„Uns verbindet mehr als die Wirtschaft“
Bildung, Jugend, Kultur: Bettina Trueb von der EU-LAC-Stiftung erklärt, wie die Einrichtung die Beziehungen zwischen EU und Lateinamerika stärkt.

Frau Trueb, vor knapp drei Jahren hat die EU-Lateinamerika-Karbik-Stiftung (EU-LAC) in Hamburg ihre Arbeit aufgenommen. Was ist seitdem passiert?
Im November 2011 haben wir praktisch bei Null begonnen. Wir haben uns zunächst grundsätzlich Gedanken darüber gemacht, wo unser Platz in der biregionalen Partnerschaft ist und welchen Beitrag wir als Stiftung leisten können. Diese Phase hat etwa zwei Jahre gedauert. Inzwischen konsolidiert sich unser Programm und wir arbeiten auf den nächsten biregionalen Gipfel im Juni 2015 in Brüssel hin.
In welchen Bereichen engagiert sich die EU-LAC Stiftung?
Wir haben vier Arbeitsprogramme entwickelt. Da ist zum einen „Explora – Forschung und neue Entwicklungen“. Hier geben wir Studien in Auftrag und binden die akademische Gemeinschaft in Debatten über die biregionalen Beziehungen ein. Im Programm „Comunica – Kommunikation und Kultur“ geht es darum, Öffentlichkeit für die Arbeit der Stiftung und die biregionalen Beziehungen insgesamt zu schaffen. „Conecta – Vernetzung“ soll Bestehendes bündeln und neue Netzwerke beispielsweise im Bereich Jugend aufbauen. Wir wollen Akteure aus Zivilgesellschaft, Politik, Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft und Kultur zusammenbringen. Das vierte Programm – „Emprende“ – richtet sich vor allem an kleine und mittelständische Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks, die wir in Kontakt bringen möchten. Häufig fehlt den Verantwortlichen das Wissen darüber, was sie in der jeweils anderen Region erwartet und welche Instrumente sie nutzen können.
Wie funktioniert die Arbeit in diesen Bereichen konkret?
Wir suchen gezielt neue Wege. Zum Beispiel haben wir 2014 eine Studie über die wirtschaftlichen Potenziale der Zusammenarbeit zwischen osteuropäischen Ländern und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik herausgegeben. Die östlichen EU-Staaten haben bisher nur wenig Kontakt mit lateinamerikanischen Ländern, da sie sich traditionell auf Nachbarländer wie Russland oder auf den Kaukasus konzentrieren. Mit unserer Studie wollen wir sie ermuntern, die Vorteile der biregionalen Partnerschaft für sich zu nutzen und eine aktive Rolle in den diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu spielen.
Gibt es Partnerländer – wie die Mercosur-Staaten oder die Mitglieder der Pazifik-Allianz –, mit denen die Stiftung mehr zu tun hat als mit anderen?
Einen Fokus auf bestimmte Länder und Regionen versuchen wir zu vermeiden. Unser Ziel ist es, auch jene Staaten einzubinden, die sich sonst nicht so aktiv in die Partnerschaft einbringen. Das sind auf der einen Seite die östlichen Staaten der Europäischen Union wie Polen, Ungarn oder die Tschechische Republik. Auf der anderen Seite versuchen wir, einen Schwerpunkt bei den Ländern der Karibik zu setzen. Die meisten dieser Länder haben hier vor Ort keine diplomatischen Vertretungen. Deswegen haben wir sie im Mai im Rahmen der Langen Nacht der Konsulate nach Hamburg gebracht. Wir wollten ihnen die Tür öffnen, damit sie sich präsentieren können.
Die Stiftungsarbeit geht also über wirtschaftliche Bereiche hinaus?
Auf jeden Fall. Die wirtschaftlichen Vorteile etwa durch Freihandelsabkommen sind die offensichtlichsten, aber es gibt viel mehr Themen, in denen die beiden Regionen kooperieren können. Die Entwicklungspolitik beispielsweise wird gerade multilateral völlig neu definiert. Im Jahr 2015 laufen die Millenniumsentwicklungsziele aus. Danach gelten die neuen, sogenannten Nachhaltigen Entwicklungsziele. Da es weniger bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zwischen europäischen und lateinamerikanischen Ländern geben wird, wollen wir gucken, wie die Regionen in Zukunft zusammenarbeiten können. Einige lateinamerikanische Staaten wie Brasilien treten jetzt als Geberländer auf, sodass wir uns Dreieckskooperationen vorstellen können mit je einem Land aus der Karibik, der EU und Lateinamerika.
Welche Rolle spielt Deutschland in der strategischen Partnerschaft?
Durch den Stiftungssitz Hamburg und als einer der größten Geldgeber übernimmt Deutschland eine tragende Rolle. Das gilt auch für das politische Engagement. Deutschland gehört zu den aktiveren Ländern innerhalb der Partnerschaft. Außerdem gibt es historische Verbindungen zu den Ländern Lateinamerikas und der Karibik. Gerade Hamburg hat durch seinen Hafen gewachsene Handelsbeziehungen und viele diplomatische Vertretungen. Das war auch einer der Gründe für die Wahl des Stiftungssitzes.
Wie sehen Ihre Vorbereitungen für den nächsten Gipfel in Brüssel aus?
Wir unterstützen den zweiten europäisch-lateinamerikanischen „Akademischen Gipfel“ sowie einen Business Summit und koordinieren ein biregionales Kinder- und Jugendorchester, das in Brüssel auftreten wird. Im Vorfeld wollen wir noch einige Studien veröffentlichen, zudem haben wir eine Reihe von Seminaren gehalten, um mit verschiedenen Gruppen aus Forschung und Zivilgesellschaft, aber auch mit Regierungsvertretern und anderen über die Zukunft der biregionalen Beziehungen nachzudenken: Wo soll es hingehen? Welche Potenziale gibt es? Die Ergebnisse müssen noch ausgewertet werden. Über mangelnde Arbeit können wir uns nicht beklagen. ▪
Interview: Constanze Bandowski