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„Ich sehe viele Chancen, aber auch Nachholbedarf“

Wie geht es dem jungen deutschen Film? Welche Themen sind aktuell besonders relevant? Wir haben mit der Regisseurin Sophie Linnenbaum gesprochen. 

Klaus LüberKlaus Lüber , 25.01.2024
Regisseurin Sophie Linnenbaum
Regisseurin Sophie Linnenbaum © Jonas Ludwig Walter

Frau Linnenbaum, wie beurteilen Sie als erfolgreiche Nachwuchsregisseurin die Situation für junge Filmemacherinnen und Filmemacher in Deutschland?
Das ist eine schwierige Frage, da die Branche keine Konstante ist und die Schwankungen zum Teil erheblich sind. Generell gibt es in Deutschland viele Möglichkeiten, im Filmbereich Fuß zu fassen – aber die variieren natürlich stark je nach Department, Position oder ob man im Bereich Fernsehen oder Kino arbeiten möchte. Auch ist die Branche aktuell noch an vielen Stellen recht homogen, was aber Stück für Stück von verschiedenen Seiten her aufgebrochen wird.

Vor welchen Herausforderungen stehen jungen Filmemacherinnen und Filmemachern in Deutschland?
Das ist eine geradezu politische Frage. Die deutsche Filmlandschaft befindet sich in der Dauerdiskussion dazu, was genau Kultur und kultureller Erfolg eigentlich bedeutet. Geht es hier um Wirtschaftlichkeit oder um künstlerische Brillanz? Ist beides vereinbar? Kann man künstlerischen Wert messen? Darf man das überhaupt? In meiner Wahrnehmung ist die Struktur der deutschen Produktionslandschaft gleichzeitig Sicherheitsnetz und Leine. In ihrer Prägung durch Sender, Förderungen und nun auch Streamer bietet sie vielfältige Möglichkeiten. Das bedeutet Unwägbarkeiten, Abhängigkeiten, Bürokratie, Streitigkeiten, aber eben auch viele Chancen.  Nachholbedarf gibt es beim Thema (soziale) Nachhaltigkeit, Diversität und der klareren Fokussierung auf künstlerische Qualität. 

Generell gibt es in Deutschland viele Möglichkeiten, im Filmbereich Fuß zu fassen.
Sophie Linnenbaum, Regisseurin

Welche Themen sind in der aktuellen deutschen Filmszene besonders relevant? Was kommt Ihnen bei den Begriffen „deutscher Film“ oder „German Moviemaking“ in den Sinn?
Ich muss gestehen, hier bin ich etwas betriebsblind und habe einen vielleicht zu kritischen Blick auf die Filme, die im eigenen Land entstehen. In meiner Wahrnehmung ist der deutsche Film ganz häufig eine Nabelschau, ein privilegierter Blick ins Kleinteilige. Und damit meine ich nicht, dass sich jeder Film um Krieg und tödliche Krankheiten drehen sollte. Denn gerade die Selbstreferenzialität ermöglicht einen einigermaßen sicheren ökonomischen Stand. Und dieser wiederum ist die perfekte Basis, die bestehenden Grenzen zu erweitern und sich struktureller Ungleichheiten in unserer Branche bewusst zu werden und diese zu bekämpfen. Daraus entsteht dann wiederum die Möglichkeit, sich relevanten gesellschaftlichen Themen zuzuwenden sowie neue Erzählformen zu etablieren. Ich freue mich über alle deutschen Filme, die mit solchen Zielen antreten. 

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Sophie Linnenbaum, 38, ist deutsche Filmregisseurin, Drehbuchautorin, Dramatikerin und Filmproduzentin in Berlin. Ihre Kurzfilme liefen auf zahlreichen nationalen und internationalen Festivals.