„Entscheidung mit riesigem Potenzial“
In Frankfurt entsteht das Renminbi-Zentrum für den Euroraum. Was bedeutet das? Ein Interview mit Hubertus Väth, Geschäftsführer der Standortinitiative Frankfurt Main Finance.

Herr Väth, im Frühjahr fiel die Entscheidung, Frankfurt zum Renminbi-Zentrum im Euroraum zu machen. Was ist bald in Frankfurt möglich?
Die Ernennung der Bank of China zur Renminbi-Clearingbank sowie die Zusage einer so genannten RQFII-Quote – dazu gleich mehr – in Höhe von 80 Milliarden Renminbi (RMB), also etwa 9,5 Milliarden Euro, ermöglichen es den Finanzdienstleistern am Finanzplatz Frankfurt und in Deutschland insgesamt, ihren privaten, vor allem aber auch gewerblichen Kunden die gesamte Bandbreite an Finanzdienstleistungen in Renminbi anzubieten. Da die chinesische Währung nicht frei an den Devisenmärkten gehandelt wird wie zum Beispiel der Euro oder der Dollar, war dies bisher so nicht möglich. Die Renminbi Qualified Foreign Institutional Investors-Quote (RQFII) erlaubt es qualifizierten Investoren in Frankfurt und Deutschland, zum Beispiel Investmentgesellschaften, Investitionen direkt auf dem chinesischen Festland einzugehen. Auch das war bislang nicht möglich.
Wie lief es denn bisher?
Im Bereich Zahlungsverkehr lief der Tausch von Euro in Renminbi bislang über ein Referenzbankensystem. Das deutsche Unternehmen gibt den Tausch bei seiner Hausbank in Auftrag, und diese wiederum bei einer weiteren Bank, die eine Referenzbankverbindung in Hongkong unterhält. Von Hongkong aus wird das Geld nach Festlandchina transferiert, zum Beispiel Shanghai. Dort kann es dann auf das Konto der chinesischen Hausbank des Geschäftspartners überwiesen werden. Wann genau das Geld auf dem Zielkonto ankommt, lässt sich vorab nicht zuverlässig sagen und kann durchaus mehrere Tage dauern – zum einen wegen der vielen Prozessschritte, zum anderen deshalb, weil ein großer Teil der Prozesskette nicht automatisiert ist, sondern viele Schritte manuell ausgelöst werden müssen. In Zukunft werden Banken und auch große Unternehmen direkt in Frankfurt bei der Bank of China Euro in Renminbi tauschen können.
Wann geht es los? Mit welchen Volumen rechnen Sie?
Es ist schon losgegangen: Mit der Auflage von drei auf Renminbi lautenden und an der Börse Frankfurt gehandelten Anleihen hat der so genannte Goethe-Bond sein Debüt bereits hinter sich. Damit ist ein Anfang gemacht. Schritt für Schritt wird es neue Angebote am Finanzplatz Frankfurt geben. Prognosen über Volumina abzugeben ist schwierig. Schauen wir uns jedoch die Entwicklung an, mit der die Bedeutung des Renminbi schon in den vergangenen Jahren gewachsen ist, dürfen wir viel erwarten: Lag zum Beispiel der Anteil des RMB-Zahlungsverkehrs im Deutsch-Chinesischen Handel im Mai 2013 bei 8,2 Prozent, war er bis Mai 2014 schon auf über 22 Prozent gestiegen. Noch 2010 wurden weltweit im Tagesdurchschnitt Renminbi im Gegenwert von 34 Milliarden Dollar gehandelt – 2013 waren es bereits 120 Milliarden Dollar.
Was bringt das Renminbi-Zentrum für die beiden führenden Exportnationen Deutschland und China?
Mit einem Volumen von 140 Milliarden Euro 2013 ist der Deutsch-Chinesische Handel allein so groß wie der zwischen China und Großbritannien, Frankreich und Italien zusammengenommen. Beide Länder sind bestrebt, den Handel weiter zu entwickeln – das Renminbi-Zentrum Frankfurt spielt dabei eine wichtige Rolle, denn mit dem direkten Tausch Euro in Renminbi in Frankfurt können deutsche mittelständische Unternehmen nach konservativer Berechnung mindestens 500 Millionen Euro jährlich einsparen. Auch bei den Direktinvestitionen besteht erhebliches Entwicklungspotenzial – 2013 hat Deutschland in China 2,1 Milliarden Euro Investiert, der Bestand deutscher Direktinvestitionen liegt bei 45 Milliarden Euro. In umgekehrter Richtung stellt sich das Potenzial noch weit größer dar. Chinesische Unternehmen haben bislang gerade einmal 1,4 Milliarden Euro in Deutschland investiert.
Und was bedeutet das Zentrum für den Finanzplatz Frankfurt?
Die Ansiedlung des Renminbi-Zentrums in Frankfurt bringt erhebliches Potenzial mit sich – den bereits aufgeführten Möglichkeiten beim Angebot neuer Produkte seitens der Banken und der Börse folgen in der Regel auch die Arbeitsplätze. Die Bank of China baut bereits ihre Kapazität im Bereich Renminbi-Handel aus. Vieles hängt nun davon ab, wie schnell es den Anbietern in Frankfurt gelingt, ihre Produkte erfolgreich zu vermarkten. Wir sind zuversichtlich, dass dies gelingen wird – denn mit der Vereinbarung zwischen der Deutschen Bundesbank und der People’s Bank of China Ende März haben führende Vertreter des Finanzplatzes die Entwicklung des Standortes zum Renminbi-Handelszentrum ausdrücklich zur Chefsache erklärt.▪
Interview: Martin Orth