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„Roboter müssen die Menschen besser verstehen – und umgekehrt“

Tobias Kaupp zählt zu Deutschlands führenden Robotik-Forschern. Er verrät, wieso Roboter bald nicht mehr programmiert werden müssen. 

Wolf ZinnInterview: Wolf Zinn , 23.04.2025
Beim RoboCup spielen Roboter auch Fußball.
Beim RoboCup spielen Roboter auch Fußball. © picture alliance/dpa

Professor Kaupp, ein großes Anwendungsfeld ist die Industrierobotik. Wie verändert sie sich? 
Die jedem bekannten großen Industrieroboter, etwa in der Automobilindustrie, sind keine intelligenten Maschinen, sondern automatisierte Systeme, die immer die gleichen Prozesse präzise ausführen. Sie wurden speziell für die Massenproduktion entwickelt. Die Reise geht jetzt aber in Richtung Massenspezialanfertigung. Die Produktvielfalt steigt und Verbraucher wollen individuell konfigurierte Produkte. Dafür brauchen wir flexible und intelligente Roboter. Neue Entwicklungen im Bereich Sensorik und maschinelles Lernen helfen dabei, diese Systeme anpassungsfähiger zu machen. Ziel ist es, dass Roboter Hand in Hand mit Menschen agieren. Damit das funktioniert, müssen Roboter die Handlungen der Menschen besser verstehen – und umgekehrt.  

Was sind dabei die größten Herausforderungen? 
Ein großes Hindernis ist, dass Roboter derzeit oft noch komplex programmiert werden müssen. Heute übernehmen das Experten, aber in Zukunft sollen Werker ohne Programmierkenntnisse Roboter eigenständig anpassen können. Denkbar sind intuitive Steuerungsmethoden, etwa durch Datenbrillen, Gestensteuerung oder einfaches Vormachen der Abläufe. Gerade Letzteres erfährt derzeit einen Durchbruch, ermöglicht durch die Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz. Man hofft, dass Roboter durch einfaches menschliches Vormachen die Aufgaben komplett verstehen und verallgemeinern können. 

Welche weiteren Einsatzgebiete gibt es für Robotik? 
Sehr viele, zum Beispiel in der sogenannten Field-Robotik. Etwa in der Landwirtschaft, wo autonome Maschinen Saatgut ausbringen, gezielt düngen und jäten, den Wachstumsprozess überwachen und schließlich ernten. Drohnen werden bereits zur Kartierung von Landschaften und bebauten Gebieten oder zur Suche nach vermissten Personen eingesetzt. Unterwasser-Roboter können Korallenriffe überwachen oder für archäologische Forschungsmissionen genutzt werden.

Tobias Kaupp
Tobias Kaupp © privat

Eine häufige Sorge ist der Verlust von Arbeitsplätzen durch Automatisierung. Ist diese Sorge berechtigt? 
Nein, das glaube ich nicht. Studien zeigen, dass insgesamt mehr Arbeitsplätze durch Digitalisierung entstehen, allerdings mit neuen Qualifikationsanforderungen. Unternehmen sind gefordert, ihre Mitarbeiter weiterzubilden, damit sie mit der technologischen Entwicklung Schritt halten können. Neuere Studien zeigen sogar, dass Firmen, die Roboter einsetzen, viel mehr neue Arbeitsplätze geschaffen haben als diejenigen, die die Automatisierung ablehnen.  

Wie bewerten Sie den Robotik-Standort Deutschland im internationalen Vergleich?
Deutschland ist ein führender Standort in der Robotik, vor allem in der Industrieautomatisierung. Im Einsatz von Industrierobotern, gemessen an der Zahl von Robotern pro 10.000 Mitarbeitern, ist Deutschland derzeit auf Platz 4 – hinter Korea, Singapur und China. Neben den asiatischen Ländern gibt es große Konkurrenz aus den USA, die massiv in KI und Robotik investieren. Deutschland hat sehr gute Forschungseinrichtungen und bedeutende Robotik-Forschende hervorgebracht, die beispielsweise das autonome Fahren revolutioniert haben. Was der Robotik guttun würde, sind mehr Risikobereitschaft, höhere staatliche und private Investitionen und eine Bündelung der vorhandenen Kräfte. 

Wie wird sich die Robotik in den kommenden Jahren entwickeln?
Die Integration von Robotik in unseren Alltag wird weiter zunehmen. Ob in der Industrie, im Dienstleistungsbereich, im Verkehr mit autonomen Fahrzeugen und Drohnen, im Haushalt oder in der Pflege – Roboter werden immer mehr Aufgaben übernehmen, getrieben auch durch neue KI-Methoden, die mit großen Datenmengen arbeiten. Wichtig ist, dass bei dieser Entwicklung ethische, soziale und rechtliche Aspekte berücksichtigt werden.  

Zur Person

Prof. Dr. Tobias Kaupp leitet an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) das Center für Robotik (CERI). Bei dem internationalen Wettbewerb „RoboCup“ in Nürnberg ist Kaupp mit seinem THWS-Team amtierender Weltmeister sowie mehrfacher deutscher Meister in der Liga „RoboCup@Work“.