Zum Hauptinhalt springen

Digital unterwegs

Recherchieren, forschen, studieren: Der digitale Wandel betrifft ganz unterschiedliche Lebensbereiche.

Беньямин Хердле, 23.12.2014
© privat - Julia Smirnova

Julia Smirnova

Korrespondentin der Zeitung „Die Welt“

Julia Smirnova ist schwer zu erreichen. Die 31-Jährige ist Russland-Korrespondentin für die Tageszeitung „Die Welt“ und viel unterwegs. Sie schreibt nicht nur über Wladimir Putins Politik, sondern reist für ihre Recherchen oft durch die ehemaligen Sowjetrepubliken. Sie berichtet über die Parlamentswahlen in Moldau, interviewt Georgiens Außenministerin und berichtet über die Krisengebiete in der Ostukraine. „Natürlich ist das beruflich momentan sehr spannend, aber ich fühle mich auch stark betroffen von der jetzigen Situation“, sagt die Russin.

Aufgewachsen in Krasnoarmeisk, rund 50 Kilometer von Moskau entfernt, fing Smirnova mit 15 Jahren an, für die Lokalzeitung zu schreiben. Für je ein Semester kam die Studentin der Germanistik und Publizistik 2003 an die Berliner Humboldt-Universität und 2007 an die Universität Hamburg, volontierte bei der Axel Springer Akademie, schrieb für die Welt und Forbes Russland und wurde gemeinsam mit Kollegen für das Online-Projekt „This is South Africa – live aus dem Social Web“ für den „Grimme Online Award“ nominiert. Seit 2012 berichtet sie aus Moskau. Smirnovas Beobachtungen und Erfahrungen können Interessierte nicht nur in der Tageszeitung lesen, sondern auch auf Twitter und Facebook verfolgen und teilen. „Soziale Medien werden immer wichtiger“, sagt Smirnova. Gemerkt hat sie das vor allem während des Ukraine-Konflikts. „Augenzeugenberichte und Fotos auf Twitter waren sehr wichtig, als sich im Februar und März die Ereignisse überschlugen“, sagt sie. Für sie seien Tweets vor allem Anregung für weitere Recherchen, weniger Informationsquellen. „Viele Gerüchte oder Informationen, die verbreitet werden, stellen sich hinterher als falsch heraus“, sagt sie. Sie selbst hat über die Ereignisse auf dem Kiewer Maidan getwittert. „Ich habe versucht, möglichst genau zu beschreiben, was ich gesehen habe“, sagt sie. Eine Akribie, die offensichtlich auch mehr als 1500 Menschen schätzen, die ihren Tweets folgen. Allerdings ist nicht jeder der Journalistin wohlgesonnen. Über die sozialen Netzwerke wird sie immer wieder von sogenannten Trollen beschimpft, die in ihr eine „vom Westen bezahlte Landesverräterin“ sehen. Smirnova sagt, sie versuche, darauf nicht zu reagieren, denn das sei genau deren Ziel. Hilft Ignoranz nicht, dann zählt nur eine Strategie: „Ich blockiere sie“.

Martin Bossert

Professor an der Universität Ulm

Das „Global System for Mobile Communications“, kurz GSM-Standard, gilt als einer der Meilensteine der Digitalisierung. Der ab den 1980er-Jahren entwickelte Standard ermöglicht unter anderem, dass beim Telefonieren Daten übertragen und SMS verschickt werden können. Einer, der diesen Standard mitentwickelt hat, ist Martin Bossert, Direktor des Instituts für Nachrichtentechnik an der Universität Ulm. „Digital? Ich war dabei“, meint der heute 59-jährige Nachrichtentechniker schmunzelnd, wenn er auf die Geschichten von früher angesprochen wird. Dass dieser Boom die Gesellschaft revolutionieren würde, damit hätten die Forscher damals nicht gerechnet.

