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Frühes Engagement für den Austausch

Etabliertes Forum: Das Deutsch-Russische Jugendparlament tagte in Moskau bereits zum elften Mal.

Оливер Бильгер, 13.01.2016

Wie funktioniert parlamentarische Meinungsbildung? Welche Einflussmöglichkeiten haben Abgeordnete auf gesellschaftliche Fragestellungen? Das Wesen des Parlamentarismus besser zu verstehen ist ein Ziel des Deutsch-Russischen Jugendparlaments. Seit neun Jahren existiert das Format, ins Leben gerufen wurde es von der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch (DRJA). Es geht darum, das parlamentarische System Deutschlands und Russlands zu erkunden und während eines Planspiels selbst in die Rolle eines Abgeordneten zu schlüpfen. Im November 2015 traf sich das 11. Jugendparlament in Moskau. 50 Teilnehmer aus beiden Ländern kamen zusammen, um das Thema Jugendbeteiligung zu diskutieren.

In Moskau könne sie „die Theorie in die Praxis umsetzen“, erzählte Julia Pfeiffer, die in Deutschland Europastudien mit Schwerpunkt Ost- und Mitteleuropa studiert. Außerdem wolle sie verstehen, „wie Russland funktioniert“, begründet die 20-Jährige, weshalb sie sich um die Teilnahme an der Veranstaltung beworben hatte. Es ist nicht ihre erste Reise nach Russland. Zuvor hat sie einen Jugendaustausch in die Wolgastadt Samara mitorganisiert. So wie sie sind auch andere Teilnehmer auf verschiedene Weise engagiert. Alice Schmidt zum Beispiel, die in Frankfurt Friedens- und Konfliktforschung studiert und auch politisch aktiv ist, findet, dass Russland in deutschen Medienberichten oft negativ dargestellt werde. Sie wollte deswegen vor Ort einen Einblick bekommen und sich „direkt mit den Menschen austauschen“.

Das ist ein weiterer Ansatz, den die Organisatoren verfolgen: Es geht darum, den Austausch von Jugendlichen zu fördern. „Dialog und Begegnung sind heute wichtiger als zuvor“, sagt Thomas Hoffmann, Geschäftsführer der Stiftung DRJA. Dass die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland seit der Ukraine-Krise belastet sind, macht sich auch beim Jugendparlament bemerkbar. Nicht bei den Bewerberzahlen, wie Hoffmann versichert, die hätten sich in den vergangenen Jahren nicht verändert. Doch sei die Atmosphäre eine andere: Die Teilnehmer gingen heute vorsichtiger miteinander um, erklärt Hoffmann. Früher sei es offener gewesen, heute brauche man einen etwas längeren Anlauf, um das Eis zu brechen. An den unveränderten Bewerberzahlen hingegen lasse sich ablesen, wie groß das Interesse an der Politik und am Alltag des jeweiligen anderen Landes nach wie vor sei. „Die Freundschaft zwischen Deutschland und Russland ist ein fester Pfeiler im Haus Europa“, so Hoffmann.

Auch Michail Schwydkoi, außerordentlicher Vertreter des russischen Präsidenten für internationale kulturelle Zusammenarbeit, lobte die „sehr tiefen Beziehungen zwischen Deutschen und Russen“, die sich über Jahrhunderte entwickelt haben. „An Ihnen liegt es“, gab er den Jugendparlamentariern mit auf den Weg, „wie die Beziehungen in Zukunft aussehen werden.“ Und der Duma-Abgeordnete Ilja Kostunow ermunterte: „Bauen Sie ihre Kontakte auf.“ Er glaubt an eine „große gemeinsame Zukunft“ beider Länder.

Die meisten der Teilnehmer waren bereits im Vorjahr beim Jugendparlament dabei, kannten den Ablauf der Simulation bereits: Fraktionen und Ausschüsse bilden, beraten, debattieren, koalieren. Mehrheiten für die eigene Meinung finden. Früher hieß die Veranstaltung Schüler- und Jugendparlament, doch hat man inzwischen das Mindestalter auf 18 Jahre heraufgesetzt.

Früher habe es einen gewissen Druck gegeben, Ergebnisse zu produzieren, berichtet Thomas Hoffmann. Das galt insbesondere, als das Jugendparlament noch parallel zu den deutsch-russischen Regierungskonsultationen und dem Petersburger Dialog tagte. Dabei solle eigentlich die Diskussion im Vordergrund stehen, inklusive möglicher Meinungsverschiedenheiten. Kontroverse Debatten seien aber nicht immer möglich gewesen. Das Ziel sei nicht politische Relevanz, sondern zivilgesellschaftlicher Austausch. „Das Jugendparlament ist ein Instrument für die Auseinandersetzung miteinander“, sagt Hoffmann. ▪