Eine Grenze in Auflösung
Deutsch-polnische Kooperation zum Schutz der Menschen – für Polizei und Sanitäter zählt die Hilfe und nicht die Staatsgrenze.
Die Staatsgrenze zwischen Polen und Deutschland löst sich in mancherlei Hinsicht immer mehr auf, je näher man ihr kommt. Das Zusammenleben der Menschen kennt vielerorts keine Grenze mehr, so wie die Zusammenarbeit der Behörden mit dem offiziellen Wort grenzüberschreitend sehr gut beschrieben ist. Beispiel dafür ist nicht nur die Kooperation der kommunalen Verwaltungen in Zwillingsstädten wie Görlitz und Zgorzelec, Guben und Gubin oder Frankfurt/Oder und Slubice.
Wir werfen einen Blick auf Kooperationen im Bereich Sicherheit und Rettungswesen:
Polizei
Fernsehkrimis haben manchmal doch einiges mit der Realität zu tun. So im Fall der ARD-Serie „Polizeiruf 110“ in der die deutsche Kommissarin Olga Lenski (gespielt von Maria Simon) viele Jahre gemeinsam mit ihrem polnischen Kollegen Adam Raczek im Grenzgebiet ermittelte. Raczek wurde von Lucas Gregorowicz gespielt, der in London als Kind polnischer Eltern geboren wurde und in Deutschland und Polen aufgewachsen ist. In der polizeilichen Realität sind die Fälle sicher nicht so spektakulär wie im TV, die Zusammenarbeit ist aber ähnlich intensiv.
Sie reicht von gemeinsamen deutsch-polnischen Polizeistreifen im Grenzgebiet, die es seit den 1990er-Jahren gibt, über gemeinsame Fortbildungen bis zu gemeinsamer Ermittlungsarbeit. In Guben und Gubin wurden nach einer Corona-Pause im Jahr 2022 die gemeinsamen Streifen des GPT (Gemeinsames deutsch-polnisches Polizeiteam in Guben/Gubin) wieder aufgenommen – mit so großer Akzeptanz bei der Bevölkerung, dass eine Ausweitung des Projekts auf Frankfurt/Slubice geprüft werde, sagte der Beauftragte für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Polizeidirektor Ulf Buschmann.
Genauso intensiv ist die Arbeit im „Gemeinsamen Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit“ im polnischen Swiecko, das vor 15 Jahren, im Dezember 2017, seine Arbeit aufnahm. Mehr als 60 Beamtinnen und Beamte arbeiten im Gemeinsamen Zentrum.
Rettungswesen
Lange Zeit haben Rettungssanitäter auf beiden Seiten der Grenze absichtlich gegen Recht und Gesetz verstoßen. Dann, wenn dringende Notfälle erforderten, das nächstgelegene Krankenhaus anzusteuern – und dieses auf der anderen Seite der Grenze lag. Verfolgt hat diese Verstöße im Namen der Menschlichkeit natürlich niemand, aber ein Ruhmesblatt der deutsch-polnischen Zusammenarbeit waren sie auch nicht – auch da waren sich beide Seiten einig. Rechtlich gesehen konnten Notfälle zwar erstversorgt werden, mussten aber bei Grenzübertritt von den jeweils einheimischen Rettungskräften übernommen werden. Das hatte ganz handfeste Gründe, versicherungstechnische etwa, wer bei eventuellen Unfällen des Rettungsfahrzeugs bezahlt, oder ob Sirene und Blaulicht auch bei Rettungswagen aus dem anderen Land beachtet werden müssen. Welche Krankenversicherung zahlt bei einem Einsatz, der im Inland beginnt und im Ausland endet? Welche Befugnisse haben Rettungssanitäter – in Polen zum Beispiel dürfen sie Dinge tun, die in Deutschland Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sind. Und schließlich: Wie verständigen sich Patient und Retter?
Seit einem ersten Pilotprojekt 2019 in Guben/Gubin hat sich sehr viel getan. So regelt seit 2021 eine weitere Vereinbarung zwischen Brandenburg und Polen die Haftungsfragen und Sonderrechte beim Transport von Notfallpatienten über die Grenze hinweg. Der brandenburgische Gesundheitsstaatssekretär Michael Ranft sagte damals: „Längst leben und arbeiten Menschen ganz selbstverständlich über die deutsch-polnische Grenze hinweg. Ich bin froh, dass diese Selbstverständlichkeit nun auch formal im Rettungsdienst möglich ist.“
Feuerwehr
Ende September kreisten gleich acht Löschflugzeuge über die trockenen Wälder bei Rzepin in der Woiwodschaft Rzepin. Das Feuer am Boden war allerdings schnell gelöscht, gleich 150 Feuerwehrleute waren dort zugange und der Band war nicht gerade groß. Die Feuerwehrleute aus Deutschland und Polen hatten sich zu einer Übung mit Löschflugzeug getroffen. „Schadenslagen stoppen nicht an Landesgrenzen. Deshalb ist es wichtig, dass man grenzübergreifend trainiert,“ sagte Sebastian Kalka, Brandenburgs Koordinator der deutsch-polnischen Feuerwehrkooperation in einem Radiointerview.
Neben praktischem Training stand im Zentrum der Übung Koordinierungs- und Stabsarbeit der deutsch-polnischen Wehren. „Die Einsatzprozedur ist manchmal ganz anders: Die Einsatzführung ist anders, aber auch das Denken“, erklärte Zigfryd Zandecki von der Woiwodschaftskommandatur der polnischen Staatsfeuerwehr dem Sender. Und er war zufrieden. „Die deutsche Ordnung und die polnische Fantasie funktionieren gut zusammen.“ Was so charmant klingt, hat einen ernsten Hintergrund, denn bei Bränden mit katastrophalen Ausmaßen können beide Seiten gut Hilfe gebrauchen – und die will geübt sein. Deswegen üben brandenburgische und polnische Wehren seit 2007 zusammen, besuchen sich und veranstalten Sommercamps für die Jugendfeuerwehr.
Technisches Hilfswerk
Naturkatastrophen rufen in Deutschland das Technische Hilfswerk (THW) auf den Plan. Seit 1950 ist das THW die Organisation des Bundes für den Zivil- und Katastrophenschutz. Hauptamtliche und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer mit der entsprechenden Ausrüstung werden bei Fluten und Hochwassern ebenso eingesetzt wie bei Waldbränden oder wenn es gilt, Verschüttete zu bergen. Dabei hilft das THW auf Anforderung auch im Ausland, etwa bei der Suche nach Opfern von Erdbeben mit Geräten und Spürhunden. Gerade im Katstrophenfall spielen Grenze keine Rolle. Deswegen sind laut THW „die regelmäßig stattfindenden internationalen Übungen für den grenzüberschreitenden Katastrophenschutz besonders wichtig“. Ziel ist dabei vor allem die Zusammenarbeit zu schulen. „Die Einsatzkräfte auf allen Seiten lernen viel über die Arbeitsweise der jeweils anderen Teilnehmenden“, heißt es bei THW.