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Internationaler Tag der Opfer des Verschwindenlassens

In mehr als 80 Ländern sind in den vergangenen Jahren Menschen mit staatlichem Wissen verschwunden. Ein Kurzinterview mit Roksolana Bayko, Expertin für Internationales Recht bei Amnesty International in Deutschland.

25.08.2015
© dpa/Jörg Carstensen - Menschenrechte

Frau Bayko, eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen hat mehr als 50.000 Fälle von „Verschwindenlassen“ dokumentiert und an die Regierungen von 88 Ländern  übergeben. Mit welcher Art von Verbrechen haben wir es zu tun?

Das sogenannte Verschwindenlassen von Menschen ist eine besonders grausame Form staatlicher Willkür. Staatliche oder quasi-staatliche Gruppierungen bringen Menschen in ihre Gewalt. Das wird gegenüber der Öffentlichkeit geleugnet. Angehörige und Freunde der Verschwundenen wissen meist nicht, wo sich die Entführten befinden und ob sie noch leben.

Der Internationale Tag der Verschwundenen erinnert an das Schicksal der Opfer von Verschleppung und das Leid der Angehörigen. Er setzt zudem ein politisches Zeichen. Als Opfer von  Verschwindenlassen wird nach der UN-Konvention nicht nur die verschwundene Person selbst anerkannt, sondern jede Person, die dadurch geschädigt worden ist. Insbesondere nahe Familienangehörige trifft es hart, wenn sie in Ungewissheit über das Schicksal der Verschwundenen keine Ruhe finden.

In Deutschland verschwinden Menschen nicht mit Wissen der Regierung. Warum ist es dennoch so wichtig, dass Deutschland sich gegen dieses Verbrechen engagiert?

Maßnahmen gegen das Verschwindenlassen sind ein wichtiger Beitrag zum Kampf gegen Folter, da Opfer von Verschwindenlassen regelmäßig gefoltert werden. In Deutschland bekommt das Thema vor allem wegen der Ermittlungen nach dem Weltrechtsprinzip Relevanz: Verantwortliche, die sich in Deutschland aufhalten, müssen von deutschen Strafverfolgungsbehörden verfolgt und angeklagt werden können. Aktuelles Beispiel ist der Fall des deutschen Arztes Hartmut Hopp, der als Mitglied der Siedlung Colonia Dignidad in Chile mutmaßlich am Verschwindenlassen und an der Folter zahlreicher Regimekritiker während der Pinochet-Diktatur beteiligt war. Die Staatsanwaltschaft Krefeld ermittelt gegen ihn.

Welche Forderungen stellt Amnesty International? 

Mit der derzeitigen Gesetzeslage ist eine umfassende Strafverfolgung von Tätern in Deutschland nicht möglich. Zum einen ist die Verjährungsdauer zu kurz, zum anderen ist eine Strafverfolgung von Tätern aus dem Ausland, die sich in Deutschland aufhalten, an zu enge Voraussetzungen geknüpft. Eine vollständige Umsetzung der Konvention ist nur dann möglich, wenn ein eigener Straftatbestand des  Verschwindenlassens geschaffen wird. So wird es auch vom  Ausschuss der UN-Konvention gegen Verschwindenlassen empfohlen.

Internationaler Tag der Opfer des Verschwindenlassens am 30. August 2015

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