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Die Kunst des Riechens

Die Berliner Duft-Expertin Sissel Tolaas möchte unsere Art, die Welt wahrzunehmen, verändern.

15.02.2013
© Alexandra Daisy Ginsberg

Im Militärhistorischen Museum in Dresden können Besucher eine kleine Kiste öffnen und eine kräftige Prise vom Geruch der Schützengräben im Ersten Weltkrieg nehmen – ein Duft, der als eine Mischung aus Erde, Schießpulver und Tod beschrieben wurde. „Ich habe die Gerüche chemisch nachgebildet“, sagt die Schöpferin des Ausstellungsstücks Sissel Tolaas, Chemikerin und Künstlerin aus Norwegen. „Ich musste mich auf meine Erfahrungen beim Durchführen extremer Projekte und auf die Beschreibungen von Armeeoffizieren verlassen.“

Sissel Tolaas ist eine der angesehensten Duft-Expertinnen der Welt. In ihrem Labor in Berlin-Wilmersdorf setzt sie Duftexperimente und Markenstudien für Firmenkunden wie Adidas und Mercedes-Benz um. Sie hat darüber hinaus zahlreiche provokative Kunstinstallation in Deutschland und weltweit ins Leben gerufen. Bei ihrem Exponat „the FEAR of Smell: the Smell of FEAR“ hat Sissel Tolaas den Geruch von 21 paranoiden Menschen gesammelt und in Mikrokapseln gespeichert auf Wände aufgetragen. Wenn die Museumsbesucher über die Wand rieben, wurde der Körpergeruch der Menschen freigesetzt. Einige Besucher empfanden die Gerüche als abstoßend, andere waren fasziniert.

Sissel Tolaas hält Gerüche an Orten wie Stockholm, London, Kapstadt, Mexiko-Stadt und Berlin fest und fängt sie mit Hilfe einer kleinen Maschine ein. Dann bildet sie die Gerüche in ihrem Labor nach, um eine Art Duft-Stadtplan anzufertigen. In Ost-Berlin fand sie in einer U-Bahn-Station eine Ecke, in der es noch riecht wie in der ehemaligen DDR – eine Mischung aus Braunkohle, Eisenbahnschienen und Reinigungsmitteln. Den Geruch in Teilen des Berliner Kiezes Charlottenburg beschreibt sie als Duft nach teurer Seife und Geld.

Sich selbst betrachtet Sissel Tolaas als eine Art Duft-Botschafterin. Sie findet, dass die Menschen bewusster riechen sollten. „Wir leben in einer Welt, die deodoriert, pasteurisiert und verschleiert ist, um uns zu schützen, doch dadurch entgehen uns viele wichtige Informationen.“

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