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Das Deutsch-Chinesische Jahr des Jugendaustausches

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Li Keqiang wollen die Menschen beider Länder zusammenbringen. Die ersten Austauschprogramme laufen bereits. Prominente Vorbilder gibt es auch

Martina Propson-Hauck, 19.04.2016

Der China-Besuch der Bundeskanzlerin im Oktober 2015 war etwas anders als die anderen. Persönlicher. Mehrfach betonten Angela Merkel und Ministerpräsident Li Keqiang, wie gut ihr Verhältnis ist, wie offen und ehrlich miteinander gesprochen wird und wie erfolgreich sich dadurch die deutsch-chinesischen Beziehungen gestalten. So lag es offenbar nahe, die Intensivierung der Kontakte unter den Menschen beider Länder zu einem eigenen Thema zu machen – und 2016 zum „Deutsch-Chinesischen Jahr des Jugendaustausches“ zu erklären. Bereits im Februar 2016 reiste eine erste Gruppe von zehn chinesischen Mädchen und Jungen im Alter von 14 bis 17 Jahren nach Deutschland, um zwei Monate bei Gastfamilien zu verbringen. Zehn deutsche Partnerschüler kommen Anfang August bis Ende Oktober nach China. Während der zwei Monate besuchen die Jugendlichen gemeinsam die jeweilige Schule und haben in ihrer Freizeit zahlreiche Gelegenheiten, Kultur und Alltag des Gastlandes näher kennenzulernen. Das Programm richtet sich an Deutsch lernende chinesische Schülerinnen und Schüler sowie an Jugendliche in Deutschland, die Chinesisch lernen. Den Austausch organsiert das Goethe-Institut gemeinsam mit Partnern in Deutschland. Gefördert wird das Programm durch die Stiftung Mercator.

„Der Jugendaustausch zwischen Deutschland und China bietet jungen Menschen in beiden Ländern schon früh die Gelegenheit, mit der Kultur des anderen Landes in Kontakt zu kommen und die Fähigkeit zu erwerben, in einer Kultur zu agieren, die von der eigenen sehr weit entfernt ist“, sagt Clemens Treter, Leiter des Goethe-Instituts China. „Richtig begleitet ist er eine große Chance, denn die interkulturelle Kompetenz gehört zu den wichtigsten Qualifikationen in der heutigen, vernetzten Welt.“ Das Interesse an Deutschland und der deutschen Sprache ist in China ungebrochen. Mittlerweile lernen über 12000 Schülerinnen und Schüler an 123 Schulen Deutsch. Diese Entwicklung hängt unmittelbar mit der Pasch-Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ zusammen, die das Auswärtige Amt 2008 ins Leben gerufen hat. Sie vernetzt weltweit mehr als 1800 Schulen, an denen Deutsch einen besonders hohen Stellenwert hat. Im Hochschulbereich lernen in China insgesamt 45000 Studierende Deutsch, etwa 22000 studieren Deutsch als Hauptfach. Darüber hinaus stellen chinesische Studierende die größte Gruppe ausländischer Studierender in Deutschland; mehr als 25500 Chinesen sind an deutschen Hochschulen immatrikuliert. Bundespräsident Joachim Gauck, der bei seinem China-Besuch im März 2016 mit Präsident Xi Jinping das „Deutsch-Chinesische Jahr des Jugendaustausches“ offiziell eröffnet hat, betonte in seiner Rede an der Tongji-Universität Shanghai noch einmal die Bedeutung des Austausches. „Schüler und Studierende, junge Wissenschaftler, Sportler oder junge Künstler beider Seiten zusammenzubringen, das knüpft jene Netzwerke, die unsere Beziehungen in der nächsten Generation tragen werden.“

Prominente Vorbilder gibt es auf beiden Seiten. Britta Heidemann zum Beispiel, Gold-Olympiasiegerin von Peking 2008, ist in China bekannt geworden, weil sie während der Olympischen Spiele in Peking in einer chinesischen Sportsendung ein 45-minütiges Live-Interview auf Chinesisch gegeben hatte. 150 Millionen Menschen verfolgten damals die Sendung. Bereits als Schülerin hatte Heidemann einen privaten organisierten China-Austausch absolviert. Sie wohnte damals beim Direktor einer Mittelschule – und verstand anfangs kein Wort. Heute spricht sie fließend Chinesisch und betont gern, dass China zu ihrer zweiten Heimat geworden ist. Britta Heidemann absolvierte in Köln erfolgreich ein Studium der Regionalwissenschaften China. Ihre Diplomarbeit befasste sich mit der Entwicklung alternativer Energien in China, besonders der Windkraft, und deren rechtlichen Rahmenbedingungen. Heute arbeitet sie freiberuflich als Unternehmensberaterin für die Bereiche China, erneuerbare Energien, Sport und Management. Ein weiteres gutes Beispiel ist der chinesische Minister für Wissenschaft und Technologie, Wan Gang. 1985 kam er nach Deutschland, um an der TU Clausthal Antriebstechnik zu studieren. 1990 promovierte er. Ab 1991 war er bei Audi in leitenden Positionen für Forschung und Entwicklung tätig, bis er 2000 beschloss, nach China zurückzukehren. Dort errichtete er an der Tongji-Universität ein Forschungsinstitut für die Entwicklung von Wasserstofftechnologie und elektrischen Fahrzeugen. Von Juli 2004 bis August 2007 war er Präsident der Tongji-Universität. Seit 2007 ist er Minister. Im Januar 2016 hat ihm Bundesforschungsministerin Johann Wanka für seine Verdienste um die deutsch-chinesische Zusammenarbeit das Große Verdienstkreuz überreicht. ▪