlich, das schafft enge Bindungen, die oft über die Zeit des Praktikums hinausreichen.“

Das hat auch Cedric Thiel erfahren, der 2011 als RISE-Stipendiat das Comprehensive Pneumology Center des Helmholtz-Zentrum München besuchte. „Ich bin meinem betreuenden Doktoranden sehr dankbar für das Training und die geduldige Unterstützung – so habe ich sehr positive Erfahrungen mit den Deutschen gemacht und dauerhafte Freundschaften geschlossen.“ Cedric Thiel kommt deshalb wieder an das Helmholtz-Zentrum München zurück – zu den Freunden und zur Forschung. Im Juni 2014 beendete er an der Walla-Walla-Universität im Südosten des Bundesstaats Washington sein Bachelorstudium in Biologie und Chemie und wird nun mit einem Fulbright-Stipendium selbständig am Comprehensive Pneumology Center über eine spezifische Erkrankung des Lungengewebes forschen.

Der RISE-Aufenthalt in München weckte das Forschungsinteresse von Cedric Thiel und brachte ihm erstmals Klarheit über seinen beruflichen Werdegang. Denn im Münchner Labor arbeitete der Biologe auch mit gleichaltrigen Medizinern zusammen. Der junge Amerikaner bekam die Chance, einen von ihnen im nahegelegenen Krankenhaus bei dessen klinischem Praktikum zu begleiten. „Ich erhielt auf diese Weise einen Einblick in das deutsche Gesundheitssystem und in den Umgang mit Patienten“, erzählt Cedric Thiel. Inspiriert von diesen Erfahrungen entschied er sich, eine Karriere in der Medizin anzustreben, die einen Forschungsaspekt hat. „Das alles wäre ohne mein RISE-Stipendium in Deutschland niemals so gekommen.“

Neben den Weichen, die der praktische Einblick in die wissenschaftliche Forschung für die Stipendiaten stellen kann, ist der Aufenthalt in Deutschland an sich ein Gewinn. „Ich war zuvor niemals länger als ein paar Wochen von meinen Eltern getrennt und hatte nie zuvor die U-Bahn einer größeren Stadt allein erkundet, war nie allein in der Oper oder auf einem Musikfestival gewesen, hatte nie in einer Jugendherberge übernachtet und war nie zuvor in den Bergen gewandert – am Ende des Sommers hatte ich all das getan“, erzählt Emily Chua begeistert. Christian Schäfer vom DAAD hat diese Begeisterung bei den RISE-Alumni oft erlebt: „Die Infrastrukturen sind in Deutschland engmaschig, zuverlässig und sicher, daher haben die jungen Amerikaner und Kanadier erstmals viel Vertrauen darin, selbstständig unterwegs zu sein.“

Auch für Emily Chua hatte das Stipendium zudem eine beträchtliche Auswirkung auf ihren beruflichen Werdegang. Als sie 2013 auf einem vom DAAD organisierten Treffen der RISE-Stipendiaten in Heidelberg ihre Konstanzer Forschung präsentieren durfte, machte sie eine einschlägige Erfahrung. „Ich habe entdeckt, wie sehr ich es genieße, meine Arbeit mit anderen Wissenschaftlern zu diskutieren – das hat mich darin bestärkt, dass Forschung der richtige Weg für mich ist.“ Kaum zurück in der Heimat erhielt sie ein Forschungsstipendium an der Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts, bei dem sie Erfahrungen aus ihrer Konstanzer Zeit nutzen kann. ▪

Bettina Mittelstraß