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Die Jungen vor der Wahl

Bei der Bundestagswahl wird über ihre Zukunft entschieden – und junge Erwachsene wollen mitreden. Sie sparen nicht mit Kritik.

Nicole Sagener, 20.09.2017
Erstwähler
© Adrian Jankowski

Deutschland. Sie debattierten stundenlang: Junge Wahlberechtigte und Schüler hatten bei einer „Erstwählerkonferenz“ in Berlin die Gelegenheit,  über die Wahl und Deutschlands Rolle in der EU zu diskutieren. Eingeladen hatten die Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa und das Jacques Delors Institut. Gesprächspartner der Jugendlichen waren Vertreter der EU-Kommission sowie der Parteien CDU, SPD, Die Linke und Die Grünen. In den Diskussionen ging es unter anderem um Migration, Waffenexporte und Finanzpolitik. Die oft beschworene Politikverdrossenheit der Jungen war an diesem, von YouTube-Star Wana Limar moderierten Abend nicht zu spüren. Was sagen die Teilnehmer?

Yunus Becker, 16 Jahre, Schüler aus Berlin

„Mich interessiert Politik und ich will in den Dialog mit Entscheidern treten. Die Bundestagswahl betrifft ja meine Zukunft, auch wenn ich dieses Mal noch nicht wähle. Dass die Möglichkeiten direkter Demokratie noch nicht ausgeschöpft werden, ist schade. Mit Volksabstimmungen könnte man bei mehr Menschen politisches Interesse wecken.

Auch in der Schule vermisse ich eine intensivere Auseinandersetzung. Vor allem über EU-Politik lernen wir kaum etwas. Gerade jetzt, wo die EU auseinanderzubrechen droht, sollte der Staat uns Europa besser erklären – ohne die gängigen Floskeln, sondern mit Blick darauf, was es uns als Wertegemeinschaft bringt. Ich finde, ein Land darf nicht nur an das eigene Wohl denken. Deutschland sollte als größte wirtschaftliche Macht Vorreiter für Solidarität in der EU sein.“

Yunus Becker
© Sagener

Wana Limar, Moderatorin und YouTube-Star

„Bei Diskussionen wie dieser können wir herausarbeiten, was die EU ist, welche Vor- und Nachteile sie hat und welche Rolle Deutschland spielt. Das ist natürlich komplex, gerade für junge Leute. Darum braucht es Menschen wie mich, die das Thema emotional und spielerisch auffangen und zeigen: Jeder kann in seinem eigenen Bereich etwas ändern, durch soziales Engagement zum Beispiel. Ich engagiere mich in der NGO Visions for Children und gehe für den Verein Gesicht Zeigen in Schulen, um mit Jugendlichen über Rechtsextremismus und Rassismus zu reden.

Politik scheint für viele unverständlich, sie verspüren eine gewisse Ohnmacht. Mehr politische Aufklärung gehört zu einer modernen Gesellschaft dazu. Um die Politik herum muss es mehr Programme geben. Angebote wie der Wahl-O-Mat sind super, um die Menschen für Politik zu gewinnen. Wichtig ist auch der Austausch, ich bin immer für Dialog. Selbst wenn es schwierig und frustrierend ist – nur damit kann man Menschen aufklären und etwas verändern.“

Wana Limar
© Schwarzkopf Stiftung

Patrick Lobis von der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland

„Es ist beeindruckend, wie interessiert und engagiert diese Schüler sind. Die großen Themen bewegen auch sie. Sicher wird Europa von jungen Leuten manchmal – zugespitzt formuliert – als etwas Abstraktes, als zu weit weg vom eigenen Leben wahrgenommen. Auch die Mitgliedsstaaten müssen ihnen besser erklären, was EU-Institutionen leisten können – und was nicht.

Um aus der ‚EU-Blase‘ herauszukommen und den Menschen Europa näher zu bringen, sind konkrete Angebote wichtig. Das Erasmus-Programm für Studierende etwa, das auf Auszubildende und Berufstätige ausgeweitet wurde, hilft sehr dabei, dass ein Wir-Gefühl entsteht.

Um jene Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die Europa vielleicht eher ablehnend gegenüber stehen, müssen wir besser erklären, was Europa ihnen bringt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat etwa die Einrichtung einer EU-Agentur vorgeschlagen, die für gerechte europäische Arbeitsstandards sorgt. Soziale Gerechtigkeit, Reisen, grenzüberschreitendes Einkaufen, Datenschutz – das Emotionale ergibt sich besonders aus konkreten Erfahrungen.“

Patrick Lobis
© Schwarzkopf Stiftung