Nach deutsch-französischem Vorbild
Griechenland und Nord-Mazedonien haben eine schwierige Vergangenheit. Wie ein Jugendaustausch nun zur Versöhnung beitragen soll.
Es war das erste Mal, dass Sofia Svoliantopoulou die nord-mazedonische Hauptstadt Skopje besuchte. Die 28-jährige Griechin kam im Oktober 2018 voller Neugier: „Ich hatte viele Geschichten gehört, aber ich wollte hinfahren, mit den Menschen sprechen und mir meine eigene Meinung bilden.” Obwohl Svoliantopoulou nur rund 100 Kilometer von der griechisch-mazedonischen Grenze entfernt in Kozani aufgewachsen ist, kannte sie das Nachbarland bisher nicht. Erst ein dreitägiges „Civil Society Forum”, veranstaltet von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), brachte die junge Frau nach Skopje. „Es war eine einmalige Chance“, sagt sie. Viele Menschen habe sie kennengelernt, ausgiebig debattiert, das Essen probiert und zu Fuß die Stadt erkundet.
Svoliantopoulous' Besuch im Nachbarland ist keine Selbstverständlichkeit. Zwischen dem kleinen Westbalkan-Staat, der sich seit Januar 2019 Republik Nord-Mazedonien nennt, und Griechenland, in dessen Norden ebenfalls eine Region namens Makedonien liegt, gab es seit 1991 einen erbitterten Namensstreit. Erst kürzlich wurde hier mit dem historischen Prespa-Abkommen ein Kompromiss gefunden. Das griechische Parlament muss die Namensänderung allerdings noch ratifizieren. Danach besteht für Nord-Mazedonien erstmals die Chance auf einen Nato-Beitritt und den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen – beides hatte Nato- und EU-Mitglied Griechenland bisher blockiert. Doch die politische Lösung, um die lange gerungen wurde, löste eine Regierungskrise in Athen aus und die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen haben tiefe Gräben hinterlassen. „Das Namensthema ist in beiden Gesellschaften emotional besetzt und wurde teilweise missbraucht durch populistische Politiker“, erklärt Eva Ellereit, Leiterin des FES-Büros in Skopje.
Das Landesbüro der SPD-nahen Stiftung will den Versöhnungsprozess auf zivilgesellschaftlicher Ebene durch den Austausch junger Menschen begleiten – nach deutsch-französischem Vorbild. Denn viele Griechen meiden das Land im Norden, das auf dem internationalen Parkett bisher FYROM hieß („Former Yugoslav Republic of Macedonia“). Umgekehrt fahren auch viele Nord-Mazedonier nur für Stippvisiten, etwa zum Einkaufen, in die griechische Hafenstadt Thessaloniki,
Versöhnung nach deutsch-französischem Vorbild
Ein Blick in die Vergangenheit sei hilfreich, meint Ellereit. Denn lange herrschte auch zwischen Deutschland und Frankreich eine „Erbfeindschaft“. Die freundschaftliche Annäherung gelang erst nach dem Zweiten Weltkrieg. 1963 unterzeichneten Bundeskanzler Adenauer und der französische Staatspräsident de Gaulle den berühmten Élysée-Vertrag; unmittelbar im Anschluss wurde das Deutsch-Französische Jugendwerk gegründet. Seitdem hat die Organisation nach eigener Aussage rund neun Millionen jungen Menschen aus Deutschland und Frankreich die Teilnahme an über 320.000 Austauschprogrammen und Begegnungen ermöglicht. „Auf dem Westbalkan ist diese Erfolgsgeschichte sehr präsent“, erklärt Ellereit. Denn es sei eines der wenigen Beispiele weltweit, bei dem tief verfeindete Nachbarländer nachhaltig versöhnt werden konnten.
Brücken bauen und Kontakte erleichtern
Mit einem ähnlichen Ansatz soll das Rapprochement zwischen Nord-Mazedonien und Griechenland gelingen. Dazu lädt die FES gemeinsam mit lokalen Partnern regelmäßig junge Nord-Mazedonier nach Griechenland ein und umgekehrt. Zielgruppe des Austauschs sind 18- bis 25-jährige Studierende, die sich teilweise ehrenamtlich in der Jugendarbeit engagieren. Vor Ort nehmen sie an Tagungen und Workshops mit einheimischen Studierenden teil, machen Stadtrundfahrten, besuchen staatliche und zivilgesellschaftliche Institutionen. „Mich hat besonders erstaunt, wie viel beide Länder gemeinsam haben,“ erzählt Kristina Stankovska, eine Studentin aus Skopje, die kürzlich an einem Thessaloniki-Austausch teilgenommen hat. Freundlich und mit Offenheit seien die Griechen ihr begegnet. In vielen Gesprächen habe sie den „Wunsch nach einer Verbesserung der aktuellen Situation“ wahrgenommen, sagt die 20-Jährige. „Der Austausch hat mir bewusst gemacht, dass die Jugend einen immensen Einfluss auf gute nachbarschaftliche Beziehungen hat.“
Brücken bauen und Kontakte erleichtern, nennt Ellereit die zentralen Ziele des Austauschs. Auch im laufenden Jahr soll das Programm fortgesetzt werden. Das Interesse sei sowohl in Griechenland als auch in Nord-Mazedonien groß. „Wir sehen, wie die junge Generation versucht Teil der Lösung und nicht Teil des Problems zu sein.“ An eine schnelle Überwindung der alten Feindbilder glaubt sie dennoch nicht: „Das bleibt eine Aufgabe für Generationen.“
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