Zu verdanken hat Bossert einen Teil seiner wissenschaftlichen Meriten seiner Kooperation mit Russland. Schon während seiner Postdoc-Zeit an der schwedischen Universität Linköping knüpfte er Beziehungen nach Russland, die er dann ab 1993 dank seiner Professur in Ulm stetig ausbaute. Mehr als 100 Publikationen zu Informationstheorie, Fehlerkorrekturverfahren und Nachrichtenübertragung veröffentlichten die Ulmer Wissenschaftler gemeinsam mit den Kollegen des Moskauer „Institute for Information Transmission Problems“ (IITP). Für diese umfangreiche Kooperation zeichnete die Russische Akademie der Wissenschaften Martin Bossert im Jahr 2011 aus. „Die Zusammenarbeit mit hochkarätigen Experten des IITP hat unserem Institut viel gebracht“, sagt Bossert. Über ein Stipendienprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) holte er über viele Jahre russische Wissenschaftler an sein Institut. Doch das Programm wurde eingestellt, die Kontakte nahmen ab; zuletzt war bis Ende Oktober ein IITP-Wissenschaftler an seinem Institut zu Gast. „Viele exzellente IITP-Nachwuchswissenschaftler sind in die Wirtschaft oder als Professoren in die USA und nach Großbritannien gegangen“, sagt Bossert. Von der fachlichen Exzellenz des Moskauer Forschungsinstituts ist der Ulmer Professor aber immer noch überzeugt. „Die Forscher waren wie Enzyklopädien: Sie kannten alles, was publiziert wurde“, sagt er. Von diesem unendlich scheinenden Wissen habe er enorm profitiert.

Luiza Yaraeva

Studentin am „GRIAT“ in Kasan

Luiza Yaraeva ist eine Pionierin. Natürlich würde das die in Usbekistan geborene Tatarin so nicht formulieren, aber sie zählt zu den ersten 40 Studierenden, die zum Wintersemester 2013/14 ein Masterstudium am neuen „German-Russian Institute of Advanced Technologies“ (GRIAT) in Kasan aufgenommen haben. Das hat die Technische Universität (TU) Ilmenau gemeinsam mit der Universität Magdeburg und der Kasaner Nationalen Technischen Forschungsuniversität (KNRTU) im September in der Hauptstadt der autonomen russischen Republik Tatarstan eröffnet. Sie bieten dort insgesamt vier englischsprachige Masterprogramme in den Ingenieurwissenschaften an, darunter den Studiengang „Communications and Signal Processing“. Zu den zehn Studierenden, die diesen Master mitsamt obligatorischen Deutschkursen belegen können, zählt Yaraeva.

„Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit bekomme, ein Studium mit internationaler Ausrichtung zu beginnen“, sagt sie; einen Bachelor in den Telekommunikationswissenschaften hat sie zuvor bereits an der KNRTU gemacht. Das reicht ihr aber nicht aus: „Ich möchte mein Wissen in den Informations- und Kommunikationswissenschaften vertiefen“, sagt sie. Neue Technologien würden im Alltag des Menschen immer wichtiger und für einen umfassenden digitalen Wandel sorgen. Dafür, so die Studierende, brauche es in der Zukunft gut ausgebildete Fachkräfte. Die Ingenieurstudiengänge nach deutschen Standards sollen ihr die notwendige Expertise vermitteln.

„Das Masterstudium hat aus meiner Sicht viele Vorteile“, sagt Yaraeva. Die Ausbildung genüge höchsten Ansprüchen; die Kombination aus Technik, englischer Sprache und deutschen Bildungsstandards sei äußerst positiv und die Absolventen erhielten Abschlüsse der KNRTU und der TU Ilmenau, zwei der führenden Universitäten in diesem Bereich. Mit diesem Know-how fühlt sie sich bestens gerüstet, um mit dem Masterabschluss im Jahr 2016 ihre berufliche Karriere zu starten. Doch zuvor wird sie im Herbst 2015 mit ihren Kommilitonen nach Ilmenau kommen, um dort ein Semester zu studieren. Yaraeva freut sich darauf: „Ich glaube, wir werden in Deutschland eine interessante Zeit haben.“