Sozialwissenschaften aus mehreren Blickwinkeln
Das „German Turkish Masters Program in Social Sciences“ bietet ein Studium in Berlin und Ankara.

„Ich habe ein sowohl angesehenes als auch innovatives Masterprogramm gesucht“ – deshalb entschied sich die 26-Jährige Zeynep Dedeoğlu aus Izmir für das „German Turkish Masters Program in Social Sciences (GeT MA)“ und verbrachte mit ihren Kommilitonen zunächst ein Jahr an der Middle East Technical University in Ankara, bevor alle gemeinsam nach Berlin zogen und an der dortigen Humboldt-Universität weiterstudierten.
Der Großteil der „GeT MA“-Studierenden stammt aus der Türkei oder Deutschland, aber auch mehrere andere Nationalitäten sind in dem Studiengang vertreten, der Teil der Ernst-Reuter-Initiative des Auswärtigen Amts und des türkischen Außenministeriums ist. Finanziell gefördert wird das Programm durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).
GeT MA beschäftigt sich nicht nur mit sozial- und politikwissenschaftlichen Fragen, sondern berücksichtigt auch kultur- und wirtschaftswissenschaftliche Themenfelder. „Der Masterstudiengang hat vier Schwerpunkte“, erklärt Claudia Matthes, die als „Director of Studies“ fungiert. Erstens: Modernisierung. Dabei werden unter anderem die Herausforderungen in der Türkei und in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg verglichen und ihr Weg zum modernen Staat nachvollzogen. Zweitens: Demokratisierung. „Neben der türkischen Innenpolitik behandeln wir auch die historischen Beziehungen zu den türkischen Nachbarstaaten wie im Kaukasus und im Nahen Osten. In Deutschland werden vor allem die Probleme etablierter Demokratien analysiert“, erläutert Matthes. Drittens: Europäisierung. Dieser Bereich befasst sich mit den EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei, aber auch mit der Frage, welche Politiken vorbildhaft sein können und woher diese Einflüsse kommen. Viertens: Migration. „In der Türkei herrscht noch immer eine starke Binnenmigration vom Land in die Stadt. Aber auch die Migration nach Deutschland wird behandelt“, sagt Matthes.
60 bis 80 Bewerbungen kommen pro Bewerbungsrunde auf 20 bis 25 Plätze, wobei die Kandidaten einen entsprechenden fachlichen Hintergrund aufweisen sollten: Viele haben ihren Bachelor in Politik, Soziologie oder Geschichte gemacht. So auch Zeynep Dedeoğlu: Sie studierte Soziologie mit Schwerpunkt auf Demokratie und das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft. Die Studierenden besuchen pro Semester zwei bis drei Pflichtkurse; den Rest ihres Programms dürfen sie selbst auswählen. Der Ortswechsel in der Mitte des Masterstudiums ist jedoch für alle zwingend. „Ich hatte vorher sechs Jahre in derselben Stadt gelebt. Für mich war das ein toller neuer Anfang“, erzählt Dedeoğlu. Schnell fand sie ein gemütliches Zimmer in einem Studentenwohnheim – „bezahlbar, nett und sicher“.
Die Berufschancen der „GeT MA“-Absolventen sind gut. „Einige Alumni arbeiten bei NGOs wie der türkischen Flüchtlingshilfe, aber auch bei Handelskammern“, berichtet Claudia Matthes. „Andere entscheiden sich für eine Promotion und ergattern Stipendien in ganz Europa.“ Auch Zeynep Dedeoğlu schließt ihre Masterarbeit im Oktober ab. Dann will sie zurück in die Türkei gehen und bei einem Think Tank anheuern, der auf Demokratie und internationale Beziehungen spezialisiert ist. „Nach einem Jahr werde ich mich dann um eine Promotion bemühen – in Deutschland.“
Julia Bähr