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Digitale Bücher lohnen sich

Selma Wels führt mit ihrer Schwester Inci Bürhaniye den Binooki-Verlag.

Julia Bähr, 23.12.2014
© dpa/Frank May - Selma Wels, Inci Bürhaniye, Binooki-Verlag

Jahrelang brauchten Autoren Verlage, um gelesen zu werden. Selbst wenn einer sich entschied, sein Buch selbständig zu lektorieren, mit einem Cover zu versehen und in geringer Auflage drucken zu lassen, blieb das Problem des Vertriebs. Doch mit den E-Books ist den Autoren der Vertrieb abgenommen: Jeder Online-Nutzer, und das sind inzwischen immerhin 76,5 Prozent der Deutschen, kann sie von jedem Ort der Welt mit Internetverbindung aus herunterladen und auf einem beliebigen Endgerät lesen. Kein Wunder, dass viele Verlage mit diesen Neuerungen fremdeln – sie machen die Autoren zumindest theoretisch unabhängig. Der Berliner Binooki-Verlag hingegen sieht die neuen Möglichkeiten mit Begeisterung. „Als wir die Idee hatten, türkische Literatur nach Deutschland zu bringen, war sofort klar: Wir nutzen jeden Weg!“, erzählt Gründerin Selma Wels. „Der Leser kann selbst entscheiden, ob er das Buch auf Papier, auf dem Smartphone oder auf einem Tablet oder E-Reader lesen möchte.“

Die Pläne für die Gründung des Verlags entstand 2010 auf der Buchmesse in Istanbul. Dort war Selma Wels beeindruckt von der Offenheit gegenüber E-Books: „Es gibt ein staatliches Projekt, das die Verlage an die Digitalisierung heranführt. In Deutschland ist man da viel skeptischer.“ Dabei sind die Mehrkosten für eine digitale Ausgabe gering. Das Buch ist schließlich schon eingekauft und lektoriert, auch ein Cover gibt es bereits. „Es dann noch technisch aufzubereiten und bei den verschiedenen Plattformen zu platzieren, ist kein großer Aufwand“, sagt Wels. Gleichwohl verkaufen sich die gedruckten Bücher noch in höherer Stückzahl.

Auch die Gefahr der Produktpiraterie sieht Wels entspannt. „In der Türkei werden ja sogar gedruckte Bücher kopiert und auf der Straße verkauft, da geht man mit E-Books kein zusätzliches Risiko ein“, sagt sie. „Alles kann geknackt werden. Aber viele Leser respektieren, dass Arbeit und Herzblut in einem Buch stecken, und wollen gar keine illegalen Kopien.“ Binooki verlegt seit der offiziellen Gründung im Jahr 2012 vor allem junge, türkische Schriftsteller und Klassiker wie „Korkuyu Beklerken“ von Oğuz Atay. Das Programm stieß von Anfang an auf reges Interesse: 2013 erhielten die Verlegerschwestern den Förderpreis der Kurt-Wolff-Stiftung für ihre klischeefreie Verbindung deutscher und türkischer Kultur. 2014 wurde der Erzählungsband „junge verlierer” von Emrah Serbes, den die beiden in Deutschland herausgebracht hatten, für den „Hotlist-Preis“ der unabhängigen Verlage nominiert.

Um auf dem Laufenden zu bleiben, beobachtet Selma Wels gerne, wie Jugendliche in der U-Bahn lesen. Während vor wenigen Jahren Tablets und Lesegeräte das Bild bestimmten, stellt sie heute fest: „Viele lesen auf dem Smartphone. Ich selbst mache das bei kurzen Fahrten auch.“ Also ist es wichtig, die Bücher für Smartphones so einfach wie möglich zugänglich zu machen – zum Beispiel in einem Online-Shop, der auch auf kleinen Displays übersichtlich ist. Doch nicht nur junge Leute gehören zu den besten Kunden der E-Books. Auch die ältere Generation entdeckt die Vorteile für sich. „Dass sie die Schriftgröße und Beleuchtung ändern können, ist natürlich sehr praktisch“, erklärt Selma Wels. Gerade für altersweitsichtige Menschen bedeutet das, nicht auf jeder U-Bahn-Fahrt die Lesebrille herauskramen zu müssen. Dafür nehmen es auch viele Ältere auf sich, die Handhabung der Lesegeräte zu erlernen. Denn E-Books lohnen sich nicht nur für die Verlage.