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Ausbildung in Italien

„Wir müssen die gleichen Ziele erreichen“: Italiens Bildungsministerin Stefania Giannini über die Zusammenarbeit mit Deutschland bei der Berufsbildung.

Helen Sibum, 05.07.2016

Im Mai 2016 haben Sie und Ihre deutsche Amtskollegin Johanna Wanka das deutsch-italienische Memorandum zur Kooperation bei der Berufs­bildung um drei Jahre verlängert. Warum ist die Zusammenarbeit ein Erfolg?

Deutschland hat in der Berufsbildung eine starke Tradition und setzt Maßstäbe für eine effiziente Politik. Es ist ein wertvoller Partner, mit dem wir Möglichkeiten zu Mobilität und Austausch innerhalb des europäischen Rahmens entwickeln können. Die Kooperation hat es Experten beider Länder ermöglicht, gemeinsam stabile Verbindungen zwischen Schule und Praxis zu schaffen. Natürlich gibt es Unterschie­de zwischen dem deutschen und dem italienischen Bildungssystem und Arbeitsmarkt. Uns ist bewusst, dass wir das duale System nicht vollständig übernehmen können, aber wir glauben, dass wir die gleichen Ziele erreichen müssen: Lernenden zu garantieren, dass sie in Schule und Praxis neue Kompetenzen erlangen können, durch Bildungs­allianzen mit Unternehmen. Das Projekt DESI (Dual Education System Italy) ist ein gutes Beispiel: Ducati und Lamborghini engagieren sich in einem umfassenden ­Programm und integrieren die Auszubildenden in Organisation und Kultur der Unternehmen.

Jugendarbeitslosigkeit ist in vielen europäischen Ländern ein großes Problem. Ist ein besseres Ausbildungssystem die Lösung?

Berufsbildung und praktische Erfahrung helfen, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bestimmter Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu schließen. Fehlentwicklungen dort und im Bildungssystem steigern die Jugendarbeitslosigkeit und verursachen ­Kosten für den Einzelnen, für Unternehmen und ganze Volkswirtschaften. Eine effektive Berufsbildung ist der richtige Weg, Mitarbeiter mit den passenden ­Fähigkeiten auszustatten und mit Arbeitgebern zusammenzubringen. Italien hat viele Schritte in diese Richtung unternommen. Die Schulreform hat 
den Weg geebnet, und die Verfassungsreform, über die im Oktober 2016 mit einem Referendum abgestimmt wird, ist die wichtigste Änderung. Wir ­schlagen vor, dass das Ausbildungssystem, für das bislang die ­Regionen zuständig sind, in seinen Grundzügen auf nationaler Ebene gestaltet wird. Es ist Zeit, sich von dieser Vielzahl von 21 Systemen 
zu verabschieden, wenn wir auf nationaler und europäischer Ebene Ergebnisse sehen wollen.

Ihrer Ansicht nach leistet die Berufsbildung 
auch einen wichtigen Beitrag dazu, den europäischen Zusammenhalt zu stärken. Inwiefern?

Indirekt fördert die Berufsbildung soziale Inklusion, Integration und Mobilität. Sie schafft die nötigen ­Voraussetzungen, durch eine Stärkung persönlicher Fähigkeiten die Armut zu bekämpfen. Jugendarbeitslosigkeit und geringes Wachstum sind die Gespens­ter, die Europa umtreiben und die oft Misstrauen ­gegenüber dem europäischen Integrationsprozess verbreiten. Die europäische Politik will diese Entwicklung umkehren, indem sie in Bildung investiert.

Was sind die Ziele der deutsch-italienischen Zusammenarbeit in den kommenden drei Jahren?

Wir haben 2015 sechs Projekte zur Verbindung von Schule und Praxis gestartet – nach einem Modell, das wir im Rahmen unserer Zusammenarbeit entwickelt haben. Mit diesen Projekten erreichen wir 2500 Schüler, mehr als 100 kleine und mittelständische Betriebe beteiligen sich. Doch das ist nur ein Beispiel dafür, was wir gemeinsam erreicht haben. In den nächsten drei Jahren wollen wir mehr Mobilität und Austausch für Schüler, Lehrer und Arbeitgeber ermöglichen. Wir wollen Kommunikationskanäle zwischen Italien und Deutschland öffnen, um unsere ­unterschiedlichen Eindrücke zu schildern. Darüber hinaus werden Deutschland und Italien neue Lehrpläne entwickeln und dabei vor allem die Rolle von Unternehmen berücksichtigen. Außerdem wollen wir Kriterien zusammenstellen, um Kompetenzen von Lernenden zu zertifizieren. ▪