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„Weiblich, jung, ostdeutsch“

Ifa-Generalsekretärin Gitte Zschoch über ihren Start beim Institut für Auslandsbeziehungen, europäische Kultur und digitale Formate. 

Carsten Hauptmeier, 04.03.2022
Die neue ifa-Generalsekretärin Gitte Zschoch
Die neue ifa-Generalsekretärin Gitte Zschoch © die arge lola / Kai Loges und Andreas Langen

Seit Oktober 2021 ist Gitte Zschoch Generalsekretärin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), das unter anderem vom Auswärtigen Amt gefördert wird und sich von Deutschland aus als Mittlerorganisation für den internationalen Kunst- und Kulturaustausch einsetzt. Zschoch arbeitete zuvor für das Goethe-Institut in verschiedenen Ländern und war zuletzt Geschäftsführerin des European Union National Institutes for Culture (EUNIC), dem Netzwerk der europäischen Kulturinstitute. Lest hier, was sie über ihre neue Aufgabe, europäische Zusammenarbeit und die Möglichkeiten des virtuellen Kulturaustauschs sagt.

Frau Zschoch, wie fällt Ihre Bilanz nach den ersten Monaten als ifa-Generalsekretärin aus?

Mir macht die Arbeit Spaß und ich freue mich jeden Tag darüber, was im und mit dem ifa möglich ist. Die Reaktionen auf meinen Amtsantritt waren erfreulich: Eine noch vom letzten württembergischen König gegründete Institution der internationalen Kulturbeziehungen, über 100 Jahre in männlicher Hand, wird nun geleitet von mir – weiblich, jung, ostdeutsch. Das ist ein starkes Signal, auf das wir ein durchweg positives Echo erhalten haben. Damit sind natürlich auch Erwartungen verbunden, sowohl was Innovation beim ifa generell betrifft als auch spezifisch mehr Diversität, mehr Aktualität, Digitalität, mehr transkulturelle Kompetenz und mehr Partizipation in unserem Haus und seiner Arbeit.

Sie haben zuvor unter anderem in Seoul, Johannesburg, Kinshasa und zuletzt in Brüssel gearbeitet. Wie sehr hilft Ihnen dieser Lebensweg bei Ihrer neuen Aufgabe, von Deutschland aus den weltweiten Kunst- und Kulturaustausch zu fördern?

Die direkte Erfahrung von interkulturellem Dialog vor Ort ist aus meiner Sicht für diese Aufgabe eine unabdingbare Voraussetzung. Durch meine Stationen in Asien, Afrika und Europa konnte ich nicht nur lernen, wie sich internationale Kulturbeziehungen in der Praxis gestalten, ich konnte auch ein tieferes Verständnis für die Themen, Positionen, Interessen und Belange der Menschen entwickeln und damit einhergehend für die Bedeutung von Partnerschaften.

Im Gegensatz zu anderen deutschen und europäischen Organisationen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik unterhält das ifa keine Niederlassungen in anderen Ländern, sondern arbeitet ausschließlich durch Partnernetzwerke. Das ist ein entscheidender Vorteil: Die gemeinsame Entwicklung und Umsetzung von Formaten des Kunst- und Kulturaustauschs in enger Kooperation mit lokalen Partnern sichert die Relevanz unserer Projekte für Menschen vor Ort und ermöglicht ein Miteinander auf Augenhöhe.

Darüber hinaus erhöht die Arbeit mit Partner- statt Niederlassungsnetzwerken unsere Flexibilität und ermöglicht uns, unsere kulturellen und zivilgesellschaftlichen Projekte auch bei Krisen in den Beziehungen zu einzelnen Ländern fortzusetzen.

Verändert sich der Blick auf deutsche und europäische Kunst und Kultur, wenn man so lange wie Sie in Asien und Afrika gelebt und gearbeitet hat?

Unbedingt. Zunächst in rein geographischer Hinsicht: Man merkt, wie eurozentrisch – trotz aller Bildung, aller politischen Lektüre, aller bewusst praktizierten Offenheit – die eigene Sicht auf die Welt doch ist. Was nehmen wir als Zentrum, was als Peripherie wahr? Wo werden wir schon durch diese Wahrnehmung unbewusst zu Überträgerinnen und Überträgern von genau den imperialistischen oder rassistischen Mustern, denen wir uns bewusst widersetzen?

Kunst ist bekanntermaßen ein Spiegel der Gesellschaften und ein Raum für das kontinuierliche Definieren, Hinterfragen, Ver- und Aushandeln von Identitäten. Identitäten, die nicht mehr an Ländergrenzen haltmachen, wie sich aktuell mit besonderer Schwere am Thema Kolonialismus zeigt.

Gerade dieses Thema, das nicht nur in der Kunst der von deutscher Kolonialisierung betroffenen Länder und Menschen, sondern vermehrt auch in künstlerischen Arbeiten aus Deutschland präsent ist, kann nicht allein aus der hiesigen Perspektive erschlossen werden. Dies insbesondere, da wir es als Teil unseres Auftrags begreifen, Weltwissen nach Deutschland zu vermitteln. Hierzu sind die Prinzipien von Ko-Produktion und Ko-Kuration, die gleichberechtigte Einbeziehung von Kuratorinnen und Kuratoren sowie Künstlerinnen und Künstlern aus den betroffenen Gemeinschaften unabdingbar. Ein Beispiel hierfür ist die Ausstellungsreihe „Untie to Tie“ der ifa-Galerie Berlin, die sich der Aufarbeitung kolonialer Kontinuitäten widmet und mit der Publikation „Untie to Tie. Koloniale Fragmente im Kontext Schule“ Spuren kolonialen Denkens in Schulbüchern und Lehrmaterialien sichtbar macht.

Vor Ihrem Wechsel zum ifa waren Sie Geschäftsführerin des EUNIC, dem Netzwerk europäischer Kulturinstitute in Brüssel. Wie wichtig ist für das ifa die Zusammenarbeit innerhalb Europas?

Europa ist ein Querschnittsthema des ifa, nicht nur deswegen sind wir auf eine gute Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn und Partnern angewiesen. Als ifa sind wir Mitglied von EUNIC, dem Netzwerk der europäischen Kulturinstitute. Das verstärkt unsere Arbeit weltweit, und wir probieren in diesem Rahmen neue Arten der kulturellen globalen Partnerschaften aus – gleichwertig und gleichberechtigt. Die Zusammenarbeit mit der EU wird für das ifa in den nächsten Jahren wichtiger werden.

Dies zeigt sich unter anderem in unserem Programmbereich Integration und Medien, der sich der Unterstützung der kulturellen Arbeit von deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa sowie Südosteuropa und den Staaten der GUS widmet – diese Arbeit leistet einen Beitrag dazu, das gemeinschaftliche Zusammenleben verschiedener europäischer Gruppen zu stärken

Beim ifa sehen wir die deutschen Minderheiten traditionell als Brückenbauer zwischen ihren Ländern und der Bundesrepublik. Sie sind aber mehr als das: In zunehmendem Maße sind Minderheiten auch Seismographen von Demokratien, dies gilt für ethnische Minderheiten in Deutschland genauso wie für deutsche Minderheiten anderswo.

Zu den Schwerpunkten Ihrer Arbeit zählen Sie auch Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Wird auch der internationale Kulturaustausch virtueller werden?

Er ist es bereits geworden. Schon vor der Pandemie hat das ifa seine Projekte und Programme mit unterschiedlichen digitalen Formaten ergänzt. Seit 2020 wurden zahlreiche Formate entwickelt, um sinnvolle Alternativen für die coronabedingt unterbrochenen oder reduzierten Angebote zu schaffen. Dazu gehören zum Beispiel digitale Ausstellungen unserer Galerien, virtuelle Stipendien des CrossCulture Programms und virtuelle Residenzen im Rahmen der Schutzprogramme. Die Erfahrungen damit waren positiv, sie wurden von den Teilnehmenden als weit mehr als nur Notlösungen wahr- und angenommen. Viele dieser Formate werden wir daher auch parallel zur Wiederaufnahme analoger Austauschangebote fortführen, da sie diese ergänzen, im Idealfall neue Zugänge eröffnen und die Reichweite unserer Arbeit erhöhen können.

Wie wichtig bleibt es trotzdem, in andere Länder zu reisen und andere Kulturen unmittelbar kennenzulernen?

Den direkten Austausch mit Menschen, das Live-Gespräch, die gemeinsame Arbeit, das gemeinsame Erleben kann nichts ersetzen. Sie werden nach wie vor ein zentrales Element der internationalen Kulturbeziehungen bleiben. Aber virtuelle Angebote können zusätzliche Räume schaffen, mit denen die Wirkung von persönlichen Begegnungen in nachhaltiger Form vervielfältigt und verstetigt werden kann.

Zur Website des Instituts für Auslandsbeziehungen

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