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Von São Paulo nach Unterwellenborn

Brasilianische Unternehmen entdecken Deutschland als Standort für Investitionen.

20.01.2014
© picture-alliance/dpa - Economy

Im Frühjahr 2013 reiste eine Handvoll brasilianischer Schmelzer nach Unterwellenborn. Der Stahlkonzern Companhia Siderúrgica Nacional (CSN) aus São Paulo hatte ein Jahr zuvor das Stahlwerk Thüringen gekauft und möchte nun, dass seine Arbeiter von ihren neuen deutschen Kollegen in der ehemaligen „Maxhütte“ lernen. „Langsam setzt sich das Bewusstsein durch, mit Expansionen nach Europa nicht nur das Geschäft verbessern, sondern auch Know-how ins eigene Land holen zu können“, sagt Andreas Bilfinger von der Außenwirtschaftsförderung der Bundesregierung, Germany Trade & Invest (GTAI).

CSN gehört als brasilianischer Investor in Deutschland zu einer Minderheit, deren Bedeutung zuletzt gestiegen ist und weiter wachsen soll. Unternehmerverbände, die Außenhandelskammern und die Bundes-regierung versuchen, brasilianische Unternehmen nach Deutschland zu lotsen. Auf brasilianischer Seite bestehe durchaus Interesse, sagt Andreas Bilfinger. Im Jahr 2009 betreute die GTAI nur zwei brasilianische Projekte in Deutschland, 2012 waren es schon elf. Die Zahl der brasilianischen Firmen, die in Deutschland investieren, ist seit 2006 jährlich um fast sieben Prozent gestiegen.

Der Maschinenbauer Indústrias Romi etwa übernahm für rund 20 Millionen Euro den Mittelständler Burkhardt+Weber Fertigungssysteme aus Reutlingen. Der größte brasilianische Chemiekonzern Braskem kaufte dem US-amerikanischen Konkurrenten Dow Chemical Werke in Wesseling bei Köln und im ostdeutschen Schkopau ab und eröffnete eine Niederlassung in Frankfurt am Main. Laut GTAI sind nun rund 60 brasilianische Unternehmen in Deutschland aktiv, zehn mehr als noch vor einem Jahr. Zusammen beschäftigen sie an ihren deutschen Standorten etwa 2310 Mitarbeiter. Es handelt sich überwiegend um kleine und mittelständische Firmen aus den Bereichen Automobilindustrie, verarbeitende Industrie und Finanzdienstleistungen.

„Für brasilianische Unternehmen ist der Schritt mindestens so groß, wie wenn deutsche Firmen nach Brasilien gehen“, sagt Andreas Bilfinger. Wenn eine Anfrage komme, kläre die GTAI die ersten Fragen – etwa, welcher Standort in Deutschland in Frage komme. Auch die Themen Steuern und Arbeitsrecht würden besprochen. Investoren könnten von den Fachkräften, der Lage Deutschlands mitten in Europa und der hervorragenden Infrastruktur profitieren, sagt Bilfinger. Insbesondere in Ostdeutschland seien attraktive Förderprogramme interessant. Am Ende werden die Unternehmen an das Bundesland weitergeleitet, in dem sie investieren wollen. Projekte scheiterten, sagt Bilfinger, wenn die Unternehmen merkten, dass die Lohnkosten doch zu hoch seien – oder wenn man sich nicht intensiv genug um den Investor bemühe.

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Brasilien und Deutschland haben Tradition. Im Jahr 1895 eröffnete Siemens als erstes deutsches Großunternehmen eine Niederlassung in dem südamerikanischen Land. Es folgte 1911 der Chemiekonzern BASF. Zahlreiche deutsche Unternehmen siedelten sich danach vor allem in São Paulo an. ▪

Maximilian Weingartner