Zum Hauptinhalt springen

Gemeinsam für den Wiederaufbau

Nach der Erdbebenkatastrophe vom Februar 2023 in der Türkei engagiert sich auch die Wirtschaft in Deutschland für den Wiederaufbau.

Ulrike Scheffer, 14.07.2023
Das Erdbeben im Februar 2023 zerstörte zehntausende Gebäude.
Das Erdbeben im Februar 2023 zerstörte zehntausende Gebäude. © pictureAlliance/dpa

Seit den Erdbeben vom Februar 2023 arbeiten Deutschland und die Türkei eng zusammen, um die Not der Menschen in den Katastrophengebieten zu lindern und die Schäden zu beseitigen. Im Juli organisierten Wirtschaftskammern beider Länder eine Konferenz in Berlin, um die Beteiligung der europäischen Privatwirtschaft am Wiederaufbau in den Erdbebengebieten zu unterstützen. Geplant ist auch eine gemeinsame Bildungsinitiative für junge Menschen aus der Türkei, die von den Beben betroffen sind.

Bundeskanzler Scholz sicherte weitere Unterstützung zu.
Bundeskanzler Scholz sicherte weitere Unterstützung zu. © DIHK/Jens Schicke

Mehr als 58.000 Menschen starben bei den Erdbeben in der Türkei und im benachbarten Syrien. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge dürfte der Wiederaufbau in der Türkei rund 100 Milliarden US-Dollar kosten. Das türkische Wirtschaftsforschungsinstitut TEPAV geht sogar von einem Finanzbedarf von rund 150 Milliarden US-Dollar in den kommenden fünf Jahren aus. Mehr als 300.000 Gebäude wurden bei den Beben zerstört oder schwer beschädigt. Straßen, Schulen, Krankenhäuser müssen neu errichtet werden.

Videobotschaften von Kanzler Scholz und Präsident Erdoğan

„Das Leid und die Zerstörung haben uns ins Herz getroffen“, so Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Videobotschaft für die Berliner Konferenz. Er sagte der Türkei langfristige Hilfe zu. Angesichts der Herausforderungen reichten öffentliche Hilfsfonds aber nicht aus. „Dafür braucht es Unternehmen, die sich engagieren“, sagte der Bundeskanzler. Der türkische Präsident Recep Tayyib Erdoğan, der ebenfalls mit einer Videobotschaft zugeschaltet war, appellierte an die Teilnehmenden: „Ich hoffe, dass wir diese Aufgabe mit Unterstützung von Ihnen, unseren Freunden, bewältigen werden.“

Videobotschaft des türkischen Präsidenten Recep Tayyib Erdoğan
Videobotschaft des türkischen Präsidenten Recep Tayyib Erdoğan © DIHK/Jens Schicke

Deutschland hat die Türkei von Beginn an bei der Überwindung der Krise unterstützt und bisher 125 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Deutsche Hilfsorganisationen entsandten Rettungsteams, um Verschüttete aus den Trümmern ihrer Häuser zu befreien, und leisteten Katastrophenhilfe.

Besonders aktiv waren in den Tagen und Wochen nach den Beben Deutsche mit türkischen Wurzeln und türkische Staatsbürger, die in Deutschland leben. Sie sammelten Sachspenden und organisierten Arbeitseinsätze in den Erdbebengebieten. Viele von ihnen holten Angehörige aus der Katastrophenregion nach Deutschland. Die Bundesregierung führte dafür ein vereinfachtes Visumverfahren ein.

Pinar Ersoy sprach über das Engagement deutscher Unternehmen.
Pinar Ersoy sprach über das Engagement deutscher Unternehmen. © DIHK/Jens Schicke

Auch deutsche Unternehmen in der Türkei hätten sich nach den Beben solidarisch gezeigt, sagte in Berlin Pinar Ersoy, die Präsidentin der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer. „Viele unserer Mitglieder haben sich an Hilfseinsätzen beteiligt oder spontan Geld gespendet.“ Insgesamt seien 11 Millionen Euro von den deutschen Unternehmen in der Türkei aufgebracht worden.

Weitreichendes Engagement für den Wiederaufbau

Die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen sind traditionell eng und haben sich auch in Zeiten politischer Spannungen zwischen beiden Staaten als krisenfest erwiesen. Mehr als 7.000 deutsche Unternehmen unterhalten Vertretungen in der Türkei; viele arbeiten am Wiederaufbau mit. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt das Engagement unter anderem mit Fördermaßnahmen insbesondere für nachhaltige und klimafreundliche Investitionen, etwa für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Priorität beim Wiederaufbau hat zunächst der Hausbau, denn rund zwei Millionen Menschen in der Erdbebenregion leben derzeit noch in Notunterkünften. Präsident Erdoğan kündigte an, innerhalb eines Jahres sollten mehr als 300.000 Häuser errichtet werden. Die ersten könnten Ende des Jahres an Erdbebenopfer übergeben werden. In den Katastrophengebieten befinden sich außerdem wichtige Standorte für die türkische Industrie und die Tourismuswirtschaft. Auch hier sind Investitionen erforderlich. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer der stark zerstörten Großstadt Kahramanmaraş, Mustafa Buluntu, wies in Berlin darauf hin, dass 95 Prozent der Fabriken im Einzugsgebiet der Stadt noch nicht wieder arbeitsfähig und mehr als 2.500 kleine Handwerksbetriebe zerstört worden seien.

Angesichts der Herausforderungen wollen die Wirtschaftskammern ihre Kooperation weiter vertiefen. Der deutsch-türkischen Wiederaufbaukonferenz in Berlin werden weitere folgen. Die nächste Veranstaltung soll 2024 in der Türkei stattfinden, für 2025 ist eine dritte Konferenz in Brüssel geplant.