Zum Hauptinhalt springen

Zentrales Thema: Energieeffizienz

Ein Interview mit Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur (dena), über einen neuen Schwerpunkt der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit

18.08.2014
© picture-alliance/dpa - Energie

Herr Kohler, Sie waren im Frühjahr mit Bundesaußenminister Steinmeier und wenig später mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel in China. Was war der Anlass?

Das Thema Energieeffizienz im Gebäudebereich und in der Industrie hat in China einen hohen Stellenwert. Die dena kooperiert zu diesen Themen bereits seit Jahren mit chinesischen Ministerien, Verbänden und Unternehmen, und setzt konkrete Projekte um. Eines dieser Projekte befindet sich in Shijiazhuang, der Hauptstadt der Provinz Hebei. Dort wird ein Forschungszentrum für energieeffizientes Bauen in der Provinz Herbei gebaut. Dieses Projekt hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bei seinem Besuch besichtigt. Auch beim Besuch von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel stand Energieeffizienz ganz oben auf der Themenliste. Im Mittelpunkt stand deshalb auch das Deutsch-Chinesische Forum für Energieeffizienz, an dem ich auch als Diskutant teilgenommen habe.

Energieeffizienz wird zu einem zentralen Thema der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit. Was ist der Hintergrund?

Die Umweltbelastung in chinesischen Städten und Provinzen hat eine Grenze erreicht, die nicht mehr zu akzeptieren ist. Und der steigende Energieverbrauch, der immer mehr durch Importe abgedeckt werden muss, gefährdet die mittel- bis langfristige Versorgungssicherheit. Deshalb hat die chinesische Regierung ehrgeizige Energieeinsparziele definiert, die jetzt umgesetzt werden müssen. Deutschland hat im Bereich Energieeffizienz eine hohe Kompetenz. Deshalb gewinnt dieses Thema immer mehr an Bedeutung in den deutsch-chinesischen Beziehungen. Für deutsche Unternehmen ist der schnell wachsende Markt für Energieeffizienz in China gigantisch und eröffnet lukrative Perspektiven. Nehmen wir nur den Gebäudesektor: China baut innerhalb von zwei Jahren so viel Wohnfläche neu, wie Deutschland insgesamt hat. Und auf die Gebäude kommt etwa ein Drittel des gesamten Energiebedarfs im Land – entweder für Heizung im Norden oder für Kühlung im Süden.

Was kann Deutschland beziehungsweise die Deutsche Energie-Agentur in diesem Bereich einbringen?

Deutsche Unternehmen haben in so gut wie allen Bereichen der Energieeffizienz viel zu bieten. Auch hier sind energieeffiziente Gebäude ein gutes Beispiel: Die Anforderungen in Deutschland gehören zu den höchsten weltweit, deutsche Unternehmen haben serienreife Technologien entwickelt, deutsche Planer und Ingenieure haben langjährige Erfahrung. Die dena hat mehrere Hundert vorbildliche energetische Modernisierungen in Deutschland begleitet und für die Öffentlichkeit aufbereitet. Deshalb schaut China nach Deutschland, wenn es darum geht, die Energieeffizienz in Gebäuden zu steigern.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit konkret? Was gibt es für Projekte?

Deutschland und China entwickeln seit 2007 in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Kooperationsprojekte für energieeffizientes Bauen in China. Das erste Effizienzhaus nach dena-Standards wurde im Oktober 2013 in der Stadt Qinhuangdao zertifiziert. Weitere sind in Arbeit, neben Wohnhäusern auch Bürogebäude, Schulen und Industriegebäude. Insgesamt betreut die dena mittlerweile über ein Dutzend Projekte für den Bau deutsch-chinesischer Effizienzhäuser.

Die dena will Märkte entwickelt. Wie stellt sich der chinesische Erneuerbare Energien Markt für deutsche Unternehmen dar?

China ist ein großer Zukunftsmarkt für alle erneuerbare Energien. Deutsche Unternehmen sind in allen Bereich erfolgreich aktiv, von der Produktion von Solarsilizium und Wechselrichtern, dem Bau von hocheffizienten Maschinen- und Produktionsanlagen für Photovolatikmodule bis hin zum Bau von technisch hochentwickelten Windkraftwerken und Wasserkraftwerksturbinen. Ein weiteres Marktsegment ist die Entwicklung und Umsetzung von Smart Grids, also von intelligenten Netzen. Hier haben deutsche Unternehmen ebenfalls viel Know-how bei der Umsetzung der Energiewende in Deutschland entwickelt, was jetzt auch in China von Interesse ist. Der Vorteil von deutschem Know-how ist, dass es sich über die gesamte Wertschöpfungskette erstreckt, also Systemlösungen anbieten kann.

Wie ist die chinesische Sicht auf die Energiewende, für die sich Deutschland entschieden hat?

In China wird sehr genau die Umsetzung der deutschen Energiewende beobachtet und daraufhin analysiert, was auf China übertragbar ist. Die Umsetzung von ehrgeizigen Zielen für Energieeffizienz und die Nutzung von regenerativen Energieträgern wird positiv gesehen und deshalb auch fürs eigene Land definiert. Dabei stehen insbesondere auch die Instrumente zur Umsetzung im Fokus des Interesses, wie zum Beispiel das Erneuerbare-Energien-Gesetz, aber auch die Richtlinien zur Steigerung der Energieeffizienz. Auch die Fehlentwicklungen werden in China registriert, wie zum Beispiel die hohe Kostenbelastung der Kunden durch die EEG-Umlage sowie der nicht synchrone Ausbau der Netze mit dem Zubau der Windkraftwerke im Norden. Insgesamt haben die chinesischen Akteure aber einen sehr positiven Blick auf die deutsche Energiewende. Deshalb haben sie sich auch auf die Suche nach dem richtigen Weg für eine Energiewende gemacht. In Deutschland sehen sie dabei einen guten Kooperationspartner.▪

Interview: Martin Orth