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Urlaubsland Deutschland

Geschichte, Kultur und Lebensart begeistern immer mehr israelische Touristen.

Gunda Achterhold, 06.11.2012
© Chris Tobin/Digital Vision

Avihai Beker hat 36 verschiedene Touren durch Berlin im Angebot. Wenn er Touristen aus Israel durch die deutsche Hauptstadt begleitet, geht er auf ihre besonderen Wünsche und Vorlieben ein. Mit jungen Leuten unternimmt er Streifzüge durch die Kunst- und Kreativszene und zeigt ihnen zum Beispiel die vielen kleinen Galerien im Scheunenviertel im Ortsteil Mitte. Mit Familien macht er gern einen Abstecher zur Konditorei Buchwald, die 160 Jahre alt und auf Baumkuchen spezialisiert ist. Und Architekten führt er zu den Wohnsiedlungen der Berliner Moderne, die mit ihren innovativen Gestaltungsformen und Farbkonzepten in den 1920er-Jahren Aufsehen erregten und heute zum Weltkulturerbe der Unesco gehören.

„Früher kamen vor allem Israelis nach Deutschland, deren Familien aus Deutschland stammten“, sagt Beker. Und natürlich hat er auch Stadtführungen zur wechselvollen deutschen Geschichte, die man in Berlin bis heute wie in einem Buch lesen kann, im Programm. „Heute ist es unglaublich populär nach Deutschland zu fliegen, es ist wie eine Mode!“ Avihai Beker lebt eigentlich in Tel Aviv. Aber seit einigen Jahren verbringt der Journalist zusammengenommen vier bis fünf Monate im Jahr in der deutschen Hauptstadt und bietet seine individuell ausgearbeiteten Stadtführungen der besonderen Art für Touristen aus Israel an. „Ich bin immer ausgebucht“, stellt er fest. „Berlin ist für israelische Touristen inzwischen ein Muss.“

Deutschland ist als Urlaubsland bei internationalen Touristen derzeit ohenhin so beliebt wie noch nie. Sportliche und kulturelle Großereignisse oder touristische Highlights wie das Münchener Oktoberfest ziehen Gäste aus aller Welt an und sorgen für ein gutes Image. In Israel zählt Deutschland zu den beliebtesten Reisezielen in Europa – nach Frankreich, Italien und Griechenland belegt es Platz vier der Rangliste. Die Zahl der Übernachtungen israelischer Reisender ist von 2002 bis 2011 um bemerkenswerte 91,6 Prozent gestiegen. Berlin steht an erster Stelle der „must-sees“, doch auch München, Frankfurt am Main, Düsseldorf oder Köln erfreuen sich bei den Gästen aus Israel immer größerer Beliebtheit. „Über das Reiseverhalten der israelischen Gäste sind wir durch unser Büro in Tel Aviv und darüber hinaus durch die Studien World Travel Monitor und IPK Internationale sehr genau informiert“, sagt die Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Zentrale für Tourismus, Petra Hedorfer. Demnach waren 2010 knapp 70 Prozent der israelischen Besucher Urlauber. 20 Prozent reisten aus beruflichen Gründen nach Deutschland und 11 Prozent besuchten Freunde und Verwandte. Der Großteil der Gäste aus Israel, etwa 66 Prozent übernachtete im Hotel, im Durchschnitt blieben sie acht Tage in Deutschland.

Gerade 2012 sei das Interesse israelischer Besucher an seiner Wahlheimat München enorm groß, stellt Stadtführer Chaim Eytan fest. „Die vielen Festivals in München, das Hofbräuhaus, der Englische Garten, aber auch die vielen Unternehmen in der Region bringen immer mehr Menschen aus Israel in die Stadt.“ Seit vielen Jahren führt Eytan israelische Reisegruppen durch die bayerische Hauptstadt.

„Natürlich ist das ehemalige Konzentrationslager Dachau für jüdische Besucher ein wichtiger Ort“, betont er. Viele wollen die Orte der nationalsozialistischen Geschichte sehen, suchen Plätze auf, die von der Zerstörung jüdischen Lebens zeugen, wie den Standort der ehemaligen Hauptsynagoge am Karlstor. Aber auch das aktuelle jüdische Leben in der Stadt, das neue Gemeindezentrum am Jakobsplatz, mit Synagoge, Museum und koscherem Restaurant ist Teil der Stadtführungen. Von München aus gibt es viel zu entdecken: Die oberbayerische Seenlandschaft und die Märchenschlösser Ludwigs des Zweiten ziehen israelische Touristen ebenso an wie die Romantische Straße oder ein Tagesausflug ins benachbarte Österreich, nach Salzburg oder Innsbruck. „Besonders die jungen Israelis sind fasziniert vom Skifahren“, erzählt Eytan. „Viele kommen während der Wintermonate nach Deutschland, mieten sich in München ein Auto, fahren in die Berge und hängen zum Abschluss noch eine Woche Stadttour an.“