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Der vollkommene Dichter

Vor 150 Jahren wurde Rainer Maria Rilke geboren. Schon zu Lebzeiten verehrt, berührt der deutschsprachige Lyriker bis heute Menschen auf der ganzen Welt.

Jürgen Moises, 28.11.2025
Rainer Maria Rilke, hier vermutlich 1906, gilt bis heute als einer der größten deutschsprachigen Dichter.
Rainer Maria Rilke, hier vermutlich 1906, gilt bis heute als einer der größten deutschsprachigen Dichter. © dpa

Rainer Maria Rilke, geboren am 4. Dezember 1875, gilt bis heute als einer der größten deutschsprachigen Dichter. Als er 1926 im Alter von nur 51 Jahren starb, gab es in ganz Europa huldigende Nachrufe und Gedenkveranstaltungen. In Berlin sagte der Schriftsteller Robert Musil den oft zitierten Satz: „Dieser große Lyriker hat nichts getan, als dass er das deutsche Gedicht zum ersten Mal vollkommen gemacht hat.“ 

Verehrt und umstritten

Unumstritten war Rilke allerdings nicht. So soll etwa Bertolt Brecht gegen den „bürgerlichen“ Dichter gewettert haben, dass er „an der Realität vorbei“ schreibe. Und sein Schriftstellerkollege Gottfried Benn nannte Rilkes Gedichte „Reimplastilin“. Der Dichter galt bei seinen Kritikern als unpolitischer Ästhet und „Liebling der Bourgeoisie“, dessen schöngeistige Lyrik die sozialen Konflikte seiner Zeit ausblendete.

Heute ist derartige Kritik weitgehend vergessen. Rilke wird weiterhin weltweit gelesen und verehrt. So kennen nicht nur Studierende der Germanistik sein Gedicht „Der Panther“, sein „Stunden-Buch“, die „Duineser Elegien“ oder seinen einzigen Roman „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“. Auch in die Pop-Kultur ist Rilke vorgedrungen. So sagte etwa Lady Gaga in einem Interview: „Ich lese jeden Tag Rilke.“ Die amerikanische Sängerin hat sogar ein Rilke-Zitat auf ihrem linken Arm in geschwungener deutscher Schrift tätowiert, ein Ausschnitt aus den „Briefen an einen jungen Dichter“. 

Popsängerin Lady Gaga zeigt 2009 in einer deutschen Fernsehshow ihre Tätowierung eines Rilke-Zitats.
Popsängerin Lady Gaga zeigt 2009 in einer deutschen Fernsehshow ihre Tätowierung eines Rilke-Zitats. © dpa

Auch wenn viele Menschen Rilkes Verse lieben: Über seine Biografie ist nur wenig bekannt. Schon zu Lebzeiten verehrten ihn zwar einige als „Heiligen“, wie Clemens J. Setz in seinem Buch „Rainer Maria Rilke. 100 Seiten“ schreibt. Trotzdem stand er als Person „nie im Zentrum der Aufmerksamkeit“. Ein Literatur-Star war er also nicht. Vielmehr wirkt es so, als wäre der Dichter vor etwas geflüchtet. Rilke war ständig unterwegs und lebte an verschiedenen Orten. Dafür hatte er viele Bekannte, an die er wunderbare Brief schrieb. 

Zur Welt kam René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke in Prag. Die Mutter, die den frühen Tod der älteren Tochter nicht verkraftet hatte, erzog ihn zunächst als Mädchen. Dann musste er jedoch auf die Militärrealschule in St. Pölten, danach an die Handelsakademie in Linz, schließlich 1892 zurück nach Prag, wo Rilke Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie studierte. Er wechselte zur Rechtswissenschaft und ging nach München. Dort lernte er die Literatin Lou Andreas-Salomé kennen, eine für ihn prägende Figur. Sie überredete ihn, seinen Vornamen von René in das „männlichere“ Rainer umzubenennen. 1897 folgte er ihr nach Berlin. 

Porträt Rilkes von dem russischen Maler Leonid Pasternak (1928)
Porträt Rilkes von dem russischen Maler Leonid Pasternak (1928) © dpa

Paris als literarische Heimat

Im Jahr 1901 heiratete Rilke in Bremen jedoch eine andere Frau, die Bildhauerin Clara Westhoff, mit der er die Tochter Ruth bekam. Aufziehen wollte er das Mädchen nicht. Stattdessen ging er 1902 nach Paris, um eine Monografie über den Bildhauer Auguste Rodin zu schreiben. Literarisch wurde Paris, das er erst mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs verließ, zum entscheidenden Ort. Er schrieb dort „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“. Auch die „Neuen Gedichte“ (1907), darunter „Der Panther“, entstanden dort. 

Wegweisend ist dabei, wie Rilke in diesen „Dinggedichten“ Tiere, Landschaften und vor allem tote Gegenstände ins Zentrum stellt und „verlebendigt“. Eine Fähigkeit, wie sie Kindern eigen ist. Und tatsächlich nennt Clemens J. Setz Rilke auch den „größten Dichter kindlichen Erlebens“, der sich um die eigene Tochter aber nie gekümmert hat. Was seine Gedichte sonst auszeichnet, sind unerwartete Regelbrüche, Wendungen und Metaphern. 

Ein weiterer Widerspruch scheint zu sein, dass Rilke zwar als „Trostdichter“ gilt, wie Manfred Koch in seiner Biografie „Rilke. Dichter der Angst“ schreibt. Aber religiös, ein Christ, war Rilke nicht. Auch wenn in seinen „Duineser Elegien“ Engel eine zentrale Rolle spielen. Nur: „Zu brauchen“ seien diese „schrecklichen“ Engel nicht. Und so bleibe der Mensch auf sich allein gestellt. Das klingt sehr existenzialistisch. Und so wird sein rätselhaftes Spätwerk wie die „Sonette des Orpheus“ auch oft interpretiert. 

Begraben liegt Rilke auf dem Bergfriedhof von Raron im Schweizer Kanton Wallis, wo er seine letzten Jahre verbrachte und an einer spät erkannten Leukämie verstarb. 

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