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Elektro-Mobilität kommt in Fahrt

Mit innovativen Fahrzeugen und intelligenten Konzepten will Deutschland zum Leitmarkt werden.

Chris Löwer, 20.03.2014
© R.Lehmann - Mobility

Der Schalter ist umgelegt. E-Autos aus Deutschland drehen auf. „Seit fast 130 Jahren gibt es Autos. Heute beginnt eine neue Ära“, verkündete BMW-Konzernchef Norbert Reithofer, als er im Sommer 2013 mit einer großen Show in New York den i3, das erste Elektroauto des bayerischen Autobauers, vorstellte. Zur gleichen Zeit enthüllte BMW auf zwei anderen Kontinenten, in London und Peking, den weitgehend aus Karbon gefertigten Elektroflitzer. In diesem Jahr wird der Elektrosportwagen i8 folgen. Das zeigt: Die i-Modelle sind keine „Sonderfahrzeuge“, in denen lediglich der herkömmliche Verbrennungsmotor durch einen Elektroantrieb ersetzt wird. Der Konzern hat sich neu ausgerichtet. Kein anderer Autokonzern setzt so entschieden auf Elektromobilität wie BMW. Frühzeitig möchte sich die Nummer eins der Premiumhersteller weltweit im Markt der Zukunft positionieren. Zwischen Fahrspaß und Nachhaltigkeit sehen die BMW-Konstrukteure längst keinen Widerspruch mehr. Trotz eines ansehnlichen Einstiegspreises und einer Wartezeit von gut einem halben Jahr stehen die Kunden Schlange. Auch Volkswagen hat Ende 2013 mit der ganzen Kraft eines weltweit führenden Automobilkonzerns ein E-Mobil erfolgreich auf den Markt gebracht, den Kleinwagen e-up. In Kürze folgt die elektrifizierte Variante des Golfs, des meistverkauften Autos Deutschlands. „Bis Ende des Jahres 2014 kommen 16 weitere neue elektrifizierte Serienmodelle. Die Nachfrage nimmt spürbar zu“, berichtet 
Dr. Ulrich Eichhorn, Geschäftsführer Technik und Umwelt des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA).

Das auch im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen, scheint angesichts der jüngsten Entwicklungen zumindest in Sichtweite. Allerdings: In Japan, den USA und Frankreich ist die Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugen und Plug-in-Hybriden schon deutlich weiter fortgeschritten. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist dennoch zuversichtlich: „Unsere Ziele sind machbar“, sagte sie 2013 auf der internationalen Konferenz „Elektromobilität bewegt weltweit“.

Deutschland, so die Kanzlerin, soll zum Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität werden. Wie attraktiv der deutsche Markt für internationale Hersteller ist, betonte erst kürzlich Elon Musk, Gründer und CEO der Kultmarke Tesla. „Wir werden in Deutschland viel Geld investieren“, versprach der kalifornische Elektroauto-Pionier. „Deutschland ist ein Land, das Automobiltechnik schätzt und daher extrem wichtig für uns ist. Es ist ein entscheidender Schritt für Tesla, dass das Model S in Deutschland von den Kunden so gut angenommen wird.“

Elektromobilität entwickelt sich auch weltweit zu einem zentralen Baustein für die urbane Mobilität von morgen. Viele Staaten arbeiten an Mobilitätskonzepten, um trotz wachsender Verstädterung die Belastung durch Lärm und Schadstoffausstoß zu verringern. Die Bundesregierung unterstützt, auch auf Auslandsmärkten, deutsche Automobilhersteller und Zulieferer und deutsche Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, die sich mit Elektromobilität befassen. Die Deutsche Botschaft Lissabon hat als erste deutsche Auslandsvertretung einen rein elektrisch betriebenen Dienstwagen (BMW i3) in Betrieb genommen.

Doch nicht nur aufs Auto bleibt die E-Mobility beschränkt. Steil ist auch die Erfolgskurve der Elektrofahrräder. Was zunächst als Hilfsmittel für Senioren belächelt wurde, boomt inzwischen. Schon jetzt sind weit mehr als eine Million E-Bikes auf Deutschlands Straßen unterwegs, und die Verkaufszahlen steigen zweistellig. Wer einmal die (positive) Erfahrung gemacht hat, steigt ungern wieder ab.

Es geht voran. Es bleibt aber auch noch viel zu tun. Zum Beispiel bei der Ladeinfrastruktur. Aber auch in diesem Bereich kommen immer mehr kreative Vorschläge. Die Idee des Berliner Start-ups „ubitricity“ beispielsweise ist ebenso verlockend wie günstig. Ihr Konzept heißt: Tanken (sprich: aufladen) an der Straßenlaterne. Mit wenigen Anpassungen lässt sich eine Systemsteckdose in den Mast einer Laterne einbauen, für die man lediglich ein spezielles Lade­kabel benötigt, um die Leuchten anzuzapfen und den Strom selbst abzurechnen. Während übliche Ladestationen bis zu 10 000 Euro kosten (ohne laufende Kosten), lassen sich die Laternen für knapp 500 Euro umrüsten. Die erste Ladelaterne in Berlin ist installiert – vor dem Eingang des VDA. Bundesweit kommen für diese Lösung rund 200 000 Masten infrage. In Berlin sollen bis zu 1000 davon in nächster Zeit als „Tankstelle“ dienen.

Berlin ist neben Baden-Württemberg, Bayern/Sachsen und Hannover eine Schaufensterregion für Elektromobilität, die mit rund 100 Millionen Euro gefördert werden. Vor allem in Berlin laufen zahlreiche Praxisprojekte zum Ausbau der Elektromobilität, rund 1200 registriert die Agentur für Elek­tromobilität (eMO). „Die Elektromobilität kommt, auch wenn viele noch skeptisch sind”, sagt eMO-Leiter Gernot Lobenberg.

Zum Stadtbild gehören auch die Elektroautos der Bahn und anderer Carsharing-Anbieter. Künftig wollen Daimler Mobility Services GmbH (car2go und moovel) und die Deutsche Bahn (Flinkster und Call a Bike) kooperieren, um ihre Carsharing-Angebote samt Fahrrädern miteinander zu vernetzen, so dass ein fast flächendeckendes Carsharing mit mehr als 6600 Fahrzeugen und 8500 Fahrrädern zur Verfügung stehen könnte. „Vernetzung“ ist auch für Christian Fahner, Projektleiter „Elektro­mobilität im ländlichen Raum“ des Technologie- und Gründerzentrums Ostprignitz-Ruppin, der Schlüsselbegriff. Gerade auf dem Land, wo der öffentliche Personennahverkehr lückenhaft ist, böten sich Chancen. Stiege jetzt noch die Bundesregierung auf Elektrofahrzeuge um, wie es der Koalitionsvertrag sagt, hätte das Signalwirkung für das Zukunftsprojekt „Leitmarkt und Leit­anbieter für Elektromobilität“. ▪