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Recycling am Rand der Sahara

In Marokko arbeiten Landwirte unter extremen Bedingungen. Wie sie die knappe Ressource Wasser am besten nutzen können, untersucht ein deutsch-marokkanisches Forscherteam.

Katja Hanke, 16.09.2019
Berberdorf in der Dadesschlucht
© dpa

Das deutsch-marokkanische Forschungsprojekt I-WALAMAR erforscht nachhaltige Techniken und Konzepte für die marokkanische Landwirtschaft. Finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung entwickeln Partner aus beiden Ländern innovative Techniken, die nicht nur die Wasserressourcen schonen sollen, sondern auch Umwelt und Böden. Projektleiter Fabian Lindner vom Forschungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft an der RWTH Aachen (FiW) e.V. erklärt, wie die Partner vorgehen.

Herr Lindner, welchen Stellenwert hat die Landwirtschaft in Marokko?

Sie ist einer der größten Wirtschaftszweige des Landes und soll in den nächsten Jahren weiter ausgebaut und intensiviert werden. Das bedeutet, dass sich der Agrarsektor weiter von einer Subsistenzlandwirtschaft hin zu einer exportierenden Landwirtschaft entwickelt, also von vielen einzelnen Bauern in kleinen Strukturen hin zu großen Konzernen, die eine ganz andere Form der Landwirtschaft betreiben.

Zugleich liegt Marokko in einer Region mit begrenzten Wasserressourcen. Dazu kommt, dass die Landwirtschaft durch bestimmte Schadstoffe auch die Umwelt belastet. Auf der einen Seite ist sie also zentral für die Wirtschaft, auf der anderen Seite betreibt Marokko Landwirtschaft in einem extremen Gebiet, wo man an Grenzen stößt.

Was heißt denn extremes Gebiet, welche Grenzen?

Unser Forschungsschwerpunkt ist die Saïss-Hochebene zwischen den Städten Fès und Meknès. Dort wird intensive Landwirtschaft betrieben, die Menschen bauen Oliven an und stellen daraus vor allem Olivenöl her. Doch diese Region liegt am Übergang zur Sahara, hat also nicht viele Wasserressourcen. Die Landwirtschaft verbraucht aber viel Wasser, deshalb sinkt der Grundwasserspiegel massiv. Außerdem entsteht bei der Verarbeitung der Oliven Abwasser, das wegen seiner hohen Konzentration an organischen Stoffen für die Umwelt schädlich ist. Im Kern geht es nun darum, das verschmutzte Wasser und andere landwirtschaftliche Reststoffe so aufzubereiten, dass man damit zum einen wieder die Felder bewässern kann und zum anderen bodenverbessernde Stoffe erzeugt, um Böden fruchtbar zu halten. Auch das kommunale Abwasser wollen wir in diesen kreislaufwirtschaftlichen Ansatz integrieren.

Was erforschen Sie im Rahmen des Projektes?

Wir bearbeiten mehrere Fragestellungen, die man zu drei großen Themen bündeln kann: Das erste ist die Kreislaufführung der lokalen Reststoffe, das bedeutet die Wiederverwendung der Reststoffe aus der Landwirtschaft, aber auch aus der kommunalen Abwasserreinigung. Es soll das Wasser, aber auch der Klärschlamm wiederverwendet werden können. Ein zweiter Punkt sind neue Agrartechniken zur Erhöhung der Fruchtbarkeit des Bodens. Wir haben Partner im Projekt, die aus den Reststoffen Substrate herstellen, die als Humus verwendet werden können. Zusätzlich entwickeln andere Partner landwirtschaftliche Geräte, um die lokalen Reststoffe in den Boden einzuarbeiten. Ein drittes großes Feld ist die Entwicklung wasserwirtschaftlicher Strategien. Wir wollen mit unseren marokkanischen Partnern herausfinden, wo genau die Quellen sind, die zur Belastung des Wassers führen und wie hoch der Grad der Verschmutzung des Wassers ist. Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme sollen Strategien entwickelt werden, die es ermöglichen, das Wasser erst gar nicht zu verschmutzen.

Aus welchen Bereichen kommen die Partner, die an dem Projekt mitarbeiten?

Es sind Forschungsinstitutionen und Unternehmen aus den Bereichen Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, chemische Analytik und Sozialwissenschaft.

Welche Rolle spielt die Sozialwissenschaft?

Die sozialwissenschaftliche Forschung untersucht parallel zur technischen und naturwissenschaftlichen, wie sich die Transformation der Landwirtschaft auf die Menschen auswirkt. Da geht es zum Beispiel um klassische Fragen wie die Land-Stadt-Flucht und darum, wie sich die Strukturen und die Gesellschaft verändern. Außerdem bezieht die sozialwissenschaftliche Begleitforschung die Bevölkerung mit ein und findet heraus: Was sind die Bedarfe? Welche Anforderungen stellen die Menschen, die unsere Ergebnisse später anwenden sollen?

Das Projekt läuft insgesamt drei Jahre. Welche Phasen gibt es in dieser Zeit?

Am Anfang steht eine ausführliche Bestandsaufnahme, danach kommt eine Entwicklungsphase, in der die einzelnen Partner ihre technischen Lösungen entwickeln und umsetzen. In der dritten Phase werden die verschiedenen Lösungen der einzelnen Partner zusammengebracht. Schließlich möchten wir in einen Kreislauf kommen. In der vierten Phase wollen wir alles in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Marokko anschaulich vorführen.

Ist die praktische Umsetzung der entwickelten Strategien Teil des Projektes?

Dieses Projekt ist zunächst einmal ein Forschungsprojekt. In den drei Jahren werden die Partner viel forschen, entwickeln und Lösungen aufzeigen. Das Projekt ist sehr praxisorientiert. Die Forschungsarbeit richtet sich an den Landwirten in Marokko aus. Sie werden eingebunden, um zu sehen, ob die Ideen in die richtige Richtung gehen und ihnen später auch helfen. Wir haben lokale Forschungspartner und beziehen Firmen in der Region ein, zum Beispiel ein Unternehmen, das Olivenöl herstellt. Eine großflächige Umsetzung der Lösungen, die über punktuelle Anwendungen hinausgeht, kommt jedoch erst später. Diese wollen wir mit Nachfolgeprojekten in Zusammenarbeit zum Beispiel mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) realisieren.

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