Zum Hauptinhalt springen

Die Gastgeberin

Neugierig auf Experimente: Die Deutsch-Argentinierin Silvia Fehrmann leitet seit Anfang 2018 das Berliner Künstlerprogramm des DAAD. 

Birgit Rieger, 27.03.2018
Silvia Fehrmann
Silvia Fehrmann © Krzysztof Zieliński

Deutschland. Es geht um das Thema Meer. Und Silvia Fehrmann ist sichtlich in ihrem Element. Die Zuschauer in der daadgalerie lauschen einer Klanginstallation von Douglas Henderson. Auch Fehrmann, seit Anfang 2018 Leiterin des Berliner Künstlerprogramms (BKP) des DAAD, verfolgt die aus acht Lausprechern gurgelnden und knisternden Unterwassergeräusche.

„Aquaria“ heißt das erste größere Projekt, das Fehrmann als neue Leiterin des renommierten Künstlerprogramms angestoßen hat. Gemeinsam mit den Kuratorinnen der Sparten Literatur und bildende Kunst, hat sie Dichter, Schriftsteller, Aktivisten und Meeresforscher eingeladen, um über das Ökosystem Meer nachzudenken. Damit macht sie deutlich, wo sie ihre Aufgabe sieht: im Vernetzen verschiedener Disziplinen. Aktuelle und ehemalige Stipendiaten sollen einen „Resonanzraum“ in der quirligen Kunststadt Berlin finden.

Mich interessiert sehr, was zwischen Kunst und Wissenschaft möglich ist.
Silvia Fehrmann, Leiterin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD

Das BKP gibt es seit 1963. Rund 1.000 Künstler, Literaten, Komponisten und Filmemacher kamen seitdem auf Einladung des DAAD für ein Jahr nach Berlin, darunter auch Ingeborg Bachmann, John Cage, Jim Jarmusch, Ilya Kabakov und Marina Abramović. Für viele ist es ein Wendepunkt in der Karriere, vier Literaturnobelpreise gingen an BKP-Stipendiaten, die Teilnehmer werden zu Festivals und großen Kunstausstellungen eingeladen. Und viele bleiben aus Begeisterung über Berlin gleich da. Vor gut einem Jahr bezog der „Showroom“ des Programms, die daadgalerie, neue Räume in Kreuzberg. Fehrmann stehen nun zwei Etagen für Ausstellungen und Begegnungen aller Art zur Verfügung. Das BKP ist damit besser aufgestellt als je zuvor.

„Mich interessiert sehr, was zwischen Kunst und Wissenschaft möglich ist“, sagt sie. Bei Projekten wie „Aquaria“ will sie dem nachgehen: Was ist das Wissen der Künste? Welche Welterschließung ermöglicht Kunst? Von 2008 an arbeitete sie am Berliner Haus der Kulturen der Welt, war dort Mitglied der künstlerischen Leitung. An der Berliner Volksbühne war sie von 2004 bis 2007 als Sprecherin engagiert. Beide Häuser stehen für ein spartenübergreifendes Programm. Das hat Fehrmann geprägt.

Genau wie ihre Herkunft. Fehrmann ist Deutsch-Argentinierin und wurde in Buenos Aires geboren. Während der Militärdiktatur besuchte sie eine deutsche Begegnungsschule, durfte Bücher lesen, die vom Regime verboten worden waren, traf auf Dissidenten und lernte die Vorteile des freien Kultur- und Gedankenaustauschs kennen. Davon beeinflusst studierte sie Literaturwissenschaft, Jura und Psychologie in Buenos Aires. Mehr als zehn Jahre lang arbeitete sie am dortigen Goethe-Institut, war Literaturübersetzerin und lernte das Kulturmanagement kennen.

Auch unvorhergesehene Situationen zulassen. Dann werden Partys gut.
Silvia Fehrmann, Leiterin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD

Als gebürtige Argentinierin habe sie keine Angst vor Veränderung, sagt Fehrmann. Das sei vielleicht eine ihrer wichtigsten Eigenschaften als Leiterin des Programms. Fehrmann hat die Gesamtleitung des BKP übernommen und verantwortet zusätzlich die Sparten Literatur und Film. Zur lateinamerikanischen Literaturszene hat sie eine enge Verbindung. Besonders faszinieren sie Künstler, die jenseits ihrer Disziplin Neues ausprobieren: Der hochpolitische Lyriker Sergio Raimondi aus Argentinien etwa, der in diesem Jahr Stipendiat des BKP ist, leitete in Patagonien ein Museum. Der bolivianische Komponist und Instrumentenerfinder Carlos Gutiérrez, der ebenfalls bald nach Berlin kommt, führt ein ganz neues Publikum an traditionelle Instrumente Boliviens heran. 

Einen lateinamerikanischen Schwerpunkt wird es unter Fehrmanns Ägide dennoch nicht geben. Die Benennung der Jurymitglieder ist zwar eine ihrer wichtigsten Stellschrauben, sie selbst stimmt aber nicht über die Stipendiaten ab. „Die Jurymitglieder entscheiden unabhängig. Es sind keine Länder im Fokus, einzig die Qualität zählt“, so Fehrmann. Sie selbst möchte vor allem auch eine gute Gastgeberin in Berlin sein. Und das bedeutet für sie? „Auch unvorhergesehene Situationen zulassen. Dann werden Partys gut."

Berliner Künstlerprogramm des DAAD

© www.deutschland.de