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Neue Zukunft als Pflegekraft in Deutschland

In Deutschland fehlen rund 150.000 Pflegekräfte – ein Programm soll sie in Vietnam, Indonesien und auf den Philippinen anwerben.

Barbara Barkhausen Barbara Barkhausen, 27.12.2023
Ngoc Dung Pham macht eine Ausbildung als Pflegefachkraft.
Ngoc Dung Pham macht eine Ausbildung als Pflegefachkraft. © privat

Bis 2025 braucht Deutschland rund 150.000 zusätzliche Pflegekräfte. Erkennbar ist dieser Trend seit Jahren. Daher vermitteln die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH [KS1] in einem gemeinsamen Programm seit 2013 Pflegefachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland.

„Triple Win“ – „dreifacher Gewinn“ – heißt das Programm und das soll heißen: Die Teilnehmenden erhalten eine berufliche Perspektive in Deutschland und das Geld, das sie in ihre Herkunftsländer schicken, stößt dort wichtige entwicklungspolitische Impulse an. Zudem werden die lokalen Arbeitsmärkte der Herkunftsländer entlastet, die das Überangebot an qualifizierten Fachkräften nicht aufnehmen können. Als dritter Aspekt wird der Fachkräftemangel in Deutschland gemindert.

Fachkräfteüberschuss in Partnerländern

Deutschland arbeitet mit Ländern zusammen, in denen tatsächlich ein Fachkräfteüberschuss besteht. In Asien trifft das derzeit auf die Philippinen, Indonesien und Kerala in Indien zu. Aus Vietnam werden junge Menschen mit Vorerfahrung in der Pflege in eine dreijährige Pflegeausbildung in Deutschland vermittelt – ebenfalls mit dem Ziel, sie später in Deutschland zu beschäftigen.

Deutschland.de hat mit drei Teilnehmenden des Programms aus Vietnam, Indonesien und von den Philippinen gesprochen.

Der 25-jährige Ngoc Dung Pham aus Pleiku in Vietnam und lebt seit September 2021 in Deutschland. Er macht eine Ausbildung als Pflegefachkraft im Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus.

„Von ‚Triple Win‘ und der Chance, in Deutschland eine Ausbildung als Pflegefachkraft zu machen, habe ich im Internet gelesen. Ich stamme aus einer ländlichen Region in Vietnam und hatte keinen Job. Als ich im Programm angenommen wurde, war ich sehr erleichtert. Daraufhin habe ich einen zehnmonatigen Deutschkurs an der Universität in Hanoi belegt und die B1-Prüfung bestanden. Die GIZ hat mich finanziell dabei unterstützt. Schon da haben mich Mitarbeitende des Programms regelmäßig besucht, um mich zu fragen, ob ich noch Hilfe benötige. Danach hat mich die GIZ unterstützt, ein Visum zu bekommen und in Deutschland Fuß zu fassen. Wir wurden am Flughafen abgeholt und bekamen eine Wohnung vermittelt. Unserer Gruppe aus Vietnam wurde auch geholfen, ein Bankkonto zu eröffnen und eine SIM-Karte zu kaufen. Der Arbeitgeber hat uns dann alle Möbel für die Wohnung, die ich mir mit einem Mitbewohner teile, zur Verfügung gestellt und auch den Sprachkurs in Deutschland bezahlt.

Am Anfang war ich schon etwas unsicher: Es sind doch sehr unterschiedliche Kulturen. Ich hatte aber schon in Vietnam viel im Internet recherchiert und mir auf YouTube den Kanal ,Easy German‘ angeschaut, um Deutschland schon etwas kennenzulernen. Trotzdem fällt es mir nicht leicht, Anschluss zu bekommen. Ich bin recht schüchtern. Im Krankenhaus habe ich aber einige offene Kollegen und bin auch schon mal zum Grillen und zu einem Bowling-Abend eingeladen worden.

Ich würde anderen empfehlen, nicht nur die Sprache gut zu lernen, sondern sich auch mit der Kultur vertraut zu machen. In Vietnam ist man lockerer, in Deutschland nimmt man es genauer.
Ngoc Dung Pham aus Vietnam

Besonders gerne mag ich die deutsche Infrastruktur und auch die Luft ist sehr sauber und frisch. Die Bezahlung kommt pünktlich und von 30 Tagen Urlaub kann man in Vietnam nur träumen. Trotzdem vermisse ich meine Eltern und meine Geschwister. Da ich der älteste Sohn bin, fühle ich mich verantwortlich, mich später um meine betagten Eltern zu kümmern. Deswegen plane ich im Moment, acht bis zehn Jahre in Deutschland zu bleiben.

Anderen Bewerberinnen und Bewerbern würde ich empfehlen, nicht nur die Sprache gut zu lernen, sondern sich auch mit der Kultur vertraut zu machen. In Vietnam ist man lockerer, in Deutschland nimmt man es genauer und muss beispielsweise pünktlich sein.“

Kharisma Ayu Susilowati arbeitet als Krankenschwester in Heidelberg.
Kharisma Ayu Susilowati arbeitet als Krankenschwester in Heidelberg. © privat

Kharisma Ayu Susilowati, 28, arbeitet seit fünf Monaten als Krankenschwester an der Thoraxklinik in Heidelberg. Sie kommt ursprünglich aus Solo in Indonesien.

