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„Ungestillter Bildungshunger“

Bildungsexperte Udo Steffens erläutert, wie eine gute Ausbildung den Kongo voranbringen kann

12.08.2014
© Frankfurt School of Finance & Management - Business School

Herr Professor Steffens, die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) befindet sich in einer Zeit des Umbruchs. Warum braucht das Land in dieser Situation eine Business School?

Keine Frage: Die blutigen Konflikte sind nicht schönzureden. Man wird dem Land aber nicht gerecht, wenn man es darauf reduziert. Die Auseinandersetzungen haben die Demokratische Republik Kongo bitterarm gemacht. Doch eigentlich ist das Land sehr reich! Es verfügt über viel Wasser, große tropische Regenwälder und wertvolle Bodenschätze wie Kupfer, Diamanten, Kobalt und Zink. Mit 70 Millionen Menschen gehört die DRK zudem zu den bevölkerungsreichen Ländern südlich der Sahara. Derzeit befindet sich die kongolesische Wirtschaft auf Wachstumskurs. Dennoch sind 70 Prozent der Jugendlichen arbeitslos. Gleichwohl haben Unternehmen Rekrutierungsprobleme, da gut ausgebildete Fachkräfte Mangelware sind. Hier setzen wir an.

Was sind aus Ihrer Sicht die Schwächen des Bildungssystems?

Die meisten Hochschulstudiengänge im Kongo vermitteln nur Theorie. Vor dem Engagement der Frankfurt School gab es keinen einzigen Studiengang zu Mikrofinanzierung oder zu Management, der internationale Standards erfüllt hätte.

Bereits seit 2009 bieten Sie in der DR Kongo den Masterstudiengang „Mikrofinanzierung“ an – dabei handelt sich um ein Fachzentrum des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD). Warum haben Sie zusätzlich die „Central Africa Europe Business School“ gegründet?

Der Masterstudiengang in Mikrofinanz, den wir gemeinsam mit der Université Protestante au Congo (UPC) durchführen, legte das Fundament für unsere Partnerschaft. Jetzt bauen wir sie aus. Wir nehmen im Kongo einen großen Bedarf in der allgemeinen Managementausbildung wahr – insbesondere bei Menschen, die für internationale Unternehmen wie Telefonkonzerne, Fluggesellschaften, Brauereien oder Hotelketten arbeiten. So haben wir mit der UPC eine Business School als Joint Venture gegründet. Hier bieten wir einen Executive MBA (EMBA) an, der sich an diese Zielgruppe richtet. Er dauert ein Jahr, ein Modul findet bei uns in Frankfurt statt. Hierfür vergibt der DAAD Reisestipendien.

Die Business School ist rein privat finanziert – wie stemmen Sie die Kosten?

Über die Gebühren des EMBA. Im ersten Jahr lagen sie bei umgerechnet 7 500 Euro, jetzt belaufen sie sich auf 12 500 Euro. Bei 36 Teilnehmern kommen aktuell knapp 300 000 Euro zusammen – das ist eine gute Grundlage. Die Zahl der Bewerbungen lag im aktuellen ersten Jahrgang übrigens bei mehr als 100.

12 500 Euro – das wäre auch für deutsche Staatsbürger eine ordentliche Summe. Wie finanzieren Ihre kongolesischen Studierenden die Gebühren?

Meistens kommt der Arbeitgeber dafür auf – es handelt sich ja um einen berufsbegleitenden EMBA. Wenn ein Bewerber im Eignungstest überdurchschnittlich gute Ergebnisse erzielt, sich den EMBA aber nicht leisten kann, vergeben wir auch Kredite.

Ihre Professoren fliegen Sie aus Deutschland ein – sind Sie nicht um die Sicherheit Ihrer Mitarbeiter besorgt?

Von den Konflikten im Osten des Kongo bekommt man in der Hauptstadt Kinshasa, die ganz im Westen liegt, nicht viel mit. Ich persönlich empfinde Kinshasa nicht als eine überdurchschnittlich gefährliche Stadt. Natürlich sollte man einige Regeln beachten und sich nicht unbedingt nach Anbruch der Dunkelheit in einsamen Straßen aufhalten – das gilt aber auch für viele Metropolen in westlichen Industrieländern.

Global vergleichbar sind auch Ihre Lehrmethoden.

Im Kongo wird die Vorlesung wörtlich genommen: Ein Professor steht am Pult und liest aus einem Buch vor. So etwas gibt es bei uns nicht. Unsere Lehrveranstaltungen leben von Fallstudien, Diskussionen und von Gruppenarbeit – wie es an Business Schools weltweit Gang und Gäbe ist. Damit sind wir in der DR Kongo Vorreiter und stoßen eine Universitätsreform an.

Wie bewerten Sie die Arbeitsmarktchancen Ihrer Absolventen?

Die meisten von ihnen erhalten mindestens zwei neue Jobangebote – teilweise auch aus dem Ausland. Außerdem sollten sie eine Gehaltssteigerung erwarten können.

Aktuell bieten Sie in der Business School nur den EMBA an – möchten Sie das Angebot erweitern?

Darüber denken wir intensiv nach. Exzellent angenommen werden bereits kompakte Executive Education-Programme, bei denen Fach- und Führungskräfte aus den Entwicklungsbanken ihre persönlichen Führungskompetenzen entwickeln.

Sie selbst haben einen Strategiekurs unterrichtet – was hat Sie überrascht?

Das Engagement, die Energie und die Dynamik der Studierenden haben mich tief beeindruckt. Ihr großer, bislang ungestillter Bildungshunger spiegelt auch den steigenden Bildungsbedarf der Mittelschicht wider, die sich im Kongo nun herausbildet. Diesen Wissensdurst hautnah zu erleben, ist für mich persönlich eine große Freude. Er bestärkt mich auch darin, unser Engagement im Kongo zu verstetigen. ▪

Interview: Clara Görtz