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„Verlagerung nach Vietnam“

Mit dem neuen Freihandelsabkommen könnte Vietnam einem anderen großen asiatischen Land Konkurrenz machen. Marco Walde, AHK-Geschäftsführer Vietnam, sagt warum.

19.12.2018
Skyline von Ho-Chi-Minh-Stadt
Skyline von Ho-Chi-Minh-Stadt © duydophotography/stock.adobe.com

Herr Walde, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam ist ausverhandelt und soll 2019 in Kraft treten. Welche Verbesserungen bringt es?
Derzeit werden für EU-Produkte bei der Einfuhr nach Vietnam durchschnittlich 10 Prozent Zoll fällig. Mit dem Freihandelsabkommen entfallen die vietnamesischen Zölle im Industrie- und Agrarbereich fast vollständig, 65 Prozent sofort nach Inkrafttreten, der Rest in den kommenden zehn Jahren. Im Gegenzug baut die EU ihre Zollsätze gegenüber Vietnam im Lauf der kommenden sieben Jahren vollständig ab. Vietnam wird zudem seine öffentlichen Ausschreibungsverfahren weitestgehend für EU-Unternehmen öffnen. 
 

Marco Walde, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Vietnam (AHK Vietnam)
Marco Walde, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Vietnam (AHK Vietnam) © AHK Vietnam

Was macht Vietnam so interessant für deutsche Unternehmen?
Vietnam gilt mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 6,5 Prozent und einer jungen und konsumfreudigen Bevölkerung als Zukunftsmarkt. Die Bevölkerung ist auf 93,7 Millionen Menschen gewachsen, das Durchschnittsalter liegt bei 30 Jahren. Deutschland und Vietnam unterhalten sehr gute wirtschaftliche Beziehungen und Deutschland genießt in Vietnam einen ausgezeichneten Ruf, der in dieser Form im ASEAN-Raum einzigartig ist. Es gibt viele historische Bezüge, insbesondere zu den neuen Bundesländern. Mit etwa 120.000 Menschen ist auch die vietnamesische Gemeinschaft in Deutschland relativ groß. Außerdem ist Vietnam neben Singapur das einzige Land in ASEAN, das bei allen relevanten Freihandelsinitiativen in der Region dabei ist und die niedrigsten  Markteinstiegsbarrieren für ausländische Unternehmen hat. 
 

Der Trend geht zur Verlagerung bestehender Aktivitäten von China nach Vietnam.
Marco Walde, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Vietnam (AHK Vietnam)

Spüren Sie in der AHK eine Aufbruchstimmung, stehen die interessierten Unternehmen Schlange?
Wir sehen ein deutlich gestiegenes Interesse deutscher Firmen. Und einen neuen Trend: Er geht zur Verlagerung bestehender Aktivitäten von China nach Vietnam beziehungsweise zur Erweiterung in Vietnam. Als Motiv werden die steigenden Lohnkosten in China, aber auch Diversifizierung genannt. Und dabei schauen die Firmen im ASEAN-Raum zuerst auf Vietnam. Laut AHK World Business Outlook 2018 bietet Vietnam beste Bedingungen für deutsche Investoren. Sie nutzen diese und planen für 2019 eine Ausweitung ihrer Aktivitäten, höhere Investitionen und wollen mehr Personal einstellen. 

Welche Chancen bietet das Freihandelsabkommen der vietnamesischen Wirtschaft?
Die EU wird ihre Zollsätze gegenüber Vietnam während der nächsten sieben Jahre kontinuierlich abbauen. Durch den Zollabbau wird vietnamesischen Firmen der Marktzugang stark erleichtert. Im Rahmen des Abkommens sollen auch technische Handelshemmnisse besser geregelt werden. Vietnam wird nun zunehmend internationale Standards annehmen. Neben diesen Chancen beim Export muss sich Vietnam aber auch öffnen, was bedeutet, dass sich vietnamesische Firmen im Inland dem ausländischen Wettbewerb stellen müssen. Wir gehen davon aus, dass sich vietnamesische Firmen darauf vorbereiten durch Investitionen in moderne Maschinen und Anlagen sowie durch die Übernahme internationaler Standards für die eigenen Geschäftsprozesse, wie zum Beispiel beim Management oder der Beschaffung. Mittelfristig werden die Firmen professioneller und wettbewerbsfähiger.

Sehen Sie im Freihandel mit Vietnam ähnliches Potenzial wie mit Südkorea? Das ersten EU-Asien-Freihandelsabkommen hat sich als überaus erfolgreich erwiesen… 
Die Prognosen gehen jedenfalls davon aus. Sie rechnen mit einem starken Anstieg des vietnamesischen BIP. Auch die Reallöhne für qualifizierte Arbeitskräfte in Vietnam werden steigen.  Und vor allem der Export. In der EU ist durch vereinfachte Importe aus Vietnam, insbesondere in den Bereichen Schuhe, Lederwaren und Textilien mit niedrigeren Preisen zu rechnen. Diese Branchen werden am meisten vom neuen Abkommen profitieren. 

Interview: Martin Orth

© www.deutschland.de

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