Zum Hauptinhalt springen

Authentische Chinaexperten ausbilden

Ein Stipendienprogramm kombiniert Sprachkurs und Praktikum in China, um junge Menschen zu Brückenbauern zu machen. Warum das gerade jetzt so wichtig ist.

Clara KrugInterview: Clara Krug, 29.06.2023
Ruth Schimanowski leitet die DAAD-Außenstelle Peking.
Ruth Schimanowski leitet die DAAD-Außenstelle Peking. © DAAD

Im Stipendienprogramm „SP China“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) lernen Graduierte aus Deutschland in China die chinesische Sprache und absolvieren ein Praktikum. Ruth Schimanowski, Leiterin der DAAD-Außenstelle Peking, erzählt, was das Programm auszeichnet – und warum es dabei um viel mehr geht als nur die Sprache.

Frau Schimanowski, nach Abschluss Ihres Physikstudiums in Berlin gingen Sie 1999 nach China und nahmen am Programm „Sprache und Praxis in der Volksrepublik China“ (SP China) des DAAD teil. Sie sind geblieben – und leben und arbeiten seither in China. Welche Bedeutung hat das Stipendium für Sie rückblickend?

Meine Teilnahme an dem Programm hat in vielerlei Hinsicht meinen weiteren Lebensweg bestimmt. Auf privater Ebene, weil ich über das Programm meinen – deutschen – Ehemann in Peking kennengelernt habe und wir inzwischen vier Kinder haben. Beruflich war das Programm wichtig, weil ich meine Chinesischkenntnisse deutlich erweitern konnte. Meine Karriere hat von der sehr schnellen Dynamik in China profitiert. Heute leite ich die DAAD-Außenstelle Peking. Das Programm war also in vielerlei Hinsicht wegweisend.

Nach Ihrem Abitur hatten Sie bereits ein Jahr in Taiwan verbracht und sprachen vor Ihrer Ankunft in Peking bereits Hochchinesisch. Warum war es trotzdem wichtig für Sie, an dem Stipendienprogramm teilzunehmen?

In China wollte ich ein Praktikum bei einem deutschen Unternehmen machen – und sowohl Berufs-, als auch Auslandserfahrung sammeln. Aber mein chinesischer Wortschatz war dafür nicht ausreichend. Es macht einen großen Unterschied, ob man auf dem Markt etwas bestellen oder ob man berufsbezogen kommunizieren kann und sich zum Beispiel mit der Arbeitskultur eines Landes auskennt. Genau das lernt man bei SP China.

Die aktuellen und ehemaligen Geförderten leisten einen wichtigen Beitrag zum deutsch-chinesischen Austausch. Zudem besitzen sie eine große Authentizität.
Ruth Schimanowski

Wie ist das Programm SP China aufgebaut und wer ist die Zielgruppe?

Das Stipendienprogramm richtet sich an Graduierte aus den Fachrichtungen Informatik, Natur-, Ingenieur-, Rechts-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften sowie Architektur. Viele Stipendiatinnen und Stipendiaten absolvieren zunächst einen zweiwöchigen sprachlichen und landeskundlichen Vorbereitungskurs an der Ruhr-Universität Bochum. Daran schließt ein zehnmonatiger Sprachkurs in China an. In dieser Zeit nehmen die Stipendiatinnen und Stipendiaten an spannenden Exkursionen teil und besuchen ansässige deutsche und chinesische Firmen. Zuletzt absolvieren sie sechs Monate lang ein Praktikum in einem Unternehmen oder in einer Verwaltungsinstitution ihrer Wahl in China.

Dass man mit beispielsweise 26 Jahren noch ein Praktikum macht, ist eher unüblich…

… ja, wir und die Geförderten sehen darin allerdings eine großartige Chance. Zum einen können Stipendiatinnen und Stipendiaten, die fachlich bereits Vorwissen mitbringen und ein Interesse an China haben, berufsbezogene Sprachkenntnisse und eine mündliche Ausdrucksfähigkeit aufbauen oder verbessern. Zum anderen verpassen sie den beruflichen Anschluss nicht, weil sie eine Praxisphase absolvieren – und das in einem wirtschaftlich und kulturell höchst spannenden Land.

Beeindruckendes Weltkulturerbe: Die Chinesische Mauer zu erwandern ist ein besonderes Erlebnis.
Beeindruckendes Weltkulturerbe: Die Chinesische Mauer zu erwandern ist ein besonderes Erlebnis. © Ruth Schimanowski

Finanziert wird das Programm aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Warum ist das Programm so wichtig?

Grundsätzlich geht es darum, junge Chinaexpertinnen und -experten heranzubilden, die sich mit Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft des Landes auskennen. Mehr als 270 Personen haben bisher an dem Stipendienprogramm teilgenommen. Viele von ihnen arbeiten heute in Firmen und Institutionen, in denen sie ihre Chinakompetenz nutzen können. Sie stammen aus verschiedenen Fachbereichen und treten mit chinesischen Kolleginnen und Kollegen in Dialog. So leisten sie einen wichtigen Beitrag zum deutsch-chinesischen Austausch. Zudem besitzen sie eine große Authentizität in ihrem Wissen und ihrer Meinung über China. Ihre Kompetenz ist gerade in politisch schwierigen Zeiten wertvoll. Unsere Stipendiatinnen und Stipendiaten sind an den Hochschulen und in den Unternehmen sehr willkommen, da man sich mit ihnen sehr differenziert und auf Augenhöhe begegnen kann.

In vielen Ländern ist es im akademischen Umfeld normal, auf Englisch zu kommunizieren.

Im akademischen Umfeld finden sich Studierende in China ebenfalls auf Englisch gut zurecht – Hochschulen in China haben in den vergangenen Jahren in diesem Bereich einen großen Qualitätssprung vollzogen. Dennoch sind viele Vorlesungen auf Chinesisch – oder es gibt Lehrveranstaltungen, die zwar auf Englisch stattfinden, aber ausschließlich für ausländische Studierende gehalten werden. Diese systemimmanente Trennung lässt sich nur durch gute Chinesischkenntnisse überwinden. Ich finde auch ganz allgemein, dass Sprache immer eine Möglichkeit ist, seinem Gastland Respekt entgegenzubringen.

Mehr als 270 Teilnehmende wurden seit 1996 in dem Programm gefördert. Bleiben Sie in Kontakt?

Vor sieben Jahren haben einige Ehemalige den Verein SP China Alumni gegründet. Fast die Hälfte aller Alumnae und Alumni tauscht sich in dem Verein weiter aus. Über die Jahre hinweg ist so ein riesiges Netzwerk aus Chinaexpertinnen und -experten entstanden. Einige der Alumni und Alumnae blieben natürlich auch nach Ablauf der DAAD-Förderung im Land. Allerdings die wenigsten so lange wie ich, also fast 25 Jahre. Wenn ich in diesem Jahr mit meiner Familie nach Deutschland zurückkehre, wird das schon eine sehr große Umstellung.