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Thomas Mann – ein Jahrhundert-Schriftsteller

2025 jähren sich der 150. Geburtstag und 70. Todestag von Thomas Mann – Anlass dafür, das Werk des Literaturnobelpreisträgers neu zu entdecken.

Wolf ZinnWolf Zinn, 31.01.2025
Thomas Mann 1916
Thomas Mann 1916 in seinem Arbeitszimmer © picture alliance/ullstein bild

Er gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Mit seinen Romanen, Novellen und Essays prägte Thomas Mann nicht nur die deutsche Literatur nachhaltig, er wurde zu einer Stimme von Weltrang. Seine Werke, darunter „Buddenbrooks“, „Der Zauberberg“, „Joseph und seine Brüder“ und „Doktor Faustus“, wurden in fast 40 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft. Sie verbinden präzise Gesellschaftsanalyse mit philosophischer Tiefe, feiner Ironie und einem komplexen Sprachstil.

Privilegierte Herkunft

Geboren am 6. Juni 1875 in Lübeck, wuchs Thomas Mann in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie auf. Nach dem Tod des Vaters 1891 und der Liquidation der Firma zog die Familie nach München, wo er in die Literaturszene eintauchte. Schon früh zeigte sich sein außergewöhnliches Talent, etwa durch die Novelle „Der kleine Herr Friedemann“ (1898). 1905 heiratete er Katia Pringsheim, die aus einer reichen jüdischen Familie stammte. Mit sechs Kindern, darunter Klaus und Erika Mann, die selbst erfolgreiche Autoren wurden, entwickelte sich die Familie Mann über die Jahrzehnte zu einer Art intellektuellen Dynastie. Dies allerdings nicht ohne menschliche Dramen: Klaus Mann kämpfte mit Depressionen und nahm sich 1949 das Leben. Auch der jüngste Sohn, der Komponist Michael Mann, tötete sich 1977 selbst. Mehrere weitere Familienmitglieder litten unter psychischen Problemen.

Thomas Mann 1931 mit Frau Katia und den Kindern Klaus und Erika
1931 mit seiner Frau Katia und den Kindern Klaus und Erika © picture alliance/akg-images

Ruhm und Widerstand

Den Höhepunkt seines Ruhms erreichte Thomas Mann in den 1920er Jahren. 1929 erhielt er den Literaturnobelpreis, vor allem für seinen frühen Roman „Buddenbrooks“ (siehe unten). Obwohl er sich politisch lange als konservativ betrachtete, avancierte Thomas Mann in der Weimarer Republik zu einem Verfechter der Demokratie. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 sah er sich gezwungen, Deutschland zu verlassen. Seine erste Station war die Schweiz, später zog er in die USA, wo er die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm und sich aktiv gegen das NS-Regime engagierte. Seine Radioansprachen, unter dem Titel „Deutsche Hörer!“, richteten sich an die deutsche Bevölkerung und forderten sie offen zum Widerstand gegen Hitler auf. „Wo ich bin, ist Deutschland“, sagte er über seine Rolle im Exil. Nach dem Krieg kehrte er nach Europa zurück, lebte überwiegend in der Schweiz und starb dort am 12. August 1955.

Thomas Mann 1943 im US-amerikanischen Exil
Thomas Mann 1943 im US-amerikanischen Exil © picture alliance/Fred Stein

Beispiele für Meisterwerke von Thomas Mann:

„Buddenbrooks“ (1901):

Der autobiografisch gefärbte Roman schildert den Aufstieg und Fall einer Lübecker Kaufmannsfamilie. Die Protagonisten ringen mit den Zwängen des Bürgertums und ihren persönlichen Träumen. Mit detaillierten gesellschaftlichen Beobachtungen und feinem Humor zeichnet Mann ein Epochenporträt. „Was ist das Leben anderes als eine Reihe von kleinen Angelegenheiten?“, beschreibt er den subtilen Wandel der Generationen. Die Lübecker, die sich in den nicht immer schmeichelhaften Figuren des Werks wiedererkannten, waren davon nicht allzu begeistert.

„Der Zauberberg“ (1924):

Der Roman spielt in einem Schweizer Sanatorium und thematisiert Krankheit, Tod und die geistigen Strömungen der Zeit. Hans Castorp, ein junger Ingenieur, will dort zunächst nur kurz bei seinem erkrankten Vetter bleiben, doch sein Aufenthalt dehnt sich über Jahre aus. Im Dialog mit Figuren wie dem lebensfrohen Settembrini und dem nihilistischen Naphta sucht er nach Sinn in einer zerrissenen Welt.

„Joseph und seine Brüder“ (1933–1943):

In diesem vierteiligen Werk greift Thomas Mann die biblische Josephsgeschichte auf und interpretiert sie neu. Der Roman beleuchtet Josephs Aufstieg vom verschmähten Kind zum einflussreichen Berater des Pharaos. Durch psychologische Tiefe verwandelt Mann den antiken Stoff in eine Reflexion über Macht, Göttlichkeit und Menschlichkeit.

„Doktor Faustus“ (1947):

Das Spätwerk verknüpft das Leben des Komponisten Adrian Leverkühn mit der deutschen Geschichte. Durch einen Pakt mit dem Teufel gewinnt Leverkühn künstlerische Genialität, verliert jedoch seine Menschlichkeit. Der Roman ist eine Allegorie auf den kulturellen und moralischen Niedergang Deutschlands im 20. Jahrhundert.