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„Hier stehe ich…“

Im Rahmen der Reformationsdekade 2008–2017 unterstützt das Auswärtige Amt außergewöhnliche Ausstellungsprojekte in Atlanta, Los Angeles, Minneapolis und New York.

06.07.2016
© dpa/Hendrik Schmidt - Here I stand

Als Martin Luther im Jahr 1517 seine 95 Thesen formulierte, ahnte er nicht, dass er eines Tages in die Geschichte eingehen würde. Als ein Mensch, der unbeirrbar zu seinen Überzeugungen steht. Als jemand, der Korruption und Machtmissbrauch bekämpft und sich dabei nicht einmal vom Papst einschüchtern lässt. „Hier stehe ich. Gott helfe mir. Ich kann nicht anders“, soll er gesagt haben und damit gegen den Widerruf seiner Schriften und für die Gewissensfreiheit eingestanden sein. „Here I stand…“ (here-i-stand.com) heißt deshalb auch ein außergewöhnliches Projekt, das Martin Luther und das Reformationsjubiläum mit einer Ausstellungsreihe in den USA würdigt. Initiiert haben es das Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, das Deutsche Historische Museum in Berlin und die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha mit Unterstützung des Auswärtigen Amts. „Martin Luther hat die Weltgeschichte beeinflusst. Heute können viele Menschen ihre religiöse Zugehörigkeit auf ihn zurückführen“, sagt Projektleiterin Tomoko Emmerling.

Weil es gerade in den USA viele lutherische Gemeinden gibt, deren Wurzeln in Westeuropa liegen, sollen die Ausstellungen sie auf eine Reise mit in ihre Kulturgeschichte nehmen. Dafür schicken die Kooperationspartner Exponate in drei Museen nach New York, Atlanta und Minneapolis. Gerade in der größten Stadt Minnesotas rechnen die Organisatoren mit vielen Besuchern. „Der Mittlere Westen der USA ist sozusagen lutherisches Kernland“, sagt Tomoko Emmerling. „Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung sind europäischstämmig, 40 Prozent davon deutschstämmig. Sie haben ein großes Interesse an Martin Luther und an Deutschland.“

In der größten der drei Ausstellungen können sich die Besucher auf 1000 Quadratmetern Fläche im Minneapolis Institute of Art vor allem der Person Martin Luther nähern. Neben Porträts des ehemaligen Augustinermönchs und seiner Frau, der ehemaligen Nonne Katharina von Bora, überraschen vor allem die archäologischen Funde aus seinem Elternhaus. Kinderspielzeug wie Murmeln, Überreste festlicher Kleidung und Kerne von exotischen Früchten wie Feigen und Tierknochen von jungen Schweinen und Wild haben die Historiker zusammengestellt. „Wild durfte zu Luthers Zeit nur von den Fürsten gejagt werden, was auf soziale Kontakte seiner Eltern in hohe Kreise schließen lässt“, sagt Projektleiterin Emmerling. „Es ist sehr spannend, wie man aus den archäologischen Funden darauf schließen kann, dass Luther nicht aus einem armen Haushalt kam. Obwohl er sich selbst so dargestellt hat.“

Auch in New York, wo seit dem 18. Jahrhundert viele Europäer, unter ihnen viele Lutheraner, an Land gegangen sind, um in den USA ein neues Leben zu beginnen, finden sich Zeugnisse der Reformation. Für die Ausstellung im Morgan Library & Museum haben die Kuratoren vor allem Hand- und Druckschriften Luthers gesammelt. Schließlich konnten sich die Inhalte der Reformation nur so schnell verbreiten, weil es zeitgleich zu Luthers Bewegung eine Medienrevolution gab: den Buchdruck. Die Perle der Ausstellung in New York hat Luther allerdings mit Tinte verfasst. Einen Brief an Kaiser Karl V., in dem er sich weigert, seine Werke gegen den Ablasshandel und für die Reformation der Kirche zu widerrufen. 2015 wurde das Dokument in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen.

Einen Bogen in die Moderne schlägt die Candler School of Theology der Emory University in Atlanta. Die Ausstellung zeigt die größte Sammlung früher Lutherschriften in den USA, erklärt aber auch die Verbindung zwischen Martin Luther und dem aus Atlanta stammenden Bürgerrechtler Martin Luther King. „Eigentlich hieß er Michael King. Sein Vater, der in den 1930er-Jahren Deutschland besucht hat, hat sich selbst und seinem Sohn schließlich den Namen Martin Luther King gegeben“, sagt „Here I stand“-Projektleiterin Emmerling. „Martin Luther King selbst formulierte den Wunsch, nach Wittenberg zu reisen, um sich auf die Spuren seines Namensvetters zu begeben.“

Doch nicht nur im Mittleren Westen und an der Ostküste soll das amerikanische Publikum Eindrücke von Reformation und deutscher Kunst und Kultur des 16. Jahrhunderts erhalten. Auch an der Westküste wollen deutsche Ausstellungsmacher Kunstwerke vorstellen, die hunderte Jahre älter sind als die amerikanische Verfassung. Die Staatlichen Museen zu Berlin, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München werden mit Unterstützung des Auswärtigen Amts von November 2016 bis März 2017 im Los Angeles County Museum of Art (LACMA) wichtige Werke der Renaissance präsentieren. Vor allem die Bilder von Dürer, Cranach und Holbein sollen die Besucher an die europäische Epoche und ihre außerordentliche Wirkungskraft heranführen. Michael Govan, Direktor des LACMA, betont: „Die Ausstellung bietet eine einzigartige Gelegenheit, im Süden Kaliforniens die größten Errungenschaften der deutschen Renaissance-Kunst zu erleben.“ ▪

Eva Lindner

INTERAKTIVE 
AUSSTELLUNG

Es ist ein besonderer Clou: Die Ausstellung „Here I stand…“ ist nicht nur auf die Vereinigten Staaten oder einzelne Orte beschränkt. Eine Ableitung gibt es als Posterausstellung „#HereIstand“ zum Download (auf Deutsch und Englisch) und zum Bestellen (nur auf Deutsch) für Schulen und alle, die eine kleine Ausstellung präsentieren möchten. Alle Infos und erste Beispielposter unter www.here-i-stand.com