Zum Hauptinhalt springen

Blühende Wirtschaft, attraktiver Standort

Die polnische Wirtschaft steuert sehr gut durch die Krisen – auch hunderte deutsche Firmen investieren im Nachbarland.  

27.07.2023
Katowice – eines der modernen Wirtschaftszentren in Polen
Katowice – eines der modernen Wirtschaftszentren in Polen © Adobe Stock

Polens Wirtschaft ist weiter auf Rekordkurs, auch als Investitionsstandort. Trotz aller Krisen haben die Direktinvestitionen aus dem Ausland in Polen 2022 erneut zugenommen – um beachtliche 23 Prozent. „Polen bietet attraktive Investitionsbedingungen, vor allem durch die Nähe zum Standort Deutschland, eine hervorragende Infrastruktur, ein hochklassiges Lieferantennetzwerk und gut ausgebildete, motivierte Mitarbeiter“, nennt Lars Gutheil, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer (AHK Polen) in Warschau, die wichtigsten Gründe in einem trans.info-Interview. Deutsche Unternehmen gehören zu den wichtigsten Investoren und damit zu den größten ausländischen Arbeitgebern. Laut AHK Polen haben deutsche Unternehmen mehr als 36 Milliarden Euro in Polen investiert und beschäftigen dort etwa 430.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

9.500 deutsche Firmen in Polen

Erst jüngst kündigte Bosch an, 250 Millionen Euro in ein Wärmepumpen-Werk in Dobromierz zu investieren. Mercedes-Benz hatte Ende 2022 bekanntgegeben, künftig in Polen E-Transporter zu bauen. Die Rede ist von einem Investitionsvolumen von mehr als einer Milliarde Euro. Und der Online-Versandhändler Zalando will in Bydgoszcz zwei Logistikzentren mit 4.000 Mitarbeitenden  errichten. Bosch, Mercedes und Zalando sind dabei nur drei von mehr als 9.500 Firmen mit mindestens einem deutschen Eigentümer, die Standorte in Polen haben. Tendenz: weiter steigend.

„Derzeit entscheidet sich fast jedes vierte europäische Unternehmen bei Produktionsverlagerungen für Polen“, sagte der Leiter des polnischen Wirtschaftsinstituts (PIE), Piotr Arak, dem „Handelsblatt“. Das hat verschiedene Gründe. Viele Unternehmen haben in der Pandemie die Verletzlichkeiten globaler Lieferketten schmerzhaft erfahren müssen. Eine Antwort darauf ist, sich regionaler aufzustellen und so die Wege drastisch zu verkürzen. Ein anderer Grund ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der als Folge der Sanktionen Russland aus den wirtschaftlichen Planungen westlicher Firmen de facto gestrichen hat. Als Absatzmarkt und als Produktionsstandort.

Bosch-Werk in Wroclaw
Bosch-Werk in Wroclaw © shutterstock

Polen hat qualifizierte und gut ausgebildete Fachkräfte

Keine Rolle hingegen spielt dabei das überholte Image Polens als Niedriglohn-Land. Mercedes investiere nicht wegen niedriger Kosten, sondern weil es in Polen qualifizierte Fachkräfte gebe, sagt Ewa Łabno-Falęcka, Sprecherin von Mercedes-Benz in Polen. „Wir haben Rekordzahlen von Studenten. Dieses Jahr haben wir fast 50.000 IT-Studierende. So etwas kann kein europäisches Land vorweisen. Das ist mittlerweile für alle deutschen Investoren – inklusive uns – sehr, sehr wichtig“, erklärte sie der deutschen „Tagesschau“.

Auch AHK-Vorstandsmitglied Gutheil sieht darin ein wesentliches Argument für die Entscheidung, nach Polen zu gehen: „Sehr viele Unternehmen wollen in vertrautere Gefilde in der Europäischen Union und setzen auf die Standortstärken, die Polen hat: also die Nähe zum deutschen Markt und einen relativ großen Arbeitskräftepool, der auch sehr gut qualifiziert ist.“ Schließlich, so Gutheil, sei der Fachkräftemangel in Deutschland einer der wichtigsten Gründe für den Aufbau neuer Standorte im Nachbarland.

Polen hat sich als sicherer, nahe gelegener Kooperationspartner erwiesen.
Lars Gutheil, AHK Polen

Nachholbedarf beim Standortfaktor Nachhaltigkeit

Laut einer Studie mehrerer deutscher Auslandshandelskammern war Polen 2022 das bei Investoren beliebteste Land in Ostmittel- und Osteuropa. Eine Rolle spielen dabei sicher auch von der EU gewährte Steuervergünstigungen für Unternehmen, die sich in wirtschaftlich schwachen Regionen ansiedeln. Dazu zählen vor allem Gebiete im Osten Polens.

Allerdings gibt es auch noch Nachholbedarf beim Thema Nachhaltigkeit, was auch Auswirkungen auf direkte Investitionen aus der EU haben kann. Eine große Herausforderung sei die Dekarbonisierung der Energieerzeugung, „die für immer mehr Branchen zu einem Schlüsselkriterium bei der Standortwahl wird“, sagte Gutheil trans.info. Denn internationale Investoren, gerade aus der EU, unterlägen klaren CO2-Zielen. Allerdings sieht das AHK-Vorstandsmitglied bereits Bewegung: „Es gibt einen interessanten Trend hin zur Erzeugung von grüner Energie durch lokale Behörden. Sonderwirtschaftszonen beispielsweise denken zunehmend darüber nach, auf ihrem Gelände erneuerbare Energie zu erzeugen, um Investoren anzuziehen.“ Unterm Strich bleibt: Einer Umfrage zufolge würden sich 95 Prozent der deutschen Unternehmen wieder für Polen entscheiden. Gutheils Fazit: „Polen hat sich als sicherer, nahe gelegener Kooperationspartner mit einem starken Produktionspotenzial in vielen Bereichen bewiesen.“