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Im größten Newsroom Europas

Wie berichtet die Deutsche Presse-Agentur zuverlässige Nachrichten – trotz Corona-Pandemie? Nachrichtenchef Homburger erklärt es euch.

Interview: Christina Iglhaut, 31.03.2021
Hinter den Kulissen: Froben Homburger erklärt den dpa-Newsroom.
Hinter den Kulissen: Froben Homburger erklärt den dpa-Newsroom. © picture alliance / dpa

Im größten Newsroom Europas ist es still. In dem 4.000 Quadratmeter großen Büro der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin arbeiten normalerweise 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie rufen sich über ihre Bildschirme hinweg neue Informationen zu, sitzen an großen Tischen zusammen, diskutieren den neuesten Recherchestand oder besprechen Themen. Wegen der Corona-Pandemie ist jetzt alles anders. Zeitweise hält hier nur noch Nachrichtenchef Froben Homburger mit Chefredakteur Sven Gösmann und drei Angestellten die Stellung. Wie die dpa ihre deutschen und internationalen Kunden trotzdem mit zuverlässigen Meldungen versorgt, erzählt Froben Homburger im Interview.

Herr Homburger, wie arbeitet die dpa?
Die Deutsche Presse-Agentur ist eine der weltweit führenden Nachrichtenagenturen, die Medien, Unternehmen und Organisationen mit Texten, Fotos, Videos, Grafiken und Hörfunkbeiträgen beliefert. Wir berichten rund um die Uhr in sieben Sprachen über alle denkbaren Ereignisse, Termine und Themen aus Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft – vom Verkehrsunfall in einer norddeutschen Kleinstadt über den Militärputsch in Myanmar bis zu den großen globalen Krisen unserer Zeit. Insgesamt arbeiten mehr als 1.000 Journalistinnen und Journalisten von etwa 150 Standorten im In- und Ausland für dpa. Gesteuert wird die weltweite Berichterstattung von Berlin aus – und zwar auf 4.000 Quadratmetern im größten Newsroom Europas.

Normalerweise arbeiten im Newsroom 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (vor Corona)…  … wegen der Pandemie wurde auf mobiles Arbeiten umgestellt.
Normalerweise arbeiten im Newsroom 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (vor Corona)… … wegen der Pandemie wurde auf mobiles Arbeiten umgestellt. © picture alliance/dpa

Wie sah Ihr Arbeitsalltag im Newsroom vor der Corona-Pandemie aus, und wie hat er sich verändert?
Zum dpa-Standort Berlin gehören mehr als 370 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen in normalen Zeiten bis zu 250 gleichzeitig im Newsroom arbeiten. Zurzeit sind es nicht einmal mehr zwei Dutzend, zwischenzeitlich waren sogar nur noch 5 Menschen (Chefredakteur, Nachrichtenchef und drei Angestellte) hier. Dadurch hat sich natürlich vieles verändert. Das ganze Gewusel eines solchen Großraumbüros, die ganze Energie, die komplette Kommunikation, der schnelle Zuruf, die kurzfristigen Absprachen, die kleinen und großen Konferenzen – all das hat sich komplett auf Messenger-Dienste und Videoschalten verlagert. Und das Erstaunliche: Es funktioniert in der Summe ausgezeichnet.

Wie reagieren Sie vom Homeoffice aus auf komplexe Nachrichtensituationen und globale Krisen?
Ein Beispiel: In normalen Zeiten steuern wir große Nachrichtenlagen wie Terroranschläge, Flugzeugabstürze, Naturkatastrophen über einen sogenannten Top-Desk in der Mitte des Newsrooms. Ein gutes Dutzend Menschen sitzt dann an einem großen Tisch zusammen – in festgelegten Rollen: ein Desk-Manager als Chef-Organisator des gesamten Einsatzes, ein Text-Slot für die inhaltliche Steuerung, ein Visual Slot für Foto- und Video-Einsatz, ein Spezialist für Social Media Monitoring, eine Verifikationseinheit für die schnellen Checks von Bildern, Videos, Behauptungen, ein Koordinator für Live-Ticker, ein Breaking-News-Desker für die schnellen Eilmeldungen, ein Kommunikator, der die Kunden in einem speziellen Infokanal über alle Rechercheschritte auf dem Laufenden hält.

Dass dieses komplexe Steuerungskonzept für Großlagen auch außerhalb des Berliner Newsrooms funktionieren kann, hätte ich niemals für möglich gehalten. Aber es ist so: Der Tisch wird ersetzt durch eine Dauer-Zoom-Schalte, in der sich die Top-Desk-Einheiten aus ihren Homeoffices heraus zusammenfinden. Unterstützt wird die Kommunikation durch spezielle offene und geschlossene Slack-Channels für Absprachen. Und ob US-Präsidentenwahl, Terroranschlag in Wien oder Amokfahrt in Trier: Der digitale Top-Desk stand dem analogen bislang tatsächlich in kaum etwas nach.

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Für Ihre Kolleginnen und Kollegen ist es aktuell oft schwierig, am Ort des Geschehens zu sein und Informationen unmittelbar zu verifizieren. Wie berichten Sie trotzdem zuverlässige Meldungen?
Recherche funktioniert auch in Zeiten des Lockdowns in der Regel ohne große Einschränkungen, im Zweifel ganz einfach telefonisch. Und Verifikation war auch vor Corona schon vor allem sehr kleinteilige Desk-Arbeit mit Auswertung von Dokumenten, mit Datenanalyse, mit Mail-Austausch. Was aber natürlich mancherorts fehlt, ist der scharfe Reporterblick vor Ort, das direkte Gespräch mit Augenzeugen, aber auch der hintergründige, vertrauliche Austausch in geschützter Atmosphäre mit Quellen, die der digitalen Kommunikation – nicht ganz zu Unrecht – misstrauen.

Es klingt vielleicht seltsam, aber die dpa-Belegschaft ist in der Krise sogar sehr viel enger zusammengerückt.
Froben Homburger, dpa-Nachrichtenchef

Wie bleiben die etwa 1.000 Journalistinnen und Journalisten der dpa an mehr als 150 Standorten weltweit trotzdem im Austausch?
Es klingt vielleicht seltsam, aber ich glaube, dass die dpa-Belegschaft in der Krise sogar sehr viel enger zusammengerückt ist und sehr viel vertrauter miteinander wurde. Dazu haben auch Projekte wie das „dpa-Wohnzimmer“ beigetragen, ein mehrteiliges Videoformat, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der ganzen Welt sehr persönliche Einblicke in ihr Leben und Arbeiten in Zeiten von Corona gewährten. Auch viele andere Social-Events via Zoom haben dazu beigetragen, dass sich Menschen gesehen und miteinander geredet und näher kennengelernt haben, die vorher maximal per Mail Kontakt hatten.

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