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Grenzenlos forschen für die Praxis

Von KI bis Biotechnologie: Deutschlands außeruniversitäre Forschung setzt weltweit Impulse und ist bestens vernetzt mit der Wirtschaft.

Christina Dier, 08.05.2025
Robotik-Forschung: Toshihiko Fukushima und Thomas Buchner
Robotik-Forschung: Toshihiko Fukushima und Thomas Buchner © Wolfram Scheible

Konzentriert beobachten Toshihiko Fukushima und Thomas Buchner, wie das von ihnen entwickelte Roboterbein im Kreis springt und dabei auch unebene Oberflächen wie Gras, Sand oder Steine meistert. Kein sperriger Elektromotor, keine abgehackten Bewegungen, keine komplexe Sensorik – alles, was man bisher mit Robotern  in Verbindung brachte, ist bei diesem Roboterbein anders. Denn es arbeitet energieeffizient mit elektrohydraulischen, also künstlichen Muskeln und nimmt sich in Sachen Beweglichkeit Mensch und Tier zum Vorbild. Entwickelt wurde diese Innovation im Rahmen einer Forschungspartnerschaft zwischen dem Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart und der ETH Zürich.

Max-Planck-Gesellschaft: 4.500 Kooperationsprojekte

Das Projekt ist ein Beispiel für die intensive internationale Zusammenarbeit der 1948 in Göttingen gegründeten Max-Planck-Gesellschaft: Mehr als 4.500 Kooperationsprojekte der Max-Planck-Institute mit rund 5.400 Partnern in über 100 Ländern gibt es. Die 84 Max-Planck-Institute und Einrichtungen zählen somit zu den wichtigsten Zentren der Grundlagenforschung für Natur-, Bio-, Geistes- und Sozialwissenschaften außerhalb der Universitäten. Allein 31 Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger hat die Max-Planck-Gesellschaft in ihren Reihen – und zählt damit ganz klar zu den Forschungseinrichtungen von Weltrang.

Auch in Stuttgart und Zürich haben Fukushima und Buchner mit ihren Teamleitern Robert Katzschmann und Christoph Keplinger ehrgeizige Ziele. Zwar ist das Roboterbein derzeit noch an einer Stange befestigt und kann sich nicht frei bewegen, doch weitere Forschungsarbeiten sollen dazu beitragen, einen Laufroboter mit künstlichen Muskeln zu entwickeln. Gelingt dies, ist das Potenzial für Anwendungen in der Praxis groß: „Wenn wir die Technologie des Roboterbeines zu einem vierbeinigen Roboter oder einem humanoiden Roboter mit zwei Beinen kombinieren, könnten wir es eines Tages, sobald es batteriebetrieben ist, auch als Rettungsroboter einsetzen“, so Katzschmann. 

Helmholtz-Gemeinschaft: Zusammenarbeit mit Industriepartnern

Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit suchen auch die Forschenden der größten außeruniversitären Forschungsorganisation in Deutschland, der Helmholtz-Gemeinschaft. Über 46.000 Mitarbeitende arbeiten in 18 Forschungszentren an den Themen Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Information, Luftfahrt, Materie sowie Raumfahrt und Verkehr. Der Wissens- und Technologietransfer gilt dabei als ein Grundpfeiler der Helmholtz-Mission. 

Wie dieser Transfer gelingen kann, zeigt die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Das KIT, das in diesem Jahr sein 200-jähriges Bestehen feiert, treibt zum Beispiel gemeinsam mit dem IT-Unternehmen IBM die Forschung in drei Themenfeldern voran: Digitale Innovationen für Dienstleistungen und Plattformen, Künstliche Intelligenz (KI) und Mensch-Maschine-Kollaboration. Dabei widmet sich das Team unter anderem der Frage, inwiefern automatisierte Lösungen künftig Routineaufgaben übernehmen können. Dr. Carsten Holtmann, bei IBM verantwortlich für KI-Innovationen und die Zusammenarbeit mit dem KIT, betont: „Kollaborative Innovationen sind das Gebot der Zeit, um den Standort zu stärken, konkrete Beiträge zu Schlüsseltechnologien wie generativer KI zu liefern und damit anwendungsorientierte Forschung zu voranzutreiben.“ 

5G und Künstliche Intelligenz im Operationssaal
5G und Künstliche Intelligenz im Operationssaal © IPA

Fraunhofer-Gesellschaft: Fokus auf Wissens- und Technologietransfer

Ein Projekt der Fraunhofer-Gesellschaft beschäftigt sich ebenfalls mit KI-Anwendungen, allerdings im Gesundheitswesen. Die 1949 gegründete Organisation betreibt in Deutschland derzeit 76 Institute und Forschungseinrichtungen mit knapp 32.000 Mitarbeitenden. Die internationale Ausrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft zeigt sich nicht nur in den acht Fraunhofer-Auslandsgesellschaften in Europa, Nord- und Südamerika sowie Asien, sondern auch in der Ausgestaltung konkreter Projekte: Im Rahmen des Projektes „5G-OR“ entwickelt ein deutsch-französisches Team hochtechnisierte hybride Operationssäle, die dank 5G-Netz und KI neue Anwendungen ermöglichen. Dafür arbeiten Ingenieurinnen, Unternehmer, Chirurginnen und Anästhesisten aus Mannheim, Berlin und Straßburg zusammen

„Die 5G-Technologie ermöglicht eine sichere, flexible und zuverlässige drahtlose Kommunikation und den Austausch von Daten wie auf einer leistungsstarken Datenautobahn“, erklärt Johannes Horsch, Projektleiter im Forschungsbereich Gesundheitstechnologien am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Positiv bewertet Horsch die enge deutsch-französische Zusammenarbeit im Projekt: „Wir fördern damit einen grenzüberschreitenden Datenaustausch und tragen dazu bei, die chirurgische Praxis weiterzuentwickeln und die Patientensicherheit in Europa zu verbessern.“

Der nächste Schritt ist nun der Technologietransfer in die klinische Praxis – dazu gehört neben der Erprobung und medizinischen Zulassung auch der Marktzugang über Industriepartner und Startups.

Leibniz-Gemeinschaft: Neue Therapien bei Krebs

Mit Naturstoffen und KI zu neuen Krebsmedikamenten – das ist das Ziel von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) in Halle an der Saale. Das IPB gehört zur Leibniz-Gemeinschaft, die bundesweit 96 eigenständige Forschungseinrichtungen vereint. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. 

Die Leibniz-Einrichtungen kooperieren eng mit Hochschulen, der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland – so auch in einem aktuellen Projekt des IPB mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der privaten Universität Dhofar aus Oman. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen Pflanzen, Pilze und Mikroben, die als vielversprechend für neue Krebsmedikamente gelten. Allerdings ist die Erforschung ihrer Wirkung aufwendig und teuer. Hier kann der Einsatz von KI helfen: Den Wissenschaftlern ist es gelungen, durch moderne Analytik der Zellinhaltsstoffe und KI-basierte Auswertung die Wirkung von zellabtötenden Naturstoffen besser vorherzusagen und damit die Entwicklung neuer Krebsmedikamente zu beschleunigen. Das Verfahren eignet sich auch, um die Wirkung bereits eingesetzter Chemotherapeutika zu verstehen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu erkennen.