„Das höchste Wachstum weltweit“
Ein Interview mit Marko Walde, Sprecher des German-ASEAN Chamber Network, über die ASEAN-Freihandelszone und die Chancen für die deutsche Wirtschaft.

Herr Walde, Sie leiten das German-ASEAN Chamber Network. Warum arbeiten die deutschen Auslandshandelskammern in Indonesien, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam in diesem Netzwerk zusammen?
Die ASEAN-Staaten haben sich weitere Integrations- und Harmonisierungsschritte vorgenommen, um einen gemeinsamen Binnenmarkt mit zollfreiem Warenverkehr, freiem Fluss von Dienstleistungen, Kapital, Investitionen und Arbeitskräften zu schaffen. Diese Entwicklungen und die überaus positiven Voraussagen für die kommenden Jahre mit den unterschiedlichen Vorteilen der einzelnen Mitgliedsstaaten sind auch für deutsche Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, von großem Interesse. Aus diesen Gründen wurde das German-ASEAN Chamber Network von den deutschen Auslandshandelskammern der ASEAN-Region im Jahr 2012 geschaffen.
Ende 2015 soll die Freihandelszone der ASEAN kommen. Was für ein Gebilde entsteht da?
Die zehn Mitgliedsstaaten des ASEAN-Staatenverbundes mit den Ländern Indonesien, Thailand, Malaysia, Vietnam, Philippinen, Brunei Darussalam und Singapur sowie Laos, Kambodscha und Myanmar stellen die Wirtschaftsregion dar, die weltweit derzeit am schnellsten wächst. Die zunächst lediglich politische Einheit ASEAN wird um die wirtschaftliche Harmonisierung und Vereinheitlichung erweitert. Es entsteht ein gemeinsamer Wirtschaftsraum mit einer Bevölkerungszahl von über 600 Millionen Menschen und einer Wirtschaftsleistung von rund 2,3 Billionen US-Dollar. Für die nächsten fünf Jahre wird in der Region mit einem durchschnittlichen realen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 6 Prozent gerechnet. Die südostasiatischen Volkswirtschaften locken ferner mit expandierenden Industrien und einer Mittelschicht, deren Kaufkraft stetig wächst.
Welche Möglichkeiten bietet die Freihandelszone für die deutsche Wirtschaft?
Vom wirtschaftlichen Aufschwung und den daraus resultierenden neuen Geschäftschancen profitiert die deutsche Exportwirtschaft schon heute. Bereits jetzt sind Produkte mit dem Label „Made in Germany” in der Region sehr begehrt. Die Vereinheitlichung und Ausrichtung auf internationale Standards und Regelungen der ASEAN-Ländern bringen weitere Vorteile. Durch die Warenverkehrsfreiheit wird der Inter-ASEAN-Handel deutlich erleichtert, so dass deutsche Firmen, die bisher vielleicht nur an einem Standort in der Region präsent sind, nun deutlich leichteren Zugang zu allen zehn Märkten in ASEAN bekommen. Problematisch ist dagegen, dass der Mix von sich überschneidenden regionalen und bilateralen Freihandelsabkommen (FTA) stark zugenommen hat und die EU beim Abschluss bilateraler FTA deutlich hinterherhinkt. Daher genießen Unternehmen anderer Länder zur Zeit Wettbewerbsvorteile und deutsche Unternehmen tun sich schwer, sich im dichten Geflecht der unterschiedlichen Regelungen der existierenden FTA zurechtzufinden.
Es gab schon mal und immer wieder Bemühungen über ein Freihandelsabkommen der EU mit der ASEAN. Wäre jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für eine neue Initiative?
Das wäre durchaus wünschenswert, allerdings ist die Chance dafür zunächst verpasst worden. Die EU hat sich nun entschieden, mit einzelnen Ländern Abkommen zu schliessen. Das FTA mit Singapur ist bereits unterschrieben, das FTA mit Vietnam ist ausverhandelt und wird dieser Tage unterzeichnet. Das heißt, hier liegen verbindliche Zusagen vor und auch ein nachvollziehbarer Kurs der EU, so dass diese Entwicklung nun nicht erneut infrage gestellt werden sollte. Vielleicht haben ja die FTAs mit Singapur und Vietnam eine Vorbildwirkung für andere Länder, so dass de facto ein FTA EU-ASEAN entstehen könnte.▪
Interview: Martin Orth
Marko Waldes Länder-Check*
Vietnam
Die rechtlichen Rahmenbedingungen ermöglichen einen schnellen und nachhaltigen Markteinstieg. Die ausgeprägte Deutschfreundlichkeit der Vietnamesen sowie die große Zuverlässigkeit und Lernbereitschaft erweisen sich als sehr begünstigende Standortfaktoren.
Indonesien
Das Land bietet eine Vielzahl an attraktiven Faktoren für ausländische Investoren: strategisch günstige Lage, Rohstoffreichtum, wachsender Inlandsmarkt und mit rund 240 Millionen Menschen den größten Markt in der Region.
Malaysia
Malaysia hat sich zur Aufgabe gemacht, bis zum Jahr 2020 zu den führenden Wirtschaftsnationen aufzuschließen. Vielfältige Investitionen, Steuervergünstigungen sowie Privatisierungen sollen zur Zielerreichung beitragen.
Myanmar
Myanmar steht noch am Anfang seiner Entwicklung, stellt derzeit jedoch die Weichen, um seine Rolle im ASEAN-Raum weiter zu stärken.
Singapur
Die geografische Lage im Zentrum des aufstrebenden asiatischen Marktes stellt nur einen der zahlreichen Vorzüge von Singapur dar. Als „Tor nach Asien” zieht das Land internationale Unternehmen an.
Thailand
Mit einem umfassenden Reformpaket lockt die thailändische Regierung Investoren aus dem Ausland. Schon jetzt gilt Thailand als einer der wichtigsten Investitionsstandorte für deutsche Unternehmen unter den ASEAN-Staaten.
Philippinen
Die sehr stabilen politische und rechtlichen Rahmenbedingungen haben die in den letzten Jahren zu einem enormen wirtschaftlichen Aufschwung geführt.
*der Länder mit einer AHK