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Ein ganz besonderes Paar

Was Deutschland und Frankreich verbindet – und warum die Partner manchmal absolut nicht verstehen, was im Nachbarland gerade passiert.

05.02.2018
Fahnen von Deutschland und Frankreich
© dpa

Auch die beste Freundschaft braucht neue Impulse. 55 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags wollen Deutschland und Frankreich diese Erklärung der Aussöhnung und Freundschaft erneuern. Anlass für ein Gespräch mit Miriam Hartlapp. Sie leitet den Arbeitsbereich Deutschland und Frankreich im Vergleich an der Freien Universität Berlin.

Frau Hartlapp, würden Sie sagen, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich heute so gut sind wie nie zuvor?

Das ist schwer zu beurteilen. In jedem Fall gibt es im Moment auf beiden Seiten großes Interesse an Regierung und Politik des jeweils anderen Landes. Das liegt zum einen daran, dass sich die Aufmerksamkeit durch den Brexit noch stärker auf das deutsch-französische Tandem in der EU richtet. Und es hat viel damit zu tun, dass beide Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Miriam Hartlapp leitet den Arbeitsbereich Deutschland und Frankreich im Vergleich an der Freien Universität Berlin.
Miriam Hartlapp leitet den Arbeitsbereich Deutschland und Frankreich im Vergleich an der Freien Universität Berlin. © privat

Welche sind das?

Es sind Herausforderungen an moderne Demokratien, etwa das Erstarken des Rechtspopulismus und die Kritik an der Politik, sie sei zu weit weg von den Bürgern. Diese Herausforderungen werden in beiden Ländern zunehmend wahrgenommen und natürlich gucken die politischen Verantwortlichen gerne, welche Antworten das jeweilige Partnerland darauf gibt.

Dieser Vertrag der Aussöhnung ist nicht einfach irgendwann abgearbeitet.
Miriam Hartlapp forscht zu Deutschland und Frankreich

Trotzdem gibt es auch Unterschiede, etwa im politischen System. Für Deutsche ist es ungewöhnlich, dass jemand Regierungschef wird, der keiner klassischen Partei angehört, wie Emmanuel Macron.

Das Parteiensystem in Frankreich ist tatsächlich ganz anders als in Deutschland, viel fluider. Immer wieder gibt es Neugründungen von Parteien, auch um einzelne Personen herum. Die Wahlsysteme unterscheiden sich ebenfalls stark. Das Mehrheitswahlrecht in Frankreich hat jüngst zum Beispiel dazu geführt, dass der Front National trotz eines Stimmenanteils von fast 34 Prozent im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen nur acht Abgeordnete in der Nationalversammlung stellt. In Deutschland bekam die AfD bei der Bundestagswahl 12,6 Prozent und hat 94 Sitze im Parlament.

Wie sieht man in Frankreich die langwierigen Koalitionsverhandlungen in Deutschland?

Ich hatte in den letzten Wochen große Mühe, meinen französischen Kollegen zu erklären, was bei uns in Deutschland gerade passiert. Das kennen sie aus ihrem politischen System nicht. Und es bestehen weitere Unterschiede: Auch die gesellschaftliche Interessenvertretung im Bereich Sozialpolitik funktioniert ganz anders. Es gibt unterschiedliche Arten, mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden Politik zu gestalten. In Frankreich ist das viel konfliktreicher, es existieren deutlich mehr Gewerkschaften mit verschiedenen Positionen.

Deutschland und Frankreich haben Anfang 2018 beschlossen, eine Art „neuen Élysée-Vertrag“ aufzusetzen. Welche Bedeutung hat das?

Der Élysée-Vertrag hat große historische Bedeutung. Jedes Signal, ihn zu erneuern und zu bekräftigen, zeigt, dass dieser Vertrag der Aussöhnung nicht einfach irgendwann abgearbeitet ist. Er ist Bestandteil unseres politischen und gesellschaftlichen Lebens.

Der Gedanke war: ‚Wenn wir es mit der Aussöhnung ernst meinen, müssen wir künftige Generationen einbinden.‘
Miriam Hartlapp forscht zu Deutschland und Frankreich

Welche Schwerpunkte wird der neue Vertrag setzen?

Der Vorschlag wurde stark von den Parlamenten vorangetrieben – man will also auch auf parlamentarischer Ebene einen intensiveren Austausch schaffen. Der zweite wichtige Teil ist die Absprache von gemeinsamen Positionen in der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik. Insbesondere Frankreich hat sehr großes Interesse daran – für Deutschland ist es aufgrund der Historie und einer anderen Einstellung der Bevölkerung gegenüber Militäreinsätzen schwieriger. Der dritte Teil sind Erziehungs- und Jugendfragen, etwa zur Arbeit des Deutsch-Französischen Jugendwerks. Außerdem soll die wirtschaftliche Kooperation in den Grenzregionen stärker betont werden: Man will über gemeinsame Infrastrukturprojekte nachdenken und ganz konkret bei Bildung und Gesundheit zusammenarbeiten. Außerdem geht es um den deutsch-französischen Wirtschaftsraum, also den europäischen Binnenmarkt im Kleinen. Er soll weiter vertieft werden, Unternehmens-, Steuer- und Insolvenzrecht sollen angeglichen werden.

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Vor welchen Herausforderungen stehen die Partner bei ihrer künftigen Zusammenarbeit?

Sie müssen nachhaltig vermitteln, dass das europäische Projekt sich nicht nur an soziale und wirtschaftliche Eliten richtet. Beide Regierungen haben in den jüngsten Wahlen gesehen, dass hier ein Grundproblem liegt und dass sie Politik für alle machen müssen. Ich bin sehr gespannt, wie sie das umsetzen.

Ist Ihr Eindruck, dass die politische Verbundenheit der beiden Länder auch auf der zivilgesellschaftlichen Ebene gelebt wird?

Das war im Élysée-Vertrag strategisch klug angelegt. Der Gedanke der Partner war: ‚Wenn wir es mit der Versöhnung ernst meinen, müssen wir jene Generationen einbinden, die in Zukunft die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit tragen sollen. Wir müssen ihnen ermöglichen, die Sprache des anderen zu lernen und ein Verständnis dafür zu erwerben, wie im jeweils anderen Land gelebt und gedacht wird.‘ Dieser Impuls ist da – im Élysée-Vertrag stärker als in anderen internationalen Verträgen – und es gibt einen Wunsch danach, ihn weiter zu stärken.

Interview: Helen Sibum

Arbeitsbereich Deutschland und Frankreich im Vergleich an der FU Berlin

© www.deutschland.de