„Als ich auf die Stelle in Deutschland aufmerksam wurde, arbeitete ich seit fast sechs Jahren in Indonesien als Krankenschwester. Mein Job langweilte mich und ich wünschte mir einen neuen Arbeitgeber, bei dem ich mich weiterentwickeln und eine bessere Work-Life-Balance haben könnte. Die Stelle in Heidelberg habe ich über die Instagram-Seite BP2MI Indonesia gefunden. BP2MI ist die offizielle indonesische Institution, die das ‚Triple Win‘-Projekt verwaltet.

Video As a nursing professional in Germany: “Opportunities for further training”. DEUTSCHLAND.de Video abspielen

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Zunächst musste ich den Rekrutierungsprozess bestehen. Das dauerte etwa drei Monate. Ich hatte in Indonesien anerkannte Berufsqualifikationen, das ist eine der Voraussetzungen, um am Programm teilnehmen zu können. Allerdings musste ich meinen Berufsabschluss in Deutschland noch anerkennen lassen. Danach habe ich für neun Monate einen Deutschkurs belegt, bis ich ein B1-Sprachzertifikat erhielt. Dann hatte ich ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch bei meinem Arbeitgeber auf Deutsch. Über das Programm bekam ich dann ein Visum. Dieser Prozess dauerte gerade mal eine Woche. Insgesamt fanden fast alle Schritte online statt und das GIZ-Team unterstützte mich beim gesamten Prozess.

Deutsch lernen als wichtigsten Schritt

Am schwierigsten fällt mir die deutsche Sprache und ich vermisse das indonesische Essen, obwohl es auch in Deutschland viele indonesische Gewürze zu kaufen gibt. Es gefällt mir, dass in Deutschland alles systematisch und effizient ist, außer vielleicht die Deutsche Bahn. Außerdem gibt es keine Beschränkungen für Bewerbungen wie in meinem Heimatland, wo manchmal das Alter, das Aussehen oder die Religion einer Person in den Bewerbungsprozess einbezogen werden. Ich würde anderen Interessierten empfehlen, ernsthaft Deutsch zu lernen. Wenn man kein Deutsch kann, wird es schwieriger.“

Eowyn Galvez lebt seit zehn Jahren in Deutschland. Hier mit Kolleginnen am Uniklinikum Tübingen.
Eowyn Galvez lebt seit zehn Jahren in Deutschland. Hier mit Kolleginnen am Uniklinikum Tübingen. © privat

Eowyn Galvez, 36, stammt ursprünglich von den Philippinen. Sie ist vor zehn Jahren von Makati nach Deutschland gekommen, hat zunächst in Frankfurt gearbeitet und ist seit 2019 stellvertretende Bereichsleiterin im Herzkatheterlabor am Uniklinikum Tübingen. Seit 2022 gibt sie als Trainerin Fachkurse für Pflegefachkräfte, die über das Triple-Win-Programm nach Deutschland kommen wollen.

„Ich hatte schon länger den Plan, in Europa zu arbeiten und hatte es zunächst über eine private Agentur und später über ein Schweizer Programm versucht. Ich wollte in ein Land, in dem ich mich als Frau frei bewegen und wohlfühlen kann. Deswegen hatte ich auch schon mehrere Deutschkurse belegt, als ich über das Goethe-Institut auf ‚Triple Win‘ gestoßen bin. Die GIZ hat mich dann bei den bürokratischen Themen wie dem Visum und dem Anerkennungsprozess meiner Ausbildung unterstützt.

Die Zusammenarbeit in Krankenhäusern in Deutschland unterscheidet sich sehr von den Philippinen. In Deutschland ist es deutlich kollegialer.
Eowyn Galvez

Inzwischen lebe ich seit zehn Jahren in Deutschland und habe mich gut eingewöhnt. Aber: Ich hasse den Winter. Als ich das erste Mal Schnee sah, habe ich mich noch gefreut. Doch inzwischen weiß ich: Minustemperaturen muss ich nicht haben. Außer dem wärmeren Wetter geht mir meine Heimat aber nicht so sehr ab. In Deutschland gibt es ebenfalls viele Asia-Läden, in denen ich die Lebensmittel kaufen kann, die ich vermisse. Und einmal im Jahr fliege ich nach Hause, um Familie und Freunde zu sehen.

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Die Zusammenarbeit in Krankenhäusern in Deutschland unterscheidet sich sehr von den Philippinen. In meiner Heimat werden die Ärzte wie Götter behandelt, die Hierarchie ist sehr deutlich spürbar. In Deutschland ist es dagegen deutlich kollegialer. Besonders gut gefällt mir, dass ich hier viel unternehmen kann. Ich bin ein Naturmensch und gehe gerne spazieren und fahre Rad. Einmal bin ich von Tübingen bis nach Paris geradelt. Auch nachts kann ich mich als Frau alleine draußen aufhalten. Ich habe inzwischen sogar die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, habe einen deutschen Partner und viele Freunde und möchte langfristig in Deutschland bleiben. Mein Tipp für andere Teilnehmende ist: Seid offen, habt keine Angst, rauszugehen, und gebt euch Mühe, die Sprache zu lernen.“

 

Türöffner für internationales Pflegepersonal in Deutschland ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Eine Neuauflage im November 2023 hat die bisher gültigen Gehaltsgrenzen nun nochmals gesenkt, um deutlich mehr Bewerberinnen und Bewerbern in Mangelberufen eine Chance zu geben.