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Preis für „Feinde des Volkes“

Der „Freedom of Speech Award“ der Deutschen Welle geht an die „White House Correspondentsʼ Association“.

Judith Reker, 21.06.2017
Jeff Mason
Jeff Mason © DW - Jeff Mason

Die Stimme der vietnamesischen Sängerin Mai Khôi Do Nguyen lockt die letzten Nachzügler in den Saal. Sie haben zwischen zwei Programmpunkten noch schnell einen starken Kaffee getrunken oder Visitenkarten ausgetauscht. Sie sind Journalisten und Medienleute aus aller Welt, die zum Global Media Forum 2017 gekommen sind. Die Deutsche Welle, der deutsche Auslandssender, ist Gastgeber der Medienkonferenz. Der Saal, das ist der ehemalige Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn. Wer ihn betritt, sieht zuerst den Bundesadler, der fünfeinhalb Meter hoch an der Stirnwand prangt. Das strahlt einen Ernst und eine Größe aus, die zu diesem Abend des 19. Juni 2017 passen. Denn nach dem Lied von Mai Khôi wird hier der „Freedom of Speech Award“ der Deutschen Welle verliehen.

Preisverleihung im Plenarsaal

Der Preis geht an die „White House Correspondentsʼ Association“ (WHCA), die Vereinigung der Journalistinnen und Journalisten, die über das Weiße Haus und die Politik des US-Präsidenten berichten. Wie überraschend diese Wahl war, wird in jeder Rede deutlich. „Was mache ich hier? Das muss ein Fehler sein, ein großes Missverständnis.“ So bringt es der Laudator, Gregor Mayntz, auf den Punkt. Mayntz ist Vorsitzender der Bundespressekonferenz, des deutschen Gegenstücks zur WHCA. „Ein Freedom of Speech Award für Kollegen im ‚land of the free‘“, fügt er noch hinzu, „das ist kaum zu fassen.“

Stehender Applaus

Die Wahl der Preisträgerin überraschte also, aber offenbar überzeugt sie auch: Nicht nur die Redner, sondern, nach dem stehenden Applaus zu urteilen, auch die meisten Anwesenden. Die Redner nehmen kein Blatt vor den Mund. So erklärt Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultur und Medien: „Journalisten, verunglimpft als Feinde des Volkes, sehen sich mit einer Kriegserklärung konfrontiert.“ Dabei spielt sie auf Äußerungen des US-Präsidenten Donald Trump an. In einer Rede sagte er, er befinde sich in einem Krieg mit den Medien; in einem Tweet erklärte er „‚Fake-News‘-Medien“, zu denen er zum Beispiel die seriöse New York Times zählt, zu „Feinden des amerikanischen Volkes“.

Auch Peter Limbourg, Intendant der Deutschen Welle, schönt seine Worte nicht: „Der Präsident benimmt sich wie ein beleidigter König und erklärt die Medien, die ihm nicht passen, zu Volksfeinden.“ Die Deutsche Welle, so Limbourg, „versteht diese Auszeichnung als Anerkennung für die freie Presse weltweit und in den USA“. Limbourg warnt aber auch: „Ich hoffe sehr, dass Donald Trump nicht dazu dient, um in Deutschland den Anti-Amerikanismus zu schüren, den es hier leider auch gibt. Die USA sind eine großartige Nation mit großartigen Menschen, mit inspirierenden Künstlern, Wissenschaftlern und eben auch besonders tollen Journalisten.“

Jeff Mason ist einer dieser Journalisten, er nimmt den Preis stellvertretend für die WHCA entgegen. Der Korrespondent der britischen Nachrichtenagentur Reuters ist seit Mitte 2016 Vorsitzender der Vereinigung. In seiner Dankesrede wählt Mason seine Worte vorsichtig. Die Hauptaufgabe der WHCA sei es, ihren Mitgliedern den Zugang zum Weißen Haus zu ermöglichen. So weist der Amerikaner diplomatisch darauf hin, dass der Zugang zum Weißen Haus „tatsächlich recht gut“ sei. Gleichzeitig deutet er an, dass die WHCA dafür hinter den Kulissen zähe Kämpfe ausgefochten haben muss. Die Presse- und Redefreiheit, sagt Mason, werden von der US-Verfassung garantiert, doch er habe gelernt, „dass wir diese Rechte oder das Gesetz, das sie garantiert, nicht als selbstverständlich betrachten können“.

Bedeutung der Pressefreiheit weltweit

Natürlich geht es Journalisten in den USA ungleich besser als an vielen anderen Orten auf der Welt. Das betont Mason mehrfach. Das zeigt auch ein Blick auf die vorangegangenen Träger des Freedom of Speech Award. Der erste Preisträger, Raif Badawi, sitzt seit fünf Jahren in Saudi-Arabien im Gefängnis. Weil er eine Website für politische Debatten betrieb, wurde der Aktivist zu 1000 Stockhieben, zehn Jahren Gefängnis und einer hohen Geldstrafe verurteilt. Auch dem nächsten Preisträger, Sedat Ergin, drohte eine lange Gefängnisstrafe. Der damalige Chefredakteur der türkischen Tageszeitung „Hürriyet“ war angeklagt, weil er ein Zitat von Staatspräsident Erdoğan „böswillig verdreht“ haben soll.

„Wenn die Annahme des Preises hilft, ein Licht auf die Bedeutung der Pressefreiheit weltweit zu werfen,“ schließt Jeff Mason seine Dankesrede, dann wolle er „dankbar und bescheiden akzeptieren“. Außerdem wolle er mit gutem Beispiel vorangehen, erklärt Mason danach mit einem kleinen Seitenhieb auf den US-Präsidenten. Er nehme nämlich gern Fragen aus dem Publikum an. Nachdem sich das Gelächter im Saal gelegt hat, betrifft die erste Frage den journalistischen Nachwuchs: Was könne er den jungen Leuten in Zeiten wie diesen raten? „Die Zeiten könnten nicht besser sein, um Journalist zu werden“, antwortet er, ohne zu zögern. „Wir brauchen gute Leute.“

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