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Vulkane und Tsunamis

Eine deutsch-indonesische Forschergruppe untersucht die Gefahren, die von abrutschenden Hängen an Vulkanen ausgehen.

Klaus Lüber, 13.07.2022
Der Vulkan Anak Krakatau, das „Kind des Krakatau“
Der Vulkan Anak Krakatau, das „Kind des Krakatau“ © dpa

Die tödlichen Wellen kamen praktisch ohne Vorwarnung. Am 28. September 2018 verwüstete ein bis zu neun Meter hoher Tsunami weite Teile der indonesischen Stadt Palu. Vorausgegangen war ein etwa 80 Kilometer entferntes Erdbeben, doch eine anfängliche Tsunami-Warnung wurde wieder zurückgenommen. Mehr als 2200 Menschen starben an den Folgen beider Katastrophen. Nur drei Monate später, am 22. Dezember 2018, erreichte ein drei Meter hoher Tsunami die Küsten der Inseln Sumatra und Java. 430 Menschen starben, 14.000 wurden verletzt und 30.000 verloren ihr Zuhause. Auch hier versagte das Warnsystem.

Eine Moschee nach dem Tsunami am 28. September 2018
Eine Moschee nach dem Tsunami am 28. September 2018 © dpa

„Für uns war der Tsunami in Palu zunächst ein Rätsel“, sagt Professor Thomas Walter, der am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam eine Arbeitsgruppe in der Sektion Erdbeben- und Vulkanphysik leitet. Denn das Beben wurde von einer sogenannten Blattverschiebung ausgelöst. Davon sprechen Fachleute, wenn die Erdplatten sich horizontal verschieben. „Hohe Tsunamis, so glaubte man bis dahin, entstehen durch vertikale Verschiebungen.“ Beim Tsunami auf Sumatra und Java hatten die Messsysteme nicht einmal eine Chance, die Monsterwelle zu detektieren. Denn der Auslöser war gar kein Beben, sondern ein gigantischer Hangrutsch am nahe gelegenen Vulkan Anak Krakatau.

Verwüstungen nach dem Tsunami am 22. Dezember 2018
Verwüstungen nach dem Tsunami am 22. Dezember 2018 © dpa

Weniger als fünf Prozent aller Tsunami werden durch solche Rutschungen ausgelöst und da diese zudem nur schwer messbar sind, standen sie bislang nicht im Fokus der Entwicklung von Frühwarnsystemen. Genau dies will das Kooperationsprojekt „TsunamiRisk“ ändern. 22 indonesischen Institutionen und sieben deutsche wissenschaftliche Einrichtungen, darunter auch das GFZ, arbeiten an technischen Lösungen zur Früherkennung solcher geologischer Ereignissen. Auch der rätselhafte Tsunami von Palu erklärte sich im Nachhinein als eine von mehreren Flutwellen, die durch unter der Meeresoberfläche verborgene Rutschungen ausgelöst wurden.

„Dass solche Tsumamis nach aktueller Datenlage eher selten sind, ist kein Wunder“, erklärt Thomas Walter. „Die durch Rutschungen verursachten Flutwellen sind meist kleiner als durch Beben ausgelöste Tsunamis und werden überhaupt erst seit wenigen Jahren erfasst.“ Im Rahmen von TsunamiRisk wurde gleich eine ganze Reihe potenziell instabiler Vulkane identifiziert, in deren Nähe sich keine einzige Messstation befindet, um irgendwelche Änderungen zu detektieren. „Wir würden auch hier wieder völlig überrascht werden.“

Neueste Geräte können auf der Westseite einer Insel den Wellengang auf der Ostseite messen.
Prof. Dr. Thomas Walter, Experte vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ)

Da Rutschungen nur minimale seismischen Wellen auslösen, bedarf es besonders sensibler Seismografen, um sie dennoch aufzuspüren. „Die neuesten Geräte können das“, so Walter. „Mit denen ist es möglich, auf der Westseite einer Insel den Wellengang auf der Ostseite zu messen.“ Eine weitere Möglichkeit sind Infraschallmessungen, wie sie zur globalen Überwachung von Atombombentests eingesetzt werden. „Wenn ein großer Gesteinsblock auf die Meeresoberfläche trifft, erzeugt das ein gigantisches Platschen und damit eine Druckwelle, die mit Schallgeschwindigkeit durch die Atmosphäre wandert. Und diese können wir messen.“

Damit eine Warnung wirklich schnell genug, nämlich innerhalb von Minuten, ausgesprochen werden kann, greift ein Warnsystem auf Szenarien zurück, die es zuvor an Modellen durchgespielt hat. Am Ende werden die realen mit den simulierten Daten verglichen und das ähnlichste Szenario aufgerufen. Auch kooperiert TsunamiRisk mit der Firma Gempa, einer Ausgründung des German Indonesian Tsunami Early Warning System (GITEWS), das nach dem verheerenden Tsunami von 2004 in deutsch-indonesischer Zusammenarbeit unter Leitung des GFZ entwickelt wurde.

Anders als GITEWS hat TsunamiRisk nicht die Mittel, ein angepasstes Warnsystem selbst zu entwickeln und zu implementieren. Man sehe sich eher als Impulsgeber für indonesische Partner, so Professor Walter. „Natürlich stellen wir bei Bedarf auch Ressourcen zur Verfügung, etwa Satelliten oder geowissenschaftliche Tools zur Datenauswertung“, erklärt der Wissenschaftler. „Unser mittel- und langfristiges Ziel ist es aber, Akteure in Indonesien besser zu verzahnen und in der Entwicklung eigener Lösungen zu unterstützen.“ TsunamiRisk wird seit 1. März 2021 im Rahmen der Fördermaßnahme „CLIENT II – Internationale Partnerschaften für nachhaltige Innovationen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt.

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