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„Wir suchen disruptive Technologien“

Gadi Toren leitet das Büro von Robert Bosch Venture Capital in Israel. Der Experte für deutsch-israelische Zusammenarbeit über das Potential von Industrie 4.0 und wie IT und traditionelle Arbeitsweise verschmelzen.

01.02.2017
© Robert Bosch Venture Capital GmbH - Gadi Toren

Herr Toren, wofür haben sich deutsche Unternehmen früher in Israel interessiert und wie sieht es heute aus?

Deutsche Firmen sind seit über 20 Jahren an Technik aus Israel interessiert. In den vergangenen fünf Jahren ist das Land noch einmal stärker in den Fokus geraten, wobei die Bereiche, für die man sich interessiert, globale Trends widerspiegeln.

Einer dieser globalen Trends ist die Industrie 4.0. Warum ist Israel hier besonders stark?

Industrie 4.0 basiert auf Vernetzung. Israel ist in den Bereichen IT-Sicherheit, Signalverarbeitung, Chip Design und Medizintechnik seit langem führend. Demzufolge war es keine große Überraschung, dass israelische Ingenieure Lösungen auch im Bereich Industrie 4.0 anbieten konnten.

 

Wie hat sich das bisher ausgewirkt?

Die klaren Linien zwischen einzelnen Branchen verschwimmen und Geräte können direkt über das Internet kommunizieren. Inzwischen kann praktisch keine Branche mehr darauf verzichten, das eigene Computernetzwerk genau im Blick zu haben, die Produktion zentral zu koordinieren und Daten zu analysieren, um ihre Produktivität zu steigern und feindliche Angriffe möglichst schnell zu erkennen. Entsprechend hat sich der Einsatzbereich für israelische Technik erweitert. Das wirkt sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt aus, insbesondere im F&E Bereich. Bosch zum Beispiel hat im Sommer 2016 ein neues Forschungsbüro in Tel Aviv eröffnet.

 

Wie sehen Sie denn die Zukunft von Industrie 4.0?

Industrie 4.0 wird noch wichtiger werden, und wir brauchen dafür genauso Experten aus der traditionellen Industrie wie aus der Hightech-Welt. Man kann nicht einfach ein Antivirus-System programmieren, es installieren und alleine laufen lassen. „Zack und los“ funktioniert nicht in der Industrie 4.0. Die wahre Herausforderung liegt darin, die schnelle IT Welt mit der traditionelleren Arbeitsweise der Industrie zu vermählen.

 

Haben Sie bereits in so eine potentielle Hochzeit für Bosch in Israel investiert?

Bosch ist ein sehr technologieorientiertes Unternehmen und gehört zu den führenden Nutzern und Anbietern von Industre-4.0-Lösungen. In den USA haben wir bereits in zwei Industrie-4.0-Startups investiert, in Israel haben wir verschiedene Unternehmen angesehen, bisher ist das aber noch nicht in eine Investition gemündet. Als Venture Capital Tochter eines Großunternehmens sind wir immer auf der Suche nach disruptiven Technologien, also nach Innovationen, die eine bestehende Technologie möglicherweise vollständig ersetzen kann und die idealerweise einen Bezug zu unseren Geschäftsaktivitäten haben. Eine Verknüpfung mit Bosch ist aber keine Voraussetzung für eine Investition.

 

In welche Art Unternehmen haben Sie in Israel bereits investiert?

Wir haben in ein Startup investiert, das eine neue Technik für Metalldruck entwickelt hat. Das Startup war an Bosch als Kunden und Investor zugleich interessiert, und jetzt wird die Technik in den Markt eingeführt. Wir haben auch in eine dynamische multispektrale Vision-Technologie investiert, die für die Automobilindustrie sicher wichtig wird. 

 

Welches sind denn die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der israelischen und der deutschen Business-Mentalität?

Die größte Gemeinsamkeit ist, dass in beiden Ländern Geschäftswelt, Wissenschaft und  Technologie hohen Stellenwert haben. Und Deutsche wie Israelis bevorzugen eine direkte Kommunikation. Als ich 2009 bei Robert Bosch Venture Capital angefangen habe, fand ich mich leicht in die Arbeitsweise der Deutschen ein: Man weiß genau, woran man ist, Deutsche sagen, was sie denken. Auf der anderen Seite teilen Israelis einem sehr gerne mit, wie man sich ihrer Meinung nach verhalten sollte. Außerdem werden Hierarchien wenig beachtet. Das ist in deutschen Unternehmen eher ungewöhnlich, vorsichtig ausgedrückt. Ein anderer sehr großer Unterschied ist die Herangehensweise an Risiko und Scheitern. Während beides in Deutschland nicht unbedingt positiv gesehen wird, sehen Israelis das Scheitern als „wertvolle Lektion“.

 

Wie schließen Sie im Alltag die Lücke zwischen der deutschen und israelischen Mentalität?

Naja, da gibt es kein Richtig oder Falsch, aber dieser Lücke muss man sich mit Geduld widmen. Ich bin überzeugt: Sobald man mit gedanklichen Konventionen bricht, ist das automatisch disruptiv. Und genau das ist notwendig, sonst kann es keinen Fortschritt geben! Auf die israelisch-deutsche Geschäftswelt übertragen, würde ich das so sagen: Man braucht erst die disruptive Idee und dann den deutschen Qualitätsanspruch, damit daraus auch was wird.

 

Interview: Jennifer Bligh

 

Die Robert Bosch GmbH wurde 1886 von dem deutschen Ingenieur und Erfinder Robert Bosch gegründet und ist heute ein multinationales deutsches Unternehmen. Es gehört zu den führenden  Technologie- und Dienstleistungsunternehmen und ist unter anderem als Automobilzulieferer , Hersteller von Elektrowerkzeugen und Haushaltsgeräten und in der Verpackungs-, Industrie- und Gebäudetechnik tätig. Die Robert Bosch Venture Capital GmbH ist die Venture Capital Gesellschaft der Bosch-Gruppe. Seit 2007 investiert das Unternehmen weltweit in Technologie-Startups.