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Hoffnung auf ein sicheres Leben

Deutschland engagiert sich für syrische Flüchtlinge: mit Unterstützung in der Region und mit der Aufnahme von Asylsuchenden.

23.10.2014
© picture-alliance/dpa - Syrien Flüchtlinge

Am Anfang standen noch Kameras auf dem Flughafen. Als am 11. September 2013 die ersten 107 syrischen Flüchtlinge in Hannover deutschen und damit sicheren Boden betraten, wurden sie vom Bundesinnenminister und Journalisten begrüßt. Im Frühjahr 2013 hatte Deutschland beschlossen, 5000 syrische Flüchtlinge aus dem Libanon auszufliegen und für zunächst zwei Jahre aufzunehmen. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR der Vereinten Nationen traf die Auswahl und sorgte dafür, dass vor allem Menschen mit kleinen Kindern, alleinstehende Frauen, Kranke und Angehörige religiöser Minderheiten nach Deutschland kommen konnten.

Heute ist die Ankunft von Menschen aus Syrien in Deutschland beinahe Normalität geworden. Denn mit rund 190.000 Toten, drei Millionen Binnenvertriebenen und rund 6,5 Millionen Flüchtlingen in den Nachbarländern Syriens stellt der seit drei Jahren andauernde Bürgerkrieg eine der größten humanitären Krisen dar. Die Lage hat sich durch das Vordringen der Terrororganisation ISIS noch dramatisch verschlechtert. Im Sommer 2014 entschieden Bund und Länder daher insgesamt 20.000 Flüchtlingen die Einreise zu ermöglichen. Hinzu kommen rund 5000 bis 7000 Plätze, die von den Bundesländern im Rahmen eigener Aufnahmeprogramme zur Verfügung gestellt wurden.

Kommen wollen jedoch weit mehr Menschen. Von Monat zu Monat machen sich weitere Flüchtlinge auf eigene Faust auf den oft lebensgefährlichen Weg nach Deutschland. Allein im August 2014 stellten fast 3500 syrische Flüchtlinge einen Asylantrag in Deutschland. Insgesamt – diese Zahl bezieht sich allerdings nicht nur auf syrische Staatsangehörige – rechnet das Bundesinnenministerium 2014 mit 200.000 Asylanträgen. Das wären 70.000 mehr als 2013 und bald zehn Mal so viele wie 2008. Von Hamburg im Norden bis Garmisch im Süden wurden provisorische Erstaufnahmestellen eingerichtet; in Schulen und Turnhallen, in Zelten und auf Schiffen. Bei seiner jüngsten Sitzung im September forderte der Deutsche Städtetag zur Unterstützung der Kommunen ein Sofortprogramm von Bund und Ländern.

Auch wenn manche Nichtregierungsorganisationen mehr Einsatz fordern: Innerhalb Europas nimmt Deutschland mit Abstand die meisten Flüchtlinge auf. Hans ten Feld, UNHCR-Vertreter in Deutschland, würdigte die Maßnahmen als einen „weiteren starken Beleg für die führende Rolle Deutschlands bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge außerhalb der Konfliktregion“. Allein mit den 20.000 Aufnahmeplätzen des Bundes würden in Europa mehr als zwei Drittel der bislang bereitgestellten Kontingente für syrische Flüchtlinge auf Deutschland entfallen. Nach Angaben des UNHCR haben nur Österreich, Schweden und Norwegen Kontingente mit mehr als 1000 Plätzen bereitgestellt.

Deutschland engagiert sich auch in der Region: So hat die deutsche Förderbank KfW einen Wiederaufbaufonds eingerichtet – den Syria Recovery Trust Fund. Ziel ist es, die Versorgung der Menschen in dem Bürgerkriegsland mit Wasser, Energie und Gesundheitsdiensten zu verbessern und den Wiederaufbau nach Ende des Konflikts zu finanzieren. Das deutsche Auswärtige Amt und das Außenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate haben den Syria Recovery Trust Fund gemeinsam in Auftrag gegeben. Bis August 2014 kamen in dem Fonds 85 Millionen Euro zusammen, 18 Millionen steuert Deutschland bei.

Unterstützung gibt es auch für die Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, deren Mitgliedsorganisation Syrischer Roter Halbmond als einzige Hilfsorganisation noch Zugang zu der Bevölkerung in allen Landesteilen hat. Auf Anfrage der Opposition erklärte die Bundesregierung im September 2014, dass seit 2011 bislang insgesamt mehr als 440 Millionen Euro in Syrien und in den Nachbarländern bereitgestellt worden seien.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sicherte seinem Amtskollegen Gibran Bassil bei seinem jüngsten Besuch im Libanon zudem zu, möglichst „mehr Staaten zu überzeugen, Flüchtlinge aufzunehmen.“ Die Lage der Menschen, erkläre Steinmeier, mahne, „an einer politischen Lösung weiterzuarbeiten.“ Konkret sicherte Steinmeier dem Libanon 5 Millionen Euro zusätzliche Unterstützung an humanitärer Hilfe für die Versorgung der Flüchtlinge im Libanon zu und übergab 10 Rettungswagen an das Libanesische Rote Kreuz. Seit Ausbruch der Krise hat die Bundesregierung die humanitäre Hilfe im Libanon mit rund 100 Millionen Euro unterstützt. Auch deutsche Organisationen sind in der Region aktiv: Das Deutsche Rote Kreuz betreibt ein Hospital im Libanon, das Technische Hilfswerk (THW) – die Katastrophenschutzorganisation der Bundesregierung – unterstützt in Jordanien das Kinderhilfswerk UNICEF der Vereinten Nationen. In Flüchtlingsunterkünften sorgen THW-Helfer für sanitäre Anlagen und ein funktionierendes Abwassersystem, um die Gefahr der Ausbreitung von Seuchen einzudämmen.

Bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York Ende September kündigte Außenminister Steinmeier eine für Ende Oktober in Berlin geplante Syrien-Konferenz an. Mehr als 40 Außenminister und Internationale Organisationen werden in den Weltsaal des Auswärtigen Amtes eingeladen. Eins der Ziele der Konferenz ist das internationale Bewusstsein für die Langfristigkeit der Krise zu schärfen und eine politische Zusage für längerfristige humanitäre und zunehmend auch strukturbildende finanzielle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft hervorzubringen. Deutschland werde „seinen Teil tun, ich setze darauf, dass viele andere es uns gleichtun werden“, sagte Steinmeier. ▪

Jeannette Goddar