Kreative Wachsamkeit
Trevor Paglens umfassende Werkschau im Frankfurter Kunstverein.

Was bleibt dem Bürger angesichts gigantischer globaler Überwachungsmaßnahmen, die technisch von den allerwenigsten verstanden und moralisch von vielen verurteilt werden? Resignation? Unmündigkeit? Der US-Fotograf Trevor Paglen gibt eine andere Antwort: Für seine Dokumentation von Geheimdienstpraktiken betreibt er breit angelegte Recherchen, gemeinsam mit Wissenschaftlern, Amateurastronomen, Programmierern und Menschenrechtlern. Die dabei entstandenen Kunstwerke waren erstmals im Rahmen einer umfassenden Werkschau im Frankfurter Kunstverein von Juni bis August 2015 zu sehen; im Rahmen der Ausstellung erhielt Paglen den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie.
Bei allem politischen Hintergrund zeichnet Paglens Fotografien eine rätselhafte Schönheit aus, vom im rötlich leuchtenden Sternenhimmel aufgespürten Überwachungssatelliten bis zur unter Langzeitbelichtung entstandenen Nachtaufnahme einer Abhörstation in den Wäldern West Virginias: ein grünes Bäumemeer, in dem die elektrischen Lichter der Station einsam funkeln. Dabei lässt Paglen keinen Zweifel an seiner kritischen Haltung gegenüber den Überwachungspraktiken. Teil der Frankfurter Ausstellung war auch der von ihm und dem Internetaktivisten Jacob Appelbaum entwickelte „Autonomy Cube“. Die Skulptur bietet einen WiFi-Hotspot und ermöglicht das Surfen im Internet inklusive der Anonymisierung der Verbindungsdaten über das Netzwerk „Tor“.
„Handelt es sich bei dem, was wir dort sehen, um eine neue Form der Kunst? Oder des Journalismus? Oder noch mehr: um ein mögliches Zukunftsmodell der investigativen Recherche?“ Die drei Fragen, die die Kunsthistorikerin Julia Voss, stellvertretende Leiterin des Feuilletons der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, angesichts der Ausstellung formulierte, lassen sich wohl alle mit ja beantworten. Und Voss verwies auch auf die traditionsreiche Nähe der Kunstvereine zum bürgerschaftlichen Engagement. Dass Werk Trevor Paglens ist ebenfalls ohne das Mitwirken vieler nicht denkbar; auch das vom „Autonomy Cube“ genutzte „Tor“-Netzwerk wird von tausenden freiwillig betriebenen Servern getragen.
In Frankfurt hatte Trevor Paglen zudem zu einem Fotowettbewerb aufgerufen: Jeder war eingeladen, Spuren der Überwachung zu dokumentieren, von Basisstationen der amerikanischen National Security Agency und des deutschen Bundesnachrichtendienstes bis zu einzelnen Überwachungskameras. Ein Projekt mit Nachhall: Die Gewinnerarbeiten wurden in Paglens Ausstellung gezeigt; sämtliche Einsendungen versammelt ein Dossier. ▪