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Zum ersten Mal mitbestimmen

Für rund drei Millionen junge Deutsche ist die Bundestagswahl eine Premiere – erstmals dürfen sie ihre Stimme abgeben. Drei erzählen, was sie bewegt.

29.08.2017
Erstwähler
© dpa

„Steht für eure Überzeugungen ein“
Caya Unger, 19 Jahre, Studentin

„Für mich ist es etwas Besonderes, bei der Bundestagswahl meine Stimme abgeben zu dürfen. Ich bin in der Demokratie aufgewachsen, aber ich weiß, dass sie nicht selbstverständlich ist. Wenn jemand sein Wahlrecht nicht nutzt, ärgert mich das. Ich lasse mich dann gerne auf eine Diskussion ein.

Wer meine Erststimme bekommt, weiß ich schon. Trotzdem gehe ich demnächst noch mal zu einem Podiumsgespräch mit den Kandidaten aus meinem Wahlkreis – vielleicht bestärkt mich das in meiner Entscheidung. Mir ist wichtig, dass Abgeordnete in ihrem Leben ein bisschen herumgekommen sind und verschiedene Perspektiven kennengelernt haben. Außerdem sollten sie für ihre Überzeugungen einstehen. Bei einigen habe ich leider den Eindruck, dass sie nicht anecken wollen, um keine Wähler zu verlieren.

Welcher Partei ich meine Zweitstimme gebe, darüber denke ich noch nach. Als Medizinstudentin ist mir das Thema Bildung wichtig – und alles, was mit Gesundheit zu tun hat. Auch Umweltfragen spielen für mich eine Rolle. Der Ausstieg aus der Atomenergie zum Beispiel war meiner Ansicht nach richtig.“

Ich bin mir der Verantwortung bewusst, die man als Wähler hat.
Julian Neugebauer

„Nehmt euch die Zukunftsthemen vor“
Julian Neugebauer, 19 Jahre, Student

„Viele meiner Freunde und Bekannten beschäftigen sich gerne mit Politik – an der Uni diskutieren wir oft über aktuelle Themen. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat das noch mal verstärkt. Obwohl die meisten jungen Leute politisch interessiert sind, gibt es eine gewisse Frustration.

Julian Neugebauer
Julian Neugebauer © Privat

Das liegt meiner Meinung nach daran, dass die Schnittmengen der Parteien zu groß sind und dass sie sich nur selten und oberflächlich mit echten Zukunftsthemen beschäftigen. Der Philosoph Richard David Precht hat dafür kürzlich den Begriff ‚Retropie‘ benutzt – das fand ich sehr passend: Viele Politiker scheinen zurück in die Vergangenheit zu wollen. Die Autobahnmaut zum Beispiel kann doch kein wahlentscheidendes Thema sein! Viel dringender brauchen wir Antworten auf die Frage, wie wir die Veränderungen der Arbeitswelt und des Sozialstaats durch die Digitalisierung meistern. Dass Parteien diese Themen nicht wirklich bearbeiten, macht es schwer, ihnen zu vertrauen. Deshalb weiß ich auch noch nicht, wen ich wählen werde.

Natürlich gebe ich trotzdem meine Stimme ab. Als politisch interessierter Mensch bin ich mir der Verantwortung bewusst, die man als Wähler hat. Früher, mit 16 oder 17, konnte man alle Parteien leicht kritisieren. Jetzt muss man Kompromisse machen und sich festlegen. Ich gebe zu: Bei mir wird es vermutlich eine Bauchentscheidung am Wahltag.“

„Investiert mehr in die Schulen“
Philip Ov, 18 Jahre, Schüler

„Wen ich wähle, weiß ich noch nicht. Ich informiere mich im Moment vor allem im Internet und gucke mir die Webseiten der Parteien an. In den sozialen Medien begegnen mir selten interessante Beiträge der Parteien – diese Netzwerke sind für viele Politiker wohl noch neu.

Philip Ov
Philip Ov © Privat

Bei den Themen steht für mich Bildung an erster Stelle. Viele Schulen sind nicht gut genug ausgestattet. Auch an meiner Schule fehlt oft Material für Fächer wie Chemie oder Physik, so dass die Praxis manchmal zu kurz kommt. Trotzdem überlege ich, nach dem Abitur etwas Naturwissenschaftliches zu studieren.

Dass ich im September mitentscheiden darf, ist mir wichtig. Wählen zu dürfen bedeutet, Verantwortung zu haben. Auch meine Stimme kann etwas verändern – zumindest ein kleines bisschen.“

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