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Die Politik ist die treibende Kraft

Deutschland und China unterhalten ein enges Netz an Forschungskooperationen. Durch die alle zwei Jahre stattfindenden Regierungskonsultationen kommen immer neue Projekte hinzu.

Gunda Achterhold , 19.03.2015
© Bundesregierung/Kugler - Forschung
Wie entstehen neue Ideen? Und wie lassen sie sich umsetzen? Am Joint Center for Innovation Research in Peking suchen deutsche und chinesische Forscher gemeinsam nach Antworten auf diese Fragen. Mit dem 2013 gegründeten Zentrum vertiefte das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI die seit vielen Jahren bestehende Zusammenarbeit mit dem Institut für Politik und Management an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Ziel des deutsch-chinesischen Forscherteams ist es, deutschen und europäischen Kunden, die den chinesischen Markt erschließen wollen, eine fundierte Beratung anzubieten. Ihr Themenspektrum reicht von Energieeffizienz und regenerativen Energien über Transportsysteme bis hin zu Wasser-Infrastrukturen.
 
Die deutsch-chinesische Forschungsinitiative signalisiert: China setzt auf Innovation. Nur die USA geben im globalen Vergleich mehr für Forschung und Entwicklung aus. Die politische Führung der Volksrepublik hat die Wissenschaft als Grundlage des wirtschaftlichen Wachstums identifiziert und investiert massiv, um mit den Industrienationen in der Spitzentechnologie gleichzuziehen. Im Fokus steht die marktwirtschaftliche Nutzung der Erkenntnisse: Während die Grundlagenforschung in China eine untergeordnete Rolle spielt, fließt der mit mehr als 80 Prozent größte Teil der Ausgaben in die experimentelle Forschung.
 
Deutschland ist in der Forschung ein wichtiger Partner. Ein nach außen besonders sichtbares Zeichen für die enge Zusammenarbeit beider Länder ist das Chinesisch-Deutsche Zentrum für Wissenschaftsförderung (CDZ). Die in Peking als Joint-Venture gegründete Forschungsförderorganisation der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der National Natural Science Foundation of China (NSFC) unterstützt Vorhaben in den Natur-, Lebens- und Ingenieurwissenschaften sowie in den Managementwissenschaften. Über Symposien, die Förderung bilateraler Forschungsprojekte, Sommerschulen für junge Wissenschaftler oder China-Aufenthalte für Nachwuchsgruppenleiter aus Deutschland schafft das CDZ die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für die wissenschaftliche Zusammenarbeit und fördert den Austausch junger Forscher und Forscherinnen.
 
Alle großen deutschen Forschungseinrichtungen und Förderorganisationen unterhalten vielfältige Kooperationen mit Partnern in China – von Studierendenprogrammen über Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereiche bis hin zu Großforschungsprojekten. Ein Beispiel ist das Research Centre for Environmental Information Science (RECEIS). Das 2014 gegründete deutsch-chinesische Kompetenzzentrum für Erdbeobachtung und Erdsystemmodellierung wird vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) koordiniert. Das Forschungsnetzwerk beschäftigt sich mit den Themenschwerpunkten Wasser-, Boden- und Luftverschmutzungen. Partner sind das Forschungszentrum Jülich, das Karlsruher Institut für Technologie und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Auf chinesischer Seite ist das CAS Institute for Geographical Sciences and Natural Resources Research federführend.
 
Auch auf höchster politischer Ebene wird die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit vorangetrieben. Im Rahmen der alle zwei Jahre stattfindenden Regierungskonsultationen entstehen immer neue gemeinsame Projekte. So wird sich China als Partner an dem vom Bundesforschungsministerium initiierten „Wissenschaftsjahr 2015: Zukunftsstadt“ beteiligen. Urbanisierung und Stadtentwicklung gehören ebenso zu den Schwerpunkten in der chinesischen Forschungslandschaft wie Fragen der öffentlichen Sicherheit, Umweltschutz, Biotechnologie oder moderne Fertigungstechnik. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit in den Bereichen der erneuerbaren Energie und der Elektromobilität.
 
Treibende Kraft ist Forschungsminister Wan Gang, der in Deutschland promovierte und beim Automobilhersteller Audi in der Forschung tätig war. An der Tongji-Universität in Shanghai forschte er über Elektromobilität und war später ihr Präsident. Zur Technischen Universität Clausthal, wo Professor Wan Gang Mitte der achtziger Jahre promovierte, bestehen bis heute enge Kontakte. Seit mehr als zehn Jahren arbeiten die TU im Oberharz mit ihren insgesamt acht chinesischen Partneruniversitäten, zu denen unter anderem  die Sichuan-University, die Tongji-University und die East China University of Science and Technology gehören, auf dem Gebiet der Energieeffizienz, der erneuerbaren Energien und der Elektromobilität erfolgreich zusammen. Ende Mai 2015 findet zu diesen Themen die vierte Chinesisch-Deutsche Energietagung in Chengdu statt.
 
Auch die Biotechnologie gehört zu den besonders innovativen Zukunftsfeldern. Im Bereich der Zellforschung hat das 2005 in Shanghai gegründete Partner Institute for Computational Biology (PICB) Bewegung in die deutsch-chinesische Zusammenarbeit gebracht. Das Pilotprojekt ist nach dem Vorbild der Max-Planck-Institute aufgebaut und gehört organisatorisch zu den Shanghai Institutes for Biological Sciences (SIBS), dem größten biowissenschaftlichen Campus der Chinese Academy of Sciences. Eine Direktorin am PICB ist die Genetikerin und Bioinformatikerin Jing-Dong Jackie Han. Die Professorin hat einige Jahre in Amerika gearbeitet. Mit ihrer Berufung wurde die Genomforschung gestärkt und die Alternsforschung als systembiologisch zu behandelndes Thema eingeführt. Nach knapp zehn Jahren fällt die Bilanz positiv aus. „Das Institut hat einen großen Effekt auf die Wahrnehmung der deutschen Wissenschaft in China“, sagt Martin Vingron, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Seit 2006 ist er kommissarischer Direktor am PICB und leitet eine Gruppe, die sich mit Genregulation und genetischen Netzwerken beschäftigt. „Das Interesse an Austausch und Zusammenarbeit ist spürbar gestiegen, und zwar auf beiden Seiten“, so Vingron. Im vergangenen Sommer organisierten seine Abteilungen in Berlin und Shanghai eine gemeinsame Summer School für Doktoranden in Shanghai. „Unser Ziel muss es sein, dass jeder der kooperierenden Partner für sich attraktiv und Teil einer internationalen Wissenschaftsgemeinschaft ist.“ ▪