100 Jahre Goethe-Universität Frankfurt am Main
2014 feiert die Goethe-Universität Frankfurt am Main ihr 100-jähriges Bestehen. Ein Interview mit dem Präsidenten Werner Müller-Esterl.

Herr Müller-Esterl, vor 100 Jahren wurde die Goethe-Universität Frankfurt am Main gegründet – was zeichnete sie damals aus?
1914 ging die Universität neue Wege in Forschung und Lehre. Der liberale Geist einer einstmals freien Reichs- und Handelsstadt sowie des ersten deutschen demokratischen Aufbruchs beflügelte die Universitätsgründer, Neues zu wagen; sei es mit dem Aufbau moderner Fakultäten wie der Sozial- und Naturwissenschaften oder sei es mit anderen Formen in der Hochschulorganisation oder der Didaktik. International geachtete Geistesgrößen wie Franz Oppenheimer, Theodor W. Adorno oder Max Horkheimer stehen für diese Errungenschaften, die der Goethe-Universität binnen kürzester Zeit weltweit zu Ansehen verhalfen: 19 Nobelpreisträger haben hier seit der Gründung der Universität studiert oder gearbeitet.
Die Entwicklung verlief jedoch nicht immer glatt…
Nach einem wissenschaftlich betrachtet fulminanten Start geriet die Universität im Ersten Weltkrieg in finanzielle Schwierigkeiten; dann kam der tiefe Einschnitt des Nationalsozialismus. An der Goethe-Universität wurden in kürzester Zeit alle jüdischen Professoren und Mitarbeiter entlassen. Das war das vorläufige Ende von Liberalität, Internationalität und Pluralität.
Wo steht die Goethe-Universität heute?
Der 100. Geburtstag ist ein guter Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen, eine Ortsbestimmung vorzunehmen, aber auch einen Blick nach vorne zu werfen. Nach Jahren der Erneuerung ist die Goethe-Universität mit mehr als 46.000 Studierenden heute eine der größten Universitäten Deutschlands und hat national und international als eine äußerst forschungsstarke Hochschule an Sichtbarkeit gewonnen. Als Bürgeruniversität ist die Goethe-Universität tief in Frankfurt verwurzelt, aber zugleich hatten 2013 über 40 Prozent unserer neuberufenen Professoren keinen deutschen Pass, 24 Prozent unserer Studierenden haben einen Migrationshintergrund. Wir sind eine internationale Hochschule in der internationalsten Stadt Deutschlands. Diese positive Entwicklung gilt es fortzusetzen.
Welche Aufgaben stellen sich für die Zukunft?
Ihren runden Geburtstag möchte die Goethe-Universität nun nutzen, um ihre liberalen Wurzeln wieder sichtbarer zu machen. Leitbegriffe wie Modernität, Diversität und Autonomie haben bis heute nicht an Aktualität eingebüßt – Ideale, für die auch der universitäre Namensgeber, das Universalgenie Johann Wolfgang Goethe, steht.
Festakt zum 100. Geburtstag der Goethe-Universität am 18. Oktober 2014 in Frankfurt am